Große Veränderungen – Europa und Asien im Spätmittelalter

Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts erlebte Europa eine Phase der beschleunigten Veränderung. Alte Institutionen gerieten in die Krise und wirkten nicht mehr integrativ.

Große Veränderungen – Europa im Spätmittelalter
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Europa um 1400

Der universale Anspruch des Kaisertums war in den Auseinandersetzungen mit den Päpsten gescheitert – allerdings konnte auch das Papsttum seinen Vormachtanspruch nicht durchsetzen. Im Römischen Reich wurde der Einfluss des Papstes auf die Königswahl mit dem Kurverein von Rhens zurückgedrängt, und auch Kreuzzüge zur Abwehr des osmanischen Vordringens in Osteuropa kamen nicht zustande. Die römische Kurie wurde im Jahre 1309 nach Avignon verlegt, wodurch die Päpste unter französischen Einfluss gerieten, was 1378 zum großen abendländischen Schisma führte, das bis 1417 dauern sollte. An die Stelle des Dualismus von Kaiser und Papst trat langsam das System der Nationalstaaten, die das Schisma für ihre Interessen zu nutzen wussten. Im Westen stritten Frankreich und England im Hundertjährigen Krieg um englische Festlandsbesitzungen und Ansprüche auf die französische Krone. Eine neue Herrschafts- und Staatsauffassung zeigte sich in England, Frankreich, Spanien, Böhmen und Polen mit Ständevertretungen, die dem Königtum Kompetenzen abringen und neue Identifizierungsmöglichkeiten bieten konnten. Auf der Iberischen Halbinsel fand das Königreich Portugal früh zur Nationalstaatlichkeit und organisierte Entdeckungsreisen entlang der Westküste Afrikas. Heinrich der Seefahrer, der Sohn König Johanns I., gründete am Kap Zagres eine nautische Schule. Als letztes muslimisches Reich behauptete sich das Königreich Granada gegen Kastilien und Aragón, von denen Aragon mit dem Erwerb des Königreichs Neapel zur mittelmeerischen Großmacht aufstieg. Im Osten schwang sich das Großfürstentum Moskau zur Vormacht unter den russischen Fürstentümern auf. Großfürst Dimitrij konnte im Jahre 1380 den ersten Sieg in offener Feldschlacht gegen die Goldene Horde verbuchen, was das Ansehen Moskaus enorm steigerte und den Beginn des Niedergangs der Mongolenherrschaft in Russland markierte. Der Sieg des polnisch-litauischen Heeres in der Schlacht bei Tannenberg leitete den Niedergang des Deutschen Ordens ein. Im Südosten drang das Osmanische Reich weit nach Europa vor und eroberte Bulgarien, den Balkan und Teile Ungarns. Die Schlachten auf dem Amselfeld (Kosovo) bildeten die Grundlage der bis heute wirksamen serbischen Nationaltradition.

Die ökonomische Situation in Europa um 1400

Im 14. Jahrhundert trat in der Wirtschaftsentwicklung Europas eine Stagnation ein. Das spätmittelalterliche Europa bestand aus drei großen Handelsräumen: im Norden beherrschte die Hanse den Handel bis Bergen, Novgorod und London. Im Mittelmeer kontrollierte Genua den Westen, während Venedig den Handel mit Konstantinopel und Kleinasien dominierte. Eine zentrale Funktion für alle Märkte hatten die flandrischen Tuchmessen. Dieses weiträumige Handelsnetz begünstigte jedoch in der Mitte des 14. Jahrhunderts die Ausbreitung der Pest, sodass keine Region Europas von der Seuche verschont blieb und nach dem kontinuierlichen Anwachsen der Bevölkerung im 13. Jahrhundert nun ein merklicher, schmerzlicher Rückgang eintrat.

Zur Krisenerfahrung des 14. Jahrhunderts trugen aber auch Hungersnöte, Kriege und Geldentwertung bei. Viele Agrarsiedlungen, die im Zuge des Landesausbaus gegründet worden waren, um die Versorgung der ständig steigenden Bevölkerung sicherzustellen, wurden nun aufgegeben. Infolge des Bevölkerungsschwundes stiegen die Löhne, da die Landbesitzer um Arbeitskräfte konkurrieren mussten. Mit den Löhnen stiegen die Preise, während die Erträge aus landwirtschaftlicher Produktion mit der Nachfrage sanken. Dies traf besonders die bäuerliche Bevölkerung und den niederen Adel, denen der soziale Abstieg drohte. Versuche der englischen Krone, mit gesetzlich festgelegten Lohnobergrenzen die Entwicklung zu steuern, scheiterten. Kleinadel und Bauernschaft als Verlierer der Entwicklung bildeten das Reservoir für die Söldnerheere, mit denen nicht zuletzt auch der Hundertjährige Krieg zwischen England und Frankreich ausgefochten wurde. Auch die Einführung der Leibeigenschaft setzte man als Mittel ein, um die Abwanderung der verarmenden Landbevölkerung in die Städte zu stoppen.

Insgesamt verstärkte sich das Gefälle zwischen Stadt und Land. Die Bedeutung des agrarischen Sektors nahm ab, während die Geldwirtschaft und Warenproduktion in den Städten immer größere Profite ermöglichte. Das 14. und 15. Jahrhundert brachten viele technische Innovationen hervor (Uhren, Brillen, Webstühle, Feuerwaffen, Buchdruck), wovon aber wieder nur die Städte profitierten. Der Agrarbereich erfuhr indes keine vergleichbaren technischen Verbesserungen. Mit dem Beginn der über Europa hinausreichenden Entdeckungsfahrten am Anfang des 15. Jahrhunderts, der Erforschung der afrikanischen Küsten, dem Fall Konstantinopels, der Entdeckung Amerikas und der Gründung erster Kolonialreiche verschoben sich dann die Handelswege grundlegend. Auch die Handels- und Finanzzentren Europas veränderten ihren Standort und wanderten aus dem Mittelmeerraum und aus dem Ostseeraum an den atlantischen Rand Europas. Die bisherigen Wirtschaftsmetropolen am Mittelmeer und an der Ostsee sanken zu regionaler Bedeutung herab.

Das große abendländische Schisma

Im Jahre 1377 verlegte Papst Gregor XI. seinen Sitz zurück nach Rom, nachdem sich der Sitz des Papstes seit dem Jahre 1309 in Avignon befunden hatte. Nach Gregors Tod im Folgejahr wurde auf Drängen der stadtrömischen Bevölkerung mit dem Erzbischof von Bari als Urban VI. ein Italiener zum Papst gewählt. An seiner Person entzündeten sich jedoch schnell massive Widerstände, sodass er schließlich wegen Untauglichkeit zurücktreten sollte. Urban VI. verweigert sich jedoch der Resignation, worauf Kardinal Robert von Genf als Clemens VII. zum Papst gewählt wurde. Clemens VII. verlegte seine Residenz erneut nach Avignon zurück, nachdem er Urban VI. militärisch nicht hatte ausschalten können. Mit dem Konzil in Pisa im Jahr 1409 sollte die Spaltung der lateinischen Christenheit in eine römische und eine avignovesische Obödienz überwunden werden. Das Vorhaben scheiterte jedoch und führte schließlich sogar mit der Wahl Alexanders V. zu einem dritten Papst, da in Rom Gregor XII. und in Avignon Benedikt XIII. ihre Absetzung durch das Konzil nicht anerkannten. Die Brisanz der Spaltung lag zum großen Teil in der Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit beider Kurien. So konnten sich die europäischen Reiche und Herrschaften aufgrund politischer Überlegungen zwischen gleichermaßen legitimierten und aktiven Kurien entscheiden. Darin konnten durchaus auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Chancen liegen, da sowohl Rom als auch Avignon Anhängerschaft durch die Verleihung von Privilegien zu gewinnen suchten. Die Spaltung betraf aber auch zentral geleitete Orden, Domkapitel und Familien, wodurch wesentliche Grundlagen der gesellschaftlichen Organisation erschüttert wurden. Erst dem römisch-deutschen König Sigismund gelang es, die betroffenen europäischen Mächte in Konstanz an den Verhandlungstisch zu holen. Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg des Konstanzer Konzils (1414–1418) war die Schaffung neuer Stimmkörper. Italien hatte traditionell durch die Kleinräumigkeit seiner Kirchenorganisation und damit der großen Anzahl seiner Prälaten ein Übergewicht an Stimmen. Dem wirkte die neue Einteilung nach Nationes entgegen, deren intern erzielte Übereinkünfte als Voten einander nun gleichwertig waren. Nach der Absetzung von Papst Johannes XXIII. gelang eine europäische Einigung auf Papst Martin V., der seinen Sitz wiederum in Rom nahm. Damit war das abendländische Schisma beseitigt.

Die Kirche im 15. Jahrhundert

Das Konzil von Konstanz (1414–1418) hatte mit der Wahl Papst Martins V. das abendländische Schisma überwunden. Weniger erfolgreich war die Kirchenversammlung, was Glaubensfragen und die Kirchenreform betraf. Zwar war man sich einig darin, was man nicht wollte, und machte dies mit der Verbrennung des böhmischen Reformators Johannes Hus deutlich, fand aber darüber hinaus nicht zu einer positiven Bestimmung von Glauben und Römischer Kirche in der Welt. Auch die Ansicht, dass die Konzilien die höchste Instanz der Kirche seien, konnte sich nicht gegen den päpstlichen Absolutheitsanspruch durchsetzen. Das Scheitern des Konzils von Basel (1431–1449) bedeutete einen Sieg des monarchisch-hierarchischen Papsttums. Damit endete auch das Engagement für eine ernsthafte Kirchen- und Kurienreform – die Päpste nutzen ihre wiedergewonnene Handlungsfreiheit, um ihre Herrschaft in Kirche, Kirchenstaat und Rom zu sichern und auszubauen. Rom selbst wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts durch aufwändige Bauten der Päpste zur Renaissancestadt. Die Prachtentfaltung war Ausdruck des päpstlichen Herrschaftsanspruches über die Stadt, deren Verwaltung man der apostolischen Kammer unterstellte. Die für die Bauten benötigten Geldmittel wurden durch Ämterverkauf und Ablasshandel beschafft, was dem Ansehen der römischen Kurie schweren Schaden zufügte. Der Kirchenstaat erhielt den Charakter eines Kleinfürstentums, Nepotismus (Ämtervergabe an nahe Verwandte) führt zu Dynastiebildung auf dem Heiligen Stuhl; besonders skrupellos agierten in dieser Hinsicht die Borgia. Das Lavieren zwischen den italienischen Interessen des Reiches, Spaniens und Frankreichs entzog die nationalen Kirchen zunehmend dem Einfluss des Papstes. Große Projekte wie die Wiedereroberung Konstantinopels von den Osmanen konnten nicht verwirklicht werden. Die Konsolidierung der päpstlichen Herrschaft gelang zwar, allerdings verlor das Papsttum in Europa immer mehr an Bedeutung. Päpste agierten zwar noch als Vermittler in Auseinandersetzungen zwischen den sich verfestigenden Nationen, doch waren sie nicht immer erfolgreich. Die Unfähigkeit, mit Kirchenreformen neue Wege zu finden, die Nationalkirchen an Rom zu binden und die Glaubwürdigkeit des Papsttums wiederherzustellen, verhalf letztlich entscheidend den reformatorischen Strömungen (Luther, Calvin, Zwingli) zum Durchbruch.

Frankreich bis zum 15. Jahrhundert

Während der Regierungszeit Philipps IV. erreichte die französische Königsmacht einen Höhepunkt. Philipp intensivierte und differenzierte seine Verwaltung und machte sich durch auf ihn und seine Ziele verpflichtete Berater unabhängig von alten Eliten. Die Universitäten nahmen an Bedeutung zu, da sie den Bedarf des Königtums, der anderen politischen Mächte und des Bürgertums an gelehrten Ratgebern befriedigen konnten. Das Bürgertum wurde allmählich zur führenden sozialen Schicht. Die Geldwirtschaft erreichte alle Bevölkerungsschichten und führte durch ständige Münzverschlechterungen zur Verarmung derer, die feste Einkünfte bezogen (Grundzinse der ländlichen Aristokratie). Gegenüber älteren Vorstellungen vom unabänderlichen Geburtsstand traten die Möglichkeiten zur Besserung der persönlichen Lage allmählich immer deutlicher in den Blick. Durch den Ausgleich partikularer und allgemeiner Interessen schuf die Monarchie Voraussetzungen für den neuzeitlichen französischen Einheitsstaat. Eine Konstante der französischen Politik blieben aber die Konflikte mit England.

Philipps IV. Nachkommen starben früh, und durch den Übergang der Krone an das Haus Valois im Jahr 1328 konnte der englische König Edward III. seinen eigenen Anspruch auf die französische Krone wirksam legitimieren. Der daraus entstehende Hundertjährige Krieg (1339–1453) warf Frankreich politisch und wirtschaftlich zurück. Die westlichen Grenzgebiete des römisch-deutschen Reiches wurden damit vom Druck der französischen Expansionsbewegung entlastet, und Italien konnte seine Unabhängigkeit von Frankreich bewahren. Seit dem Aufstieg Burgunds in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts und seiner Parteinahme für England wurde der Hundertjährige Krieg zugleich Bürgerkrieg und nahm damit an Schärfe zu. Der wirtschaftliche Niedergang, die finanziellen Schwierigkeiten der Krone und politisch-militärische Misserfolge führten seit der Mitte des 14. Jahrhunderts zur Einberufung von Ständeversammlungen, die Finanzkontrolle ausüben wollten, aber auch um politische Mitsprache kämpften. Anfängliche Erfolge der Engländer gipfelten im Jahre 1420 in der Heirat des englischen Königs Heinrich V. mit Katharina, der Tochter Karls VI. von Frankreich, und der Vereinbarung, dass Heinrich nach Karls Tod sein Nachfolger auf dem französischen Thron werden sollte. Heinrich V. und Karl VI. starben jedoch beide schon zwei Jahre später, sodass diese Abmachung niemals Wirklichkeit wurde. Gegen das erstarkende französische Gemeinschaftsbewusstsein, das sich nicht zuletzt in der Begeisterung für Jeanne d’Arc manifestierte, waren die englischen Könige letztendlich machtlos, zumal der Krieg gegen Frankreich in ihrer Heimat immer unpopulärer wurde. So gewann Karl VII. seit Mitte der 1430er-Jahre zunehmend die Kraft, mithilfe tüchtiger Ratgeber die Krongewalt wieder zu stärken und des äußeren Feindes Herr zu werden. Hauptgegner im Inneren hingegen waren die alten Dynastien mit ihrem Unabhängigkeitsstreben, insbesondere aber die Prinzen von Geblüt aus den Seitenlinien des Königshauses. Mit raschen Siegen über wechselnde Koalitionen dieser Opposition und ihre Söldnerheere wusste Karl VII. die Position der Krone entscheidend festigen. So konnte er bei seinem Tode 1461 das Reich nach außen hin befreit und konsolidiert und nach innen hin als Einheit seinem Sohn Ludwig XI. übergeben, der wegen der Feindschaft zu seinem Vater dessen Ende bereits ungeduldig erwartet hatte.

England bis 1500

Der Normannenherzog Wilhelm I. (1027/28–1087) errang mit seinem Sieg bei Hastings 1066 die Herrschaft über ein für die damaligen Verhältnisse stark zentralisiertes Reich. Als durch die Eroberung legitimierter Oberherr über Grund und Boden gelang es Wilhelm und seinen Nachfolgern, die Bildung regionaler Gewalten zu verhindern. Unter dem ersten Plantagenet Heinrich II. (1133–1189) erstreckte sich das Reich von Schottland bis an die Pyrenäen – väterlicherseits besaß er Anjou, Maine und Touraine, denen durch seine Heirat mit Eleonore von Aquitanien (1122–1204) noch Poitou, Gascogne und Guyenne hinzugefügt wurden. Damit war er als Herr des Angevinischen Reiches für seine französischen Besitzungen Lehnsmann des französischen Königs, gleichzeitig aber ungleich mächtiger als dieser. Diese Machtfülle des Angevinischen Reiches war zu jener Zeit nur noch mit dem des Stauferreiches vergleichbar, der anderen »Großmacht« des 12. Jahrhunderts. Doch unter König Johann (1167–1216), Sohn Heinrichs II., zerbrach das Angevinische Reich nach der Niederlage gegen den französischen König Philipp II. Augustus. Auf Druck der Großen seines Reiches musste Johann im Jahr 1214 die Magna Charta ausstellen. Auf Grundlage dieser Urkunde sollte eine Reform des Reiches durchgeführt werden, überwacht durch ein Kontrollgremium aus 25 Baronen. Die europäischen Interessen der englischen Könige führten zu immer höheren Steuerforderungen, gegen die sich unter Heinrich III. (1207–1272) Mitte des 13. Jahrhunderts seitens der Barone Widerstand regte. Besonders in Phasen geschwächten Königtums konnten so Grafschaftsvertreter ein Mitspracherecht im Rahmen der vom König einberufenen Parlamente geltend machen. Zu den Parlamenten Edwards I. (1239–1307) zählten auch Grafschaftsritter und Kleriker, ohne dass der Klerus einen eigenen Stand bildete. Unter der Regierung Edwards III. (1312 – 1377) verringerte sich die Anzahl der großen Adligen, wodurch die verbleibenden Familien an Macht gewannen. Dies schwächte wiederum die Königsgewalt und führte zu politischen und sozialen Unruhen.

Österreich im Spätmittelalter

Mit der Thronbesteigung Rudolfs von Habsburg im Jahr 1273 endete im Heiligen Römischen Reich das Interregnum. Die Habsburger waren ursprünglich besonders im Elsass, der heutigen Schweiz und in Schwaben begütert. Ins Gebiet des heutigen Österreich griffen sie mit der Übernahme des babenbergischen Erbes im Jahr 1282 aus (Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark). Bis zum Jahre 1500 verlagerte sich der Schwerpunkt der habsburgischen Hausmacht immer mehr in die südöstlichen Gebiete des Reiches, nicht zuletzt durch den Erwerb der Grafschaft Tirol und der Emanzipation der Schweizer Eidgenossenschaft. Mit den österreichischen »Erblanden« wurden die Habsburger die mächtigsten Fürsten im Reich und stellten so die aussichtsreichsten Anwärter auf die Krone. Seit 1438 konnten sie, abgesehen von einem Wittelsbacher Intermezzo von 1742 bis 1745, in ununterbrochener Folge die Herrscher des Heiligen Römischen Reiches stellen. Mit Maximilian I. begann eine Heiratspolitik, die das Haus Habsburg zur mächtigsten Dynastie Europas machte. Bis 1526 fi elen so Burgund, Spanien, Böhmen und Ungarn an die Habsburger. Dadurch wurde das Verhältnis der Herrscherdynastie zum Reich immer komplizierter. Die Erblande lagen zwar vollständig auf Reichsgebiet, die hinzugewonnenen Territorien jedoch außerhalb. Gerade sie aber stellten die Machtgrundlage dar, auf der die Habsburger ihren Thronanspruch weiterhin durchsetzen konnten. Selbst die schon unter Karl V. erfolgte Trennung in einen spanischen und einen deutschen Zweig änderte an dieser Situation nichts. So wuchsen die Erblande langsam aus dem Reichsverband heraus, was den zukünftigen Charakter des Reiches wesentlich bestimmen sollte. Mit dem durch Erbfälle begründeten Machtzuwachs traten die Habsburger mit der Krone von Frankreich in ein Ringen um die europäische Hegemonie ein. Einer der Schauplätze war Italien, wo seit dem Frieden von Lodi im Jahr 1454 ein zerbrechliches Gleichgewicht zwischen den fünf großen italienischen Mächten Mailand, Venedig, Florenz, Neapel und dem Papst geschaffen worden war. Dieses System hielt jedoch nicht den Ansprüchen stand, die Frankreich und Spanien in Italien durchsetzen wollten. Karl VIII. von Frankreich nutzte innere Spannungen in Neapel, um militärisch zu intervenieren, und eroberte das Land 1495. Zur »Heiligen Liga«, die ihn kurz darauf zum Rückzug zwang, gehörten neben dem Papst, Venedig und den Sforza auch Spanien und Kaiser Maximilian, die hier gemeinsam die aragonesischen Interessen gegen Frankreich vertraten. Italien war fortan nicht mehr Akteur, sondern nur noch Schauplatz im Ringen zwischen Habsburg/Spanien und der französischen Krone.

Der Staat des Deutschen Ordens

Der Deutsche Orden wurde 1190/98 während des dritten Kreuzzugs gegründet. Ursprünglich gesamtkirchlich und mittelmeerisch orientiert, breitete er sich über ganz Europa aus. Nach einem Fehlschlag in Siebenbürgen orientierte sich der Orden in Richtung Baltikum. 1225/26 bot Herzog Konrad von Masowien dem Orden sein an die heidnischen Prußen verlorenes Kulmer Land als Schenkung an, damit dieser ihn im Kampf gegen die Prußen unterstützte. Kaiser Friedrich II. sicherte mit der Goldenen Bulle von Rimini für die zu erwerbenden Gebiete volle Landeshoheit zu; Papst Gregor IX. stellt das Ordensland 1234 unter den Schutz der Kirche, wodurch der Orden mit dem Abschluss der Eroberungen im Jahre 1283 über ein autonomes Herrschaftsgebilde verfügte. Die neuen Herren betrieben einen planmäßigen Landesausbau: Schon früh gründete man Städte (1255 Königsberg), und ab der Jahrhundertwende wurde die Ansiedlung deutscher Bauern vorangetrieben.

Schon 1236 trat der Deutsche Orden die Nachfolge der weitestgehend erfolglosen Schwertbrüder in Livland an. Damit verschob sich sein Wirkungsbereich weiter nach Nordosten – allerdings scheitern die Versuche, die als schismatisch betrachteten orthodoxen Großfürstentümer Pleskau und Nowgorod zu erobern. Im Jahr 1242 erlitt das Ordensheer auf dem zugefrorenen Peipussee eine vernichtende Niederlage gegen den Nowgoroder Fürsten Alexander Newskij. Daraufhin wandte sich der Deutsche Orden gegen die noch heidnischen Litauer. Den als Kreuzzügen deklarierten »Preußenfahrten« strömten alljährlich aus ganz Europa Ritter zu, ohne dass jedoch durchschlagende Erfolge erzielt werden konnten. Hauptgegner des Ordensstaates war jedoch das Königreich Polen, mit dem man im Dauerkonflikt lag. Das 14. Jahrhundert war die Blütezeit des Ordensstaates. Der polnisch-litauischen Union von 1386 versuchte der Orden militärisch zu begegnen, wurde aber 1410 bei Tannenberg entscheidend geschlagen. Im zweiten Thorner Frieden 1466 musste der Orden weite Gebiete abtreten. Das verbleibende Rumpfterritorium wurde 1525 zum weltlichen Herzogtum unter polnischer Lehnshoheit.

Polen und Litauen im 15. Jahrhundert

Der Dynastie der Jagiellonen gelang im Jahre 1386 die Union zwischen Polen und Litauen. Das komplizierte Verhältnis der beiden Staatskörper wurde im Laufe der Zeit immer enger gestaltet. Nach dem Thorner Frieden 1466 existiert für kurze Zeit ein jagiellonisches Reich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer mit Einschluss des gesamten Dnjeprraums. Durch die 1454 geschlossene Ehe Kasimirs IV. mit der Tochter Albrechts von Österreich, Elisabeth, ergaben sich Möglichkeiten für eine weitreichende dynastische Expansionspolitik. Zusammen mit Böhmen (seit 1471) und Ungarn (seit 1490) kontrollierte die jagiellonische Dynastie das östliche Mitteleuropa. Allerdings schwächte die Größe dieses Herrschaftsbereiches die Macht der Jagiellonen zugunsten des Adels. Zudem wurde Polen-Litauen ständig in Konflikte mit Moskau, dem Osmanischen Reich, Habsburg und Schweden verwickelt. Die Geschichte Polen-Litauens in den folgenden Jahrhunderten ist durch die Auseinandersetzung mit diesen Mächten gekennzeichnet. Unter Kasimirs drittem Sohn, Johann Albrecht (Jan Olbracht), erfolgte der Rückschlag im Fürstentum Moldau; 1492 begann die Expansion der Moskauer Großfürsten gegen Litauen, die der vierte Sohn Kasimirs, Großfürst Alexander von Litauen auf Dauer nicht verhindern konnte.

Die Vertretung der polnischen Szlachta (vom deutschen »Geschlecht«) in Landtagen (sejmiki), seit 1493 in gemeinsamen Reichstagen (sejm), die sich in Senat (Magnaten und Geistliche) und Landbotenstube (niederer Adel) gliedern, erhielt im 15. Jahrhundert ihre endgültige Form. Auf den Reichstagen von 1493 und 1496 wurde die exklusive Stellung der Szlachta auf Kosten der Bauern (Leibeigenschaft) und der Städte befestigt (Privilegien von Petrikau/Piotrkow durch Johann Albrecht). Ab 1505 verfügte sie allein über die legislative Gewalt. Damit war Polen ein Ständestaat.

Staatenwelt im Spätmittelalter

Im Spätmittelalter nahm der neuzeitliche Europabegriff erste Konturen an. Eine dominante europäische »Führungsmacht« gab es nicht; Frankreich, das eine solche Stellung Anfang des 14. Jahrhunderts einzunehmen schien, verlor sie wieder im Laufe des Hundertjährigen Kriegs. Das ehrgeizige Projekt einer nordischen Großmacht aus Dänemark, Schweden und Norwegen in der Kalmarer Union scheiterte an inneren Widerständen in den drei Reichen. Italien hingegen war im Spätmittelalter kaum mehr als ein geografischer Begriff.

Die Reconquista und die Expansion Aragóns

Aus einer Widerstandsbewegung gegen die muslimischen Eroberer der Iberischen Halbinsel bildeten sich im Nordwesten christliche Herrschaften, die sich sowohl dem islamischen als auch dem fränkischen Einfluss entziehen konnten. Bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts hatten sich im Norden die Herrschaften Leon, Kastilien, Navarra, Aragón, Pallars und Katalonien etabliert. Ferdinand I. vereinigte die Königreiche Kastilien und Leon und eroberte gleichzeitig südlich des Duero Gebiete muslimischer Teilkönigreiche. In der Folge nahmen die Feldzüge gegen die maurischen Herrschaften den Charakter religiös motivierter Kreuzzüge an. Ferdinands Nachfolger Alfons II. konnte 1085 mit seinen Eroberungen Toledo und die Tejo-Linie gewinnen, doch wurde sein weiteres Vordringen durch die Almoraviden gestoppt. Erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts gelangen wieder erfolgreiche Offensiven, sodass die Iberische Halbinsel durch die Einnahme Sevillas 1248 mit Ausnahme des Königreichs Granada in den Händen der christlichen Königreiche Kastilien und Aragón war. Während Kastilien in Spanien erfolgreicher agierte, erweiterte Aragón seinen Einfluss durch Heiratsverbindungen auch auf das westliche Mittelmeer.

Das Osmanische Reich bis zum 15. Jahrhundert

Die Osmanen waren ursprünglich ein oghusischer Stamm von wenigen hundert Zelten, der in der Bergwelt Bithyniens im Nordwesten Anatoliens Weidewirtschaft betrieb. Er benannte sich nach seinem erfolgreichen Anführer Osman, der bald den Titel Gazi (Glaubenskrieger) erwarb. Osman siegte 1301 gegen ein rund 2000 Mann starkes byzantinisches Heer. Im Jahr seines Todes nahm er die befestigte Stadt Bursa durch Aushungern ein und machte sie zu seiner Residenz. Seinem Sohn Orhan gelangen weitere militärische Erfolge, etwa die Einnahme von Nikaia 1331 und Tzympe auf der europäischen Seite der Dardanellen 1352. Nach 1361 wurden die Städte Ankara und Adrianopel (Edirne) von den Osmanen besetzt. Das Haus Osman setzte auch unter Orhans Sohn Murad I. seine Expansion in beide Kontinente fort. Die sich vom Schwarzmeerraum her ausbreitende Pest hat diese Feldzüge möglicherweise begünstigt. Erste Nachrichten von einer osmanischen Flotte und dem Ausbau von Häfen (Gallipoli) fielen ins späte 14. Jahrhundert. Den Osmanen gelang es, durch Allianzen, Geiselstellung, Tribut und Heeresfolge sowohl christliche als auch muslimische Unterstützung zu gewinnen. So konnten die osmanischen Herrscher auf den Balkan übergreifen. Nach erfolgreichen Feldzügen, die bis nach Ungarn reichten, geriet die osmanische Herrschaft jedoch durch die Mongolen unter Timur Leng sowie durch Bruderzwistigkeiten in eine Krise. Der Tod Timurs im Jahre 1405 erlaubte die Konsolidierung zugunsten Mehmeds I., der weite Teile des Balkans und das Fürstentum Karaman in Anatolien eroberte. Der Aufstieg zur osteuropäisch-kleinasiatischen Großmacht fand mit der Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 durch Mehmet II. ihren vorläufigen Höhepunkt. Neben dem mächtigen stehenden Heer um die Kerntruppe der Janitscharen gründete sich der Erfolg der Osmanen auch auf ihre religiöse Toleranz. In eroberten christlichen Gebieten wurden die regionalen Eliten – wenn möglich – in das zentralistische osmanische Herrschaftssystem integriert. Sie mussten zunächst nicht zum sunnitischen Islam der Osmanen übertreten.

Die fünf Dynastien – Asien im Spätmittelalter

Nach der Einigung des chinesischen Nordens gelang dem adligen Militärführer Yang Jian im Jahre 581 durch einen Militärputsch die Gründung der Sui-Dynastie.

Unter seinem Sohn Yangdi kam es zum Ausbau der Infrastruktur, aber auch zu Revolten, die 618 in der Ermordung des Kaisers durch Li Yuan gipfelten.

Als Kaiser Goazu rief dieser die Tang-Dynastie aus. Unter den Tang-Kaisern entwickelte sich China zu einem weltoffenen, dynamischen Reich. Auf den Grundlagen der nördlichen Dynastien errichtete die Monarchie eine zentralisierte und bürokratische Administration, deren Zentrum die Hauptstadt Chang’an war. Mit einer Million Einwohnern war sie die größte Stadt der Welt.

Dem zweiten Tang-Kaiser Taizong gelang die Ausdehnung des Reiches auf das zentralasiatische Tarimbecken, was dazu beitrug, soziale Spannungen im Inneren abzubauen. Neben den Verbesserungen in der Verwaltung intensivierten sich auch Handel und Kommunikation. Aus dem Westen gelangte der Buddhismus nach China; auch gegenüber Islam und Nestorianismus zeigten sich die Kaiser tolerant. Eine Revolte des Militärführers An Lushan, die nur mit Mühe niedergeschlagen werden konnte, verschob jedoch Mitte des 8. Jahrhunderts das Machtgefüge zugunsten der Militärbefehlshaber, deren Ämter erblich wurden.

Die Wirren um den Volksaufstand unter Huang Chao führten schließlich zum Zerfall des Tang-Reiches; als Sieger der Entwicklung ging General Zhu Wen hervor, dessen spätere Liang-Dynastie die Reihe der »fünf Dynastien« im Norden einleiten sollte. Nach Machtverfall und Reichsteilungen proklamierte der Militärführer Zhao Kuangyin im Jahre 960 während eines Feldzugs die Song-Dynastie, deren erster Kaiser er als Taizu selbst wurde. Er unterstellte das gesamte Militär einer strikten Zivilverwaltung und brach damit die Macht der Generäle. In der Folgezeit blühte China, bevor es im 11. Jahrhundert unter großen Druck der von Norden angreifenden Völker der Tanguten, Kitan und Jurchen geriet. Weite Reichsteile im Norden gingen verloren, während die Macht im Südteil des Reiches gefestigt werden konnte.

Quelle: DER GROSSE PLOETZ ATLAS ZUR WELTGESCHICHTE, 2009, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht

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