Ein pastoralliturgisches Plädoyer für die KrankensalbungSakrament der Zärtlichkeit und Zuwendung Gottes

Die Sorge um die Kranken war ein wesentlicher Bestandteil im Wirken Jesu. Wie steht es heute mit der Feier der Krankensakramente, konkret der Krankensalbung? Lange Zeit als „Letzte Ölung“ vor dem Sterben angesehen, hat sie noch heute einen eher schweren Stand. Da ist es gut, über Empfänger, Feier und Verkündigung nachzudenken, um damit kranken Menschen (und ihren Angehörigen) eine Hilfe zu bieten, die die stärkende Zuwendung Gottes erfahrbar macht.

Fazit

Die Krankensalbung ist eine Stärkung für Menschen mit physischen oder psychischen Krankheiten, die die Zuwendung Jesu zu den Kranken heute erfahrbar macht. Ein Sakrament, das in Verkündigung und Praxis mehr Beachtung finden sollte!

Im Deutschen Apothekenmuseum in Heidelberg gibt es ein interessantes Bild: Christus als Apotheker. Er steht mit einer Waage in der Hand vor einem Regal voller Medizindosen. Die Symbole von Glaube (Hostie und Kelch), Hoffnung (Anker) und Liebe (Herz) liegen auf dem Tisch. Im Hintergrund ist die Heilung eines Blinden dargestellt. Das besonders im 17. und 18. Jahrhundert nicht ungewöhnliche Bildmotiv brachte das Heilen Jesu in ein zeitgenössisches Umfeld.
Die Krankensalbung aktualisiert in sakramentaler Weise die Sorge Jesu um die Kranken, von der die Evangelien vielfach berichten. Sie setzt in der Gegenwart fort, was Jesus seinen Aposteln aufgetragen hat (vgl. Lk 9,1–6; Mk 16,18). Mit Handauflegung (vgl. Mk 6,5; 8,22– 26; Lk 4,40; 13,13) und Salbung mit Öl (vgl. Mk 6,13) führt die Kirche an den Kranken weiter, was Jesus grundgelegt hat. Der Grundsatz „Die Liturgie tut, was die Schrift sagt“, wird bei der Krankensalbung auch daran deutlich, dass die zentrale biblische Stelle für die Einsetzung dieses Sakramentes, Jak 5,14f., einleitend zitiert wird und in den Kernritus der Salbung fast wörtlich eingegangen ist: „Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen, er stehe dir bei in der Kraft des Heiligen Geistes. – Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf.

Sakrament für ernstliche Erkrankung

Die pastorale Einführung (in der Großausgabe Die Feier der Krankensakramente, 2. Auflage 1994) erklärt, für wen dieses Sakrament gedacht ist. Die Krankensalbung …

  • … soll denen, „die sich wegen Krankheit oder Altersschwäche in einem bedrohlich angegriffenen Gesundheitszustand befinden, gespendet werden“ (8; vgl. SC 73).
  • … „kann wiederholt werden, wenn der Kranke nach empfangener Krankensalbung wieder zu Kräften gekommen war“ (und erneut erkrankt) oder bei weiterer Verschlechterung derselben Krankheit (9).
  • …kann auch vor einem chirurgischen Eingriff erteilt werden, „wenn eine gefahrbringende Erkrankung der Grund für die Operation ist“ (10).
  • … kann „alten Menschen, deren Kräftezustand sehr geschwächt ist,“ gespendet werden, „auch wenn keine ernsthafte Erkrankung ersichtlich ist“ (11).
  • … kann auch gespendet werden, wenn Kranke „Bewusstsein oder auch den Vernunftgebrauch verloren haben“ (14). In Spannung dazu steht, dass Kinder die Krankensalbung erst nach Erlangen des Vernunftgebrauchs empfangen sollen (12); die Firmung kann hingegen in Todesgefahr oder aus schwerwiegenden Gründen auch vor der Erreichung des Vernunftgebrauchs erteilt werden (Feier der Firmung, Nr. 9).
  • … darf Verstorbenen nicht gespendet werden (15), da nur Lebende Sakramente empfangen können.

Als pastoraler Grundsatz gilt, dass „jede kleinliche Ängstlichkeit“ (8) fehl am Platz ist. Der Verengung auf ein Sterbesakrament, die in der Karolingerzeit entstanden ist und trotz der deutlichen Korrektur nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil leider noch heute begegnen kann, versucht die römische Praenotanda entgegenzuwirken, indem grundsätzlich von Kranken, nicht von Sterbenden die Rede ist. Die Übersetzung des lateinischen „periculosus“ ist im Deutschen nicht einheitlich: Nr. 8 gibt es mit „bedrohlich“, Nr. 10 mit „gefahrbringend“ und Nr. 11 hingegen mit „ernsthaft“ wieder. Nun kann eine Krankheit sehr wohl ernsthaft sein, ohne (lebens-)bedrohlich zu sein, so dass hier die Übersetzung wohl den Empfängerkreis enger fasst als eigentlich intendiert. Das von den Liturgischen Instituten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz herausgegebene Kleine Rituale (2022), das als Handausgabe nur die wesentlichen Texte mit einer stark zusammengefassten Einleitung zu den einzelnen Feiern enthält, weitet hier zu Recht und hält prägnant fest: „Das Sakrament hat seinen Platz in der Situation jeder ernstlichen physischen oder psychischen Erkrankung“. Vor allem nimmt es auch den ganzen Bereich der psychischen Krankheiten hinein. (Das amerikanische Krankenrituale hatte dies bereits in der zweiten Auflage von 1983 getan!) Dabei ist zu beachten, dass man psychische Krankheiten wie etwa Depressionen oft nicht sieht, weil Betroffene sie teilweise bewusst diskret behandeln wollen.

Sakrament, das den Kranken mit seiner Geschichte in den Mittelpunkt stellt

Der Vollzug der Krankensalbung sollte am Umgang Jesu mit den Kranken Maß nehmen. Jesus stellte den Kranken in die Mitte (vgl. Mk 3,3) – hier steht ein Mensch mit seiner Leidens- und Lebensgeschichte im Mittelpunkt. Jesus ließ sich berühren und hatte Mitleid mit den Kranken (z. B. Mt 14,14; 20,34; Lk 10,33). Damit geht es nicht in erster Linie darum, einen Ritus zu vollziehen, sondern die Begegnung zwischen Christus und diesem konkreten Menschen erfahrbar zu machen. Praktisch bedeutet es, nach Möglichkeit mit dem kranken Menschen zu sprechen, sich von ihm oder den Angehörigen kurz erzählen zu lassen von der Krankheit, von seinem Leben, von dem Schönen und dem Schweren, von der Familie, von seinem Glauben, seinem Ringen und den Hoffnungen. Erst nach einem solchen Gespräch sollte die Stola angelegt und die Krankensalbung begonnen werden. Ein solcher menschlicher Einstieg kann für göttliches Handeln im Sakrament selbst empfänglicher machen. Das Rituale kennt je nach Situation der Krankheit eine Vielzahl an Auswahlmöglichkeiten bei den Gebeten (für Altersschwäche, Sterbende, Kinder etc.). Es umfasst eine ganze Reihe an Schriftlesungen (auch im Anhang), die entsprechend ausgewählt werden können. Bei der anschließenden kurzen Auslegung darf einfach das Herz sprechen. Selbst wenn ein Patient bewusstlos ist, sollte man den Ritus nicht auf die Salbung beschränken, sondern sich die Zeit zum Gebet für ihn nehmen.

Sakrament der Zärtlichkeit Gottes

Der Krankenhausseelsorger Bruno Fischer nannte die Krankensalbung treffend ein „Sakrament der Zärtlichkeit Gottes“. Die Gebete sprechen oft von der Güte, dem Erbarmen und der Zuwendung Gottes, sie sprechen von Stärkung, Rettung und Heilung. Die stille Handauflegung macht die Nähe Gottes erfahrbar. Auch wenn die vorausgehende Anrufung (Fürbitte) die Handauflegung anspricht („dem/ der wir jetzt in deinem Namen die Hände auflegen“), ist es ratsam, dem Kranken anzukündigen, dass der Priester die Hände auflegen wird, wie Jesus den Kranken die Hände aufgelegt hat. Wichtig ist, dass der Priester selbst dabei innerlich betet. Liegt die kranke Person auf einem normalen Bett oder einer Couch, ist er meist niedriger, so dass ich mich mit beiden Knien hinknie (wie vor dem Allerheiligsten!), denn Christus dienen wir in der Zuwendung zum Kranken; es zeigt die Würde des Kranken an und man kommt leichter auf Augenhöhe.
Anschließend folgt Lobpreis und Anrufung Gottes über dem Öl, das vom Bischof in der Chrisammesse geweiht wurde. Bewusst greift der trinitarische Lobpreis dieselben Motive des Weihegebetes auf. Ist kein Krankenöl vorhanden, kann der Priester mit demselben Gebet pflanzliches Öl selbst weihen. Im Mittelmeerraum diente Olivenöl der Pflege der Haut wie auch der Versorgung von Wunden; gegen Magenschmerzen nahm man es ein. Gäste konnten als Zeichen der Wertschätzung gesalbt werden (auch Jesus wurde von einer Frau in Bethanien gesalbt; Mk  14,3–8; Joh 12,1–8). Das Öl zeigt: Die Krankensalbung will ein Sakrament sein, das „guttut“ und die stärkend-heilende Zuwendung Gottes vermitteln will.
Die Stirn und die Hände werden pars pro toto gesalbt. Sie stehen für den ganzen Menschen in seinem Denken und Tun. Wenn nötig, können stattdessen andere Stellen gesalbt werden. Das Öl sollte nicht allzu sparsam gebraucht werden. Nach der Salbung (der Handinnenflächen) können beide Hände behutsam ineinandergelegt werden, was zur Gebetsatmosphäre beiträgt. Eine kurze Stille empfiehlt sich, um das Geschehen geistlich weiterwirken zu lassen, bevor Christus mit (Kyrie-Rufen und) einem weiteren Gebet angerufen wird.

Sakrament in Gemeinschaft

Bei einer Krankensalbung eines Einzelnen können die Angehörigen eingeladen werden. Eine würdige Feier dieses Sakramentes ist ein Trost für den kranken Menschen, aber auch für die Familie. Enge Angehörige leiden ja in ihrer Weise mit. Sie gilt es ebenfalls anzusprechen vor der Feier, bei der Einleitung oder in den Fürbitten, wenn auch für sie gebetet wird. Verstorbene können ins Gebet einbezogen werden. Gegebenenfalls kann ein Angehöriger auch die Lesung vortragen.
Wie die anderen Sakramente hat auch die Krankensalbung Gemeinschaftscharakter, so dass man sie mit mehreren kranken Menschen zusammen feiern kann. Dies bietet sich nicht nur in Seniorenheimen oder Krankenhäusern an, sondern auch in Pfarreien. Denn die Sorge um die Kranken gehört zu den Aufgaben der Gemeinde und zugleich dürfen sich die Kranken vom Gebet der anderen getragen wissen. Eine gemeinschaftliche Feier könnte um den Welttag der Kranken herum geschehen, den Johannes Paul II. am Gedenktag unserer Lieben Frau von Lourdes, dem 11. Februar, eingeführt hatte (in der Schweiz am ersten Sonntag im März), aber ebenso an anderen geeigneten Tagen. Vermutlich ist eine Werktagsmesse dafür geeigneter als ein Sonntag, weil die kleinere Gemeinde es erleichtert, öffentlich die Krankensalbung zu empfangen. Innerhalb der Messe erfolgt die Salbung nach der Homilie (vgl. Feier der Krankensakramente 98–103.228–238). Wer die Krankensalbung empfangen will, kann in den ersten Bänken Platz nehmen, wobei praktischerweise jeweils eine Bank frei bleiben sollte, damit der Priester für die Handauflegung und die Salbung vor die Einzelnen treten kann.
In einigen Pfarreien in den USA ist es üblich, die Krankensalbung zum Beispiel alle vier oder acht Wochen im Anschluss an die Messe anzubieten. Wer sie empfangen möchte, kann einfach noch in der Kirche bleiben. Dies ist eine Art „Zwischenlösung“ zwischen Einzelfeier (mit Beteiligung der Familie) und der Feier in der Gemeindemesse.

Sakrament der Versöhnung und die Kommunion

Das Rituale sieht nach der Einführung auch den Raum für Versöhnung vor. Empfängt ein einzelner kranker Mensch die Krankensalbung und möchte davor noch beichten, hat dies hier seinen Platz (wozu die Angehörigen gebeten werden, den Raum kurz zu verlassen). Ist ein Mensch dem Sterben nahe, wird auf jeden Fall die Lossprechung aller Sünden gewährt. Wo dies angezeigt sein sollte, kann der Bußakt bei Anwesenheit von Angehörigen auch die Chance zur Versöhnung innerhalb der Familie bieten. Dies kann etwa wie folgt eingeleitet werden: „Wo wir einander etwas schuldig geblieben sind (in der Beziehung; zwischen den Generationen von Eltern/Kindern/Enkeln etc.), kann nun der Raum sein, loszulassen, laut oder leise um Vergebung zu bitten und einander zu verzeihen.“ Das allgemeine Schuldbekenntnis und die folgende Vergebungsbitte können dafür eine ritualisierte Form zur Verfügung stellen.
Die Krankensalbung kann mit der Kommunion beschlossen werden, sofern der kranke Mensch schlucken kann. Auch Angehörigen kann die Kommunion ggf. gereicht werden.

Sakrament der Stärkung, das mehr Aufmerksamkeit verdient

Die Krankensalbung widmet sich dem Leben auch in den schweren Stunden von Krankheit und Sterben. Doch wird dieses Sakrament zu wenig bewusst gemacht. Im Pfarrbrief / Gottesdienstanzeiger kann – wie in den USA üblich – auf die (Handy-)Nummer für die Krankensalbung aufmerksam gemacht werden, um dieses Sakrament im Bewusstsein zu halten. Außerdem bieten sich etliche Evangelien am Sonntag an, um auf die Krankensalbung im Rahmen der Homilie aufmerksam zu machen. Dabei können auch Beispiele erzählt werden (hier eigene Erlebnisse), wie etwa jemand vor einer Operation durch die Krankensalbung Mut und Zuversicht erhalten hat; wie bei der Krankensalbung auf einer Intensivstation, als ein Mann aufgrund eines Herzinfarkts mitten aus dem Alltag herausgerissen wurde, die Gegenwart Gottes fast handgreiflich spürbar wurde; wie ein alter Mann, der ganz unruhig sich hin und her wälzte, nach der Salbung ruhig geworden ist, so dass die Angehörigen voller Staunen waren. Die Beispiele ließen sich leicht mehren. Dabei kann auch auf die Krankenkommunion verwiesen werden, die einmal im Monat am Herz-Jesu-Freitag oder einem anderen Termin von Hauptoder Ehrenamtlichen nach Hause gebracht wird. In all diesen Fällen macht die Sorge um die Kranken das Wort Jesu erfahrbar: „Dein Glaube hat dir geholfen.“

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