Es ist kompliziert. Ausgerechnet an Weihnachten. Da soll doch alles stimmen: das Essen, die Getränke, die Gäste, die Geschenke, der Baum, der Schmuck. Friedlich soll es sein in unseren Familien.
Es ist kompliziert. Ausgerechnet an Weihnachten. Da soll doch alles stimmen: der treu sorgende Vater und Ehemann, die liebevolle Mutter und Ehefrau, die gut erzogenen Kinder. Auch die Feier der Geburt des Gottessohns soll stimmungsvoll sein. Friede auf Erden!
Es ist kompliziert. Ausgerechnet an Weihnachten. Da stimmt vieles nicht. Von Anfang an. Schon bei Maria und Josef. Bei den Umständen der Geburt. Alles droht zu zerbrechen. Der Frieden ist in Gefahr.
Hört selbst, wie alles geschah und wie der Evangelist Matthäus uns die Weihnachtsgeschichte erzählt.
(Lesung: Matthäus 1,18–25)
In seiner Haut möchte ich nicht stecken. Josef ist ein gerechter und anständiger junger Mann. Frommer Jude. Er hat nichts falsch gemacht. Sein Leben ist bislang so verlaufen, wie man es von ihm erwartet. Er hat einen ordentlichen Beruf, ist Zimmermann. Er ist dabei, eine junge Frau zu ehelichen und eine Familie mit ihr zu gründen. Maria heißt seine Verlobte. Alles ist so, wie es Generationen vor ihm gemacht haben. Er hat Maria vor der Ehe nicht angerührt, nicht mit ihr geschlafen. Aber bald wird es anders sein. Er freut sich schon auf das neue Leben mit Maria.
Doch dann ist plötzlich alles infrage gestellt. Die heile vertraute Welt des frommen und gerechten Josef gerät ins Wanken. Maria ist schwanger! Wie ein Paukenschlag erreicht ihn diese Nachricht. Schwanger! Aber nicht von ihm. Ich stelle mir vor, wie sie alle auf ihn eingeredet haben, sein bester Freund, sein Vater, seine Mutter, seine ganze Familie: „Das geht doch nicht. Wie kannst du mit einer solchen Frau zusammen sein? Was ist nur in Maria gefahren? Sie war doch so nett und rein. Und nun das! Haben wir uns in ihr getäuscht? Du weißt doch, was das Gesetz in diesem Fall fordert. Härte. Steinigung. Schließlich war sie dir versprochen. Ihr seid doch ein verlobtes Paar. Was für eine große Sünde! Was für eine Schande für die Familie. Weg mit ihr.“
Unfrieden macht sich breit in Josef. Verzweifelt ist er, denn er spürt: Er liebt Maria. Er weiß, was nur ein Liebender wissen kann: Maria ist eine Gute. Er hat sich nicht getäuscht in ihr. Sie ist und bleibt seine geliebte Verlobte. Immer noch! Er weiß es mit seiner großen Liebe für diese junge Frau. Aber er darf sie nicht mehr lieben. Er würde so gern. Aber da ist das Gesetz ganz klar. Was bleibt ihm da noch für eine Möglichkeit? Er könnte sie heimlich verlassen, seine Verlobung auflösen. Dann wäre Maria frei. Und er auch. Die Härte des Gesetzes könnte abgewendet werden. Vielleicht die beste Option. So zerrissen legt er sich schlafen.
Und mitten in seine Zerrissenheit kommt Gott. Im Traum. Er schickt einen Engel. Und dieser Engel ist kein goldener, pausbäckiger Engel, der den Weihnachtsbaum hübsch dekoriert. Nein, er kommt daher als ein Engel mit Klarheit und Wahrheit. Er spricht kurz und knapp die richtigen Worte. Und er hat einen eindeutigen Auftrag: „Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.“
Ja, was der Engel da von ihm will, klingt zum Fürchten. Gegen die Sitten des Gesetzes soll Josef Maria zu sich nehmen und so tun, als sei er der Vater! Zum Glück gibt es endlich Klarheit zum Erzeuger seines Kindes: Der Heilige Geist hat für die Schwangerschaft gesorgt. Das Kind ist von Gott. Und Josef soll ihm den Namen Jesus geben: Gott rettet. Ein Name, der Programm ist.
Was für eine unglaubliche Nachricht. Das hat es ja noch nie gegeben. Ein Kind von Gott. In Maria wächst es heran. Und Josef soll der Vater auf Erden sein. Wieder erfahren wir nicht, was diese verrückten Worte in Josef auslösen, aber sie helfen ihm aus seinem Dilemma. Und er tut als Frommer genau das, was der Engel sagt: Er nimmt seine Frau Maria zu sich und gibt dem Sohn den Namen Jesus. Das tut der Vater.
Es ist kompliziert. Ausgerechnet an Weihnachten. Wie soll man sich verhalten in diesen verwirrenden Zeiten? Deshalb kommt ein Engel ins Spiel, der klar sagt, was zu tun ist und was die Not wendet: „Fürchte dich nicht, das wird schon. Alles wird gut – mit Gottes Hilfe.“ In wilden Zeiten brauchen wir einen Engel. Der uns an die Hand nimmt, der uns sagt, was dran ist. Der Engel zählt auf, was Josef tun soll im Namen Gottes, im Namen der Liebe: „Gib Maria nicht preis. Entreiße sie der drohenden Schande. Nimm die Geliebte zur Frau.“ „Schön“, denkt Josef vielleicht heimlich, „das ist genau das, was schon zuvor mein Herz mir gesagt hat.“ Und auch das Weitere schafft Josef: „Nimm das Kind vom Heiligen Geist an wie das eigene und werde ein guter Vater, der für Jesus sorgt.“
Josef ist ein besonderer frommer Mann. Ein Liebender. Mit einem großen Herzen für Gott. Und mit einem großen Herzen für Maria und ihr Kind, für Gottes Kind, für sein Kind. Für das Kind, das alle rettet.
Es ist kompliziert. Ausgerechnet an Weihnachten. In der komplizierten Lebenssituation wird Josef zum stummen und großartigen Helden, der auf den Engel Gottes hört. Er wird ein Komplize Gottes, wie viele von uns. Der tut, was aus Liebe getan werden muss. Die Liebenden verändern die Welt. Und damit wird vieles gut. In dem zerrissenen Josef kehrt Frieden ein. Auch die kleine Familie findet Frieden inmitten eines besetzten Landes. Das Leben bleibt weiterhin kompliziert, aber es ist auch schön. Die dramatische Nachricht von Marias Schwangerschaft ist geklärt. Endlich hat Josef seine kleine Familie, Maria und Jesus. Es ist anders als geplant. Aber so ist das, wenn Gott mitmischt.
Mitten in schwierigen Lebensumständen wird in der kleinen von den Römern besetzten Provinz Judäa der Retter der Welt geboren. An Weihnachten ist vieles kompliziert und doch ganz wunderbar. Durch alles hindurch wirkt Gott. In die komplizierte Beziehung hinein spricht ein Engel. Als alles zu zerbrechen droht, wird alles gewendet. Es wird so gut, dass die Engel ihr Lied anstimmen: „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen.“ Glanz zieht ein auf der Erde. Auch Josef kann einstimmen in den Lobgesang. Und wir tun es in jedem Gottesdienst mit dem Gloria. Das ist Weihnachten. Wenn Frieden einkehrt inmitten von komplizierten Lebensumständen.
Es ist kompliziert. Ausgerechnet an Weihnachten. Das erleben die Menschen, die zum ersten Mal ohne ihren geliebten Verstorbenen feiern müssen.
Es ist kompliziert. Ausgerechnet an Weihnachten. Das wissen diejenigen, die das Fest mit getrennten Familien und Ehen feiern.
Es ist kompliziert. Ausgerechnet an Weihnachten. Das fühlen alle, die sich nach Frieden und Harmonie sehnen und die den Streit und die Kriege in der Welt kaum ertragen. Und alle, die sich Sorgen machen um eine Welt, die sich immer mehr erhitzt und manche Lebensräume unbewohnbar macht.
Es ist kompliziert. Aber diese Welt hat Gott sich ausgesucht. In dieser Welt wird es Weihnachten. Es kehrt Frieden ein. Indem Gott kommt und mitmischt.
Der Engel Gottes spricht auch heute, wenn es kompliziert wird oder zum Fürchten ist: „Fürchte dich nicht.“
Psalmvorschlag: Psalm 96,1–3.7–13
Evangelium: Matthäus 1,18–25
Lesung: Jesaja 7,10–14
Liedvorschläge:
EG 24 (Vom Himmel hoch, da komm ich her)
EG 30 (Es ist ein Ros entsprungen)
EG 32 (Zu Bethlehem geboren)
EG 39 (Kommt und laßt uns Christus ehren)
EG 54 (Hört der Engel helle Lieder)