Den Defizitblick hinter sich lassenBeruf ErzieherIn

Viel zu schnell regen wir uns über das auf, was nicht gut läuft. Wer aber ständig nur den Mangel sieht, wird unzufrieden. Es lohnt sich, die Perspektive zu wechseln, empfiehlt unsere neue Kolumnistin.

Den Defizitblick hinter sich lassen
© shutterstock.com © Vereshchagin Dmitry

Das läuft mal wieder richtig super. Beim Dienstantritt stellt sich heraus, dass die Erzieherkollegin den Schlüssel für die Sporthalle nicht wie vereinbart abgegeben hat. Jetzt bleibt sie zugesperrt. Und die Kinder sind mal wieder außer Rand und Band. Einige fallen unangenehm auf und sprengen durch ihr überschäumendes Verhalten den Rahmen. Wie schön wäre es, wenn sich die Kollegen an Absprachen halten würden und die Schüler friedlich und aufmerksam wären. Stattdessen fehlt es bei den Erwachsenen an Organisationstalent und Durchsetzungsvermögen und bei den Kindern an Empathie und Geduld.
So oder ähnlich kreisen oft die Gedanken in unserem Kopf. Mangel und Defizite, wohin man sieht. Viel zu schnell wird unser Blick auf Menschen allein in Kategorien von Unfertigkeit, Beschädigung und Schwäche wahrgenommen.
Das ist kein Wunder, sind wir doch auf Defizite von klein auf programmiert. Bei Klassenarbeiten werden die Fehler rot angestrichen. Die Rückmeldung ist dementsprechend: Fünf Fehler! Mangel, Defizit. Mag auch mehr als die Hälfte der Aufgaben richtig sein, die fünf Fehler bleiben im Gedächtnis. So haben wir es gelernt und so lernen es heutzutage noch immer viele Kinder. Kein Wunder also, dass viele auch untereinander darauf achten, wer von den Mitschülern was wann nicht kann oder wem wo ein Fehler unterlaufen ist.
Aber Vorsicht: Wer ständig nur auf den Mangel schaut, wird unzufrieden. Insbesondere wenn es um die scheinbar fehlenden Fertig- und Fähigkeiten der Kollegen und der Kinder geht, mit denen wir es in der Ganztagsschule zu tun haben.

SCHATZSUCHER ANSTATT FEHLERFINDER

Wechseln wir doch einmal die Perspektive und achten auf das, was gut geglückt oder gelungen ist! Vielleicht fehlt es der Kollegin an Organisationstalent, dafür ist sie aber sehr kreativ und zaubert schnell eine gute Idee aus dem Hut. Jamal mag in der Hausaufgabenzeit selten ruhig an seinem Platz sitzen, aber er ist der Erste, wenn es ums Aufräumen und Helfen geht. Lisa ist ungeduldig und fällt einem ins Wort, ist aber ein echtes Vorbild, wenn es darum geht, beim Spielen andere einzubeziehen.
Wie kann so ein Perspektivwechsel gelingen? Dazu müssen wir im Ganztag wieder einen forschenden Blick dafür entwickeln, welche Kinder welches Lerninteresse zeigen, wo sie stark sind und wo sie vielleicht noch Unterstützung benötigen. Wir müssen entscheiden können, in welcher Situation wir eingreifen sollten und wann wir besser gelassen bleiben und die Dinge laufen lassen. Wir brauchen einen Blick, der nicht den Mangel und das Defizit sieht, sondern die Stärken, Talente und Potenziale in den Vordergrund stellt.
Solch eine Herangehensweise befähigt uns dann auch, in stressigen Situationen ruhig zu bleiben. Denn sie lässt uns mangelnde Rahmenbedingungen nicht als mangelnde Wertschätzung interpretieren, sondern hilft, Grenzen zu ziehen. Ob das Glas nun halb voll oder halb leer ist, entscheiden wir selbst. Der Inhalt bleibt gleich. Wir sind diejenigen, die den Maßstab setzen, im Positiven wie im Negativen. Das bedeutet nicht, dass alles immer nur gut ist. Aber bringt es uns weiter, wenn alles immer nur schlecht ist?
Haben Sie Mut und machen Sie sich auf den Weg. Seien Sie Schatzsucher statt Fehlerfinder!   

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