"Wir lieben Dich, Gott!"Wider die Instrumentalisierung Gottes in der Politik

Trump, Netanjahu und Chamenei: Alle drei berufen sich für ihre kriegerischen Ambitionen auf Gott – und missachten damit seine Heiligkeit. Frieden kann nur möglich werden, wenn jede Seite lernt, nicht nur das eigene Leid, sondern auch das der anderen wahrzunehmen. Es braucht eine Politik der Compassion.

US-Präsident Donald Trump und Vizepräsident JD Vance während der Angriffe auf Atomanlagen des Irans. Im Anschluss bedankte sich Trump bei Gott für den militärischen Erfolg.
US-Präsident Donald Trump und Vizepräsident JD Vance während der Angriffe auf Atomanlagen des Irans. Im Anschluss bedankte sich Trump bei Gott für den militärischen Erfolg.© The White House/gemeinfrei/Wikimedia Commons

Manchmal gibt es auch im Negativen eine Allianz zwischen politischen Repräsentanten der drei abrahamitischen Religionen. Alle diese Religionen kennen das Gebot, den Namen Gottes zu heiligen, ihn nicht zu missbrauchen. Aber die Versuchung, die eigenen politischen Interessen religiös aufzuladen, ja militärische Aktionen im Namen Gottes zu rechtfertigen, ist Juden, Christen und Muslimen offensichtlich immer wieder gemeinsam. Dadurch werden gewaltsame Auseinandersetzungen zu Religionskriegen hochstilisiert, Freund-Feind-Unterscheidungen erhalten eine theologische Vertiefung, die Gespräche erschwert und konstruktive Lösungen blockiert.

Beispiele gibt es nicht nur in der von Konflikten durchzogenen Geschichte, sondern auch in der allerjüngsten Gegenwart. Der amerikanische Präsident Donald Trump hat sich schon öfter als Instrument der Vorsehung Gottes oder als politischen Heilbringer stilisiert. In der Nacht von Samstag auf Sonntag, nachdem er die iranischen Atomanlagen erfolgreich mit bunkerbrechenden Bomben attackiert hatte und damit den Albtraum vorerst verscheucht hatte, dass das Mullah-Regime in Teheran zu einer Atommacht aufrücken könnte, sagte er erleichtert:

"Ich möchte allen danken. Besonders Gott. Ich will sagen: Wir lieben dich, Gott. Und wir lieben unsere großartigen Streitkräfte. Schütze sie. Gott segne den Nahen Osten. Gott segne Israel und Gott segne Amerika!"

Die Begeisterung über die spektakuläre Militäraktion kleidet sich hier in ein religiöses Sprachspiel. Der Präsident, der ansonsten nicht für besonders innige Frömmigkeitspraktiken bekannt ist, führt die erfolgreiche Mission auf Gottes Unterstützung zurück. Immerhin wird sein Segen nicht nur für Israel und Amerika, sondern auch für den Nahen Osten erbeten – Gottes Unterstützung wird also nicht nur für das eigene Land und seine Verbündeten reklamiert, sondern auch für die Region des gerade attackierten Iran erbeten.

Ähnlich hat sich der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geäußert. Nachdem die israelische Luftwaffe die Raketenabwehr Irans lahmgelegt und Hoheit über den Luftraum des verfeindeten Landes erlangt hatte, hat er hinter den Kulissen alles getan, Trump zu überzeugen, das window of opportunity nicht ungenutzt zu lassen, die iranischen Nuklearanlagen in Natans, Isfahan und Fordow durch die Entsendung von B-2-Tarnkappenbombern auszuschalten. Die Freude über den erfolgreichen Schlag gegen den Erzfeind Iran vermengt sich beim israelischen Premier ebenfalls mit einer religiösen Bitte:

"Gott segne Amerika, Gott segne Israel, und möge Gott unser unerschütterliches Bündnis, unseren unerschütterlichen Glauben segnen."

Die Verlierer werden hier gar nicht erst in den Radius des Segens hineingenommen, als würde Gott die einen segnen, die anderen aber verfluchen.

Schließlich hat sich das politische und religiöse Oberhaupt des Iran, Ali Chamenei, geäußert – aber erwartbar gegenläufig. Der Revolutionsführer, der seit 1989 das Mullah-Regime führt, bestreitet das Existenzrecht des Staates Israels und leugnet den Holocaust, den er als "Märchen" bezeichnet hat. Aus einem Bunker in Teheran ließ er vermelden:

"Der Allmächtige Gott wird der iranischen Nation, der Wahrheit und der Seite, die im Recht ist, ganz sicher den Sieg schenken – so Gott will."

Trotz der militärischen Demütigung hält Chamenei geradezu kontrafaktisch am Sieg der iranischen Sache fest. Allah wird den Triumph bringen, so er will. Mit der im Islam gebräuchlichen Formel "Inschallah" ist immerhin ein leiser Vorbehalt markiert, der andeutet, dass der Wille Gottes nicht unbedingt deckungsgleich mit menschlichen Interessen ist.

Alle drei Politiker berufen sich auf "Gott" und werden damit zu Advokaten einer "usurpatorischen" Theologie, die Gott für ihre Zwecke vereinnahmt. Dabei schärfen alle monotheistischen Religionen ein, die Differenz zwischen Gott und Mensch zu achten und keine Selbstverabsolutierung vorzunehmen. Die Alterität Gottes, seine Nichtverzweckbarkeit und Heiligkeit, wird immer dann missachtet, wenn Menschen meinen, seinen Willen nur allzu genau zu kennen und ihn mit den eigenen Absichten kurzschließen.

So kann das Unmögliche möglich werden

Im Kontext kriegerischer Auseinandersetzungen die politischen Interessen religiös aufzuladen und das Freund-Feind-Denken zu untermauern, verschlimmert die Lage und erschwert diplomatische Verhandlungen. Das Unmögliche – Frieden – kann nur möglich werden, wenn eine Perspektiverweiterung stattfindet, wenn jede Seite nicht nur das eigene, sondern auch das Leiden der anderen sieht. Eine Politik im Zeichen der Compassion, die nicht nur die eigenen Opfer erinnert, um Gewalt zu legitimieren, sondern auch die Leidensgeschichten der anderen wahrzunehmen bereit ist, scheint im Blick auf Israel und den Nahen Osten fast eine Utopie.

Als es am 13. September 1993 zum Handschlag zwischen dem PLO-Führer Jassir Arafat und dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin kam, flackerte diese Utopie für einen Augenblick auf. Ein Ausweg aus der anhaltenden Spirale der Gewalt tat sich auf. Im Hintergrund stand die theologische Einsicht, dass Gott, mehr und anderes ist, als menschliche Interessen ihm zuschreiben. Er ist als Schöpfer ein Gott aller Menschen, der Frieden und Gerechtigkeit verlangt. Wer Gewalt in seinem Namen rechtfertigt, tastet die Heiligkeit seines Namens an und begeht Blasphemie.

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