Mir ist neulich etwas passiert, was mich über "Mission" hat nachdenken lassen. Nicht auf einem anderen Kontinent, sondern hier im Alltag. Als mir ein kleiner Unfall passierte. Generell ist der Supermarkt wohl ein geeigneter Hotspot für Pleiten- Pech- und Pannenshows, falls es so was noch gibt. Vor allem, wenn "Schnell-noch-etwas-Besorgen"-Mütter wie ich zwischen Kita und Freizeitevent vorbeischneien. Jedes Mal, wirklich jedes Mal, nehme ich mir vor, meine Kleinkinder nicht mitzunehmen und es vorab in Ruhe zu machen. Doch Kinder und Pläne schließen sich leider häufig aus. So auch an diesem Tag. Normalerweise stressen mich dann angebissene Tomaten oder die Quengelzone an der Kasse. Doch diesmal waren meine Kinder unschuldig.
Wir waren vor dem Einkaufen noch in der Eisdiele, um den Ferienbeginn zu feiern und die Kinder saßen glücklich schleckend auf der Sitzbank im Lastenrad. Beim Versuch, das große Fahrrad vor dem Supermarkt einzuparken und parallel die sehr locker in der Waffel sitzende Eiskugel in der Hand eines Kleinkindes vom Fall nach unten zu bewahren, tangierte ich ein anderes, geparktes Fahrrad – es fiel scheppernd um. Es war ein sichtbar teures E-Bike. Mir wurde schlecht.
Als ich es vorsichtig wieder aufstellte, sah ich, dass ein Teil der Verzierung des Lenkers abgebrochen war. Auch das noch!
Etwas hilflos (der Haltewinkel der Eistüte musste parallel weiter im Blick behalten werden), überlegte ich, wie ich einen Zettel mit meiner Telefonnummer am Rad anbringen könnte. Hatte sich dann erledigt – der Radbesitzer kam aus dem Laden: Er war muskulös, kahlköpfig, tätowiert. Auweia. Ja, ich weiß: böse Klischees! Doch in diesem Panikmoment war mein Hirn zum Differenzieren nicht mehr in der Lage. Der Mann war dann zum Glück unfassbar nett: "Es ist wirklich Zeit für einen neuen Fahrradständer, das Ding ist mir schon so oft umgefallen". Puh. Sogar das abgebrochene Teil war kein Thema und er fuhr davon. Aufatmen.
Ein anderer Mann hatte die Szenerie beobachtet. Er kam danach zu mir. "Hey, lass dich davon nicht aus der Ruhe bringen, du hast dich doch nett entschuldigt. Schön, dass der Typ sich nicht aufgeregt hat. So was passiert." Und er erzählte mir, dass er einmal in Frankreich einen Unfall hatte, bei dem ein Neuwagen zu Schaden kam und der Besitzer ähnlich nachsichtig war.
Wir kamen ins Gespräch. Irgendwann sagte er ganz unvermittelt: "Jesus hat gesagt: Du sollst dein Herz nicht an Materielles hängen. Das muss ich mir auch immer wieder neu sagen – das ist im Leben wirklich nicht das Wichtigste." Ich war überrascht. Dann führte das Gespräch wieder in eine andere Richtung und ich merkte, dass mein Stress nachließ. Der Mann hatte mich aufgemuntert und ich dankte ihm dafür. Unsere Wege trennten sich.
Eigentlich ist das stark, so nonchalant von seinem Glauben zu erzählen, der einem diese Zuversicht und Gelassenheit gibt.
Beim Nachhauseradeln (das Eis war in der Zwischenzeit unbeschadet verzehrt worden) dachte ich mir: Eigentlich ist das stark, so nonchalant von seinem Glauben zu erzählen, der einem diese Zuversicht und Gelassenheit gibt. Ich musste unwillkürlich an eine Bibelstelle denken (was mir im Alltag sonst eher nicht passiert): "Gebt Zeugnis von der Hoffnung, die euch erfüllt" (1 Petr 3, 15). Ja, das hat der Mann gemacht – und ist bei mir damit auf fruchtbaren Boden gestoßen. Nur: Wie hätte jemand reagiert, der mit dem Glauben nichts anfangen kann? Hätte er den Kopf geschüttelt und wäre weitergegangen? Hätte er sich bedrängt gefühlt? Oder hätte es ihn nachdenklich gemacht, dass sein zufälliger Gesprächspartner so gelassen und glücklich wirkte?
Vielleicht probiere ich das jetzt auch einmal aus und erzähle unvermittelt, wenn es passt, von meinem Glauben. Mir fällt ein, dass muslimische Freundinnen das immer wieder ganz natürlich machen. Und ich muss an Éric-Emmanuel Schmitts Erzählung "Die Blumen des Koran" denken. Hier gibt der ältere Ladenbesitzer Ibrahim dem Jungen Momo Lebensweisheiten mit auf dem Weg, immer mit dem Hinweis versehen: "Das steht in meinem Koran." Den will der Junge dann irgendwann unbedingt lesen.
Die kleinen Dinge machen den Unterschied
Nur irgendwie fürchte ich, dass mir das nicht so unangestrengt über die Lippen kommen wird, weil mir hier die Übung fehlt. Natürlich trägt mich mein Glaube durch den Tag, natürlich gibt es da zahlreiche Stoßgebete im Stillen und natürlich stehen hinter meiner Zuversicht zahlreiche Geschichten aus der Bibel, die ich ebenso still in mir trage. Doch sind das nicht Dinge, die einem früher selbstverständlich beigebracht wurden und bei denen man heute deshalb so still ist, weil das früher einfach normale Volksfrömmigkeit war? Es gab kaum Grund zur "Mission" auf deutschen Straßen. Das hat sich geändert.
Es muss dabei nicht spektakulär und aufwendig sein. Der "Missionsbefehl" Jesu: "Gehet hin und machet alle Völker zu meinen Jüngern" (Mt 28, 16-20) ist ja schon etwas einschüchternd, und ich würde jetzt auch nicht mit einem "Bekehrt-euch"-Schild an die Straßenecke stehen. Doch selbstbewusst und selbstverständlich im Alltag einfließen zu lassen, dass man glücklich ist, weil man Kraft aus seinem Glauben zieht – das wäre schon was. Sind es nicht manchmal die kleinen, unspektakulären Dinge, die einen Unterschied machen? Spricht nicht Gott dann auch durch bekennende Menschen zu uns? An dem Tag war das für mich so.
Daheim angekommen war ich jedenfalls einfach nur froh, dass der E-Bike-Besitzer sein Herz nicht an Materielles hängt, ein fremder Mann mich mit einem Jesus-Wort beruhigt hat – und es für ein Kleinkind keinen Eisverlust im Lastenrad gab.