Heute habe ich ein dickes Fell

Nicht nur die Sensiblen brauchen es. Nein, wir alle brauchen es hin und wieder: ein dickes Fell. Kommunikationstrainerin Barbara Berckhan erklärt, was damit gemeint ist.

Heute habe ich ein dickes Fell
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Um es gleich vorwegzusagen: Das dicke Fell ist kein Dauerzustand. Also streichen Sie die Worte immer und andauernd. Sie müssen nicht immer ein dickes Fell haben oder andauernd alles an sich abprallen lassen. Nein, das dicke Fell ist wie eine Haustür. Sie können sie auf und zu machen, genauso wie Sie Ihr dickes Fell umlegen und wieder ablegen können.
Der Ausdruck ein dickes Fell haben kommt aus der Umgangssprache. Für mich beschreibt das die Fähigkeit, etwas an sich abprallen zu lassen. Nicht auf alles anspringen. Turbulenzen nur beobachten, statt sich mitreißen zu lassen. Hin und wieder dickfellig zu sein, schützt Ihre Empfindsamkeit. Das besonders wichtig, wenn Sie jemand sind, der starke Antennen für andere Menschen hat. Vielleicht merken Sie sehr schnell, was mit anderen Leuten los ist. Aber möglicherweise lassen Sie sich auch leicht von den Gefühlen der anderen anstecken. Jemand in Ihrer Nähe verbreitet Hektik und Sie werden auch zunehmend zappeliger. Ihr Gesprächspartner ist schlecht drauf und auch Ihre Laune geht in den Keller. Eine Kollegin, erklärt Ihnen lang und breit, dass sie heute absolut keine Lust zum Arbeiten hat. Ohne Abwehrkräfte werden Sie von diesem Lustlosigkeits-Virus angesteckt. Sie schlurfen mit hängenden Schultern durch die Flure und wollen nur noch Feierabend machen. Okay, das war vielleicht etwas übertrieben. Aber Sie wissen, was ich meine. Ohne ein dickes Fell, kann uns die Gefühlslage unserer Mitmenschen unter die Haut gehen. Wir werden davon ergriffen und dann baden wir emotional etwas aus, das gar nicht zu uns gehört. Ihr eigenes dickes Fell erlaubt es Ihnen, den Zustand anderer Leute, dort zu lassen, wo er hingehört: bei den anderen. Sie haben sich Ihren Aufprallschutz umgelegt und deshalb können Sie beherzt mit allen Hektikern, Gestressten und Lustlosen reden – ohne jede Ansteckungsgefahr. Ihr dickes Fell besteht aus einer einfachen Entscheidung, die besagt: Ich spüre, was mit dir los ist, und das lass ich bei dir.
Das dicke Fell erlaubt es Ihnen, freundlich mit sich selbst umzugehen. Was Ihnen gut tut, ist herzlich willkommen. Was Ihnen die Energie raubt und Sie belastet – das bekommt von Ihnen wenig bis keine Aufmerksamkeit. Engagierte Menschen brauchen diesen Aufprallschutz. So wie Corinna, die gerade angestrengt die Raumbelegung austüftelt. Ein Kollege kommt vorbei, sieht sie dort sitzen und sagt zu ihr: „Ach, du meine Güte! Was machst du denn für ein Gesicht?!“ Ohne ein dickes Fell hätte Corinna womöglich einen gewissen Ehrgeiz entwickelt, jetzt möglichst clever zu antworten. Vielleicht wäre ihr auf Anhieb nichts Passendes eingefallen und genau das hätte sie geärgert. Oder Corinna greift in ihre Schlagfertigkeitskiste und pariert scharf: „Wenn ich Gesichter machen könnte, würde ich zuerst deins verbessern.“ Das wäre zwar eine kräftige Retourkutsche gewesen, aber auch eine kleine Kampfansage und dazu noch eine Verschwendung von Zeit und Intelligenz.
Mit einem dicken Fell können wir die Seltsamkeiten anderer Leute ins Egal fallen lassen. Kein Drama daraus machen. Und deswegen auch keinen Schlagabtausch anfangen. Vielleicht war die Bemerkung des Kollegen nur ein scheuer Versuch, Kontakt aufzunehmen. Oder eine etwas schräge Art, mitfühlend zu sein. Egal, was das gerade war, mit einem dicken Fell können wir solche Belanglosigkeiten energiesparend abhandeln. Frage: „Was machst du denn für ein Gesicht?“ Dickfellige Antwort: „Mein eigenes.“ Oder wir antworten etwas neben der Spur: „Ich wünsche dir auch einen guten Morgen.“ Nein, wir müssen nicht immer unser Bestes geben. Wir dürfen es uns auch leicht machen.
Gut möglich, dass jetzt bei Ihnen die Frage auftaucht: Aber welchen Eindruck mache ich dann? Wie wirke ich auf andere? Solche besorgten Image-Fragen können Sie mit einem fröhlichen: Das ist mir egal! beantworten. Unser Versuch, immer gut dazustehen, darf auch mal Pause machen. Ganz bei sich bleiben und sich nicht in Nebensächlichkeiten verzetteln – Ihr dickes Fell macht es möglich.  

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