Legionslager Vindonissa: neue Kenntnisse zum Umland

Im Vorfeld einer großen Überbauung führte die Kantonsarchäologie Aargau von Anfang April 2024 bis Ende Mai 2025 eine Rettungsgrabung durch, um die römischen Überreste im "Steinacher" südlich der Limmat in Gebenstorf zu dokumentieren. Die römischen Ruinen waren außerordentlich gut erhalten und belegen mehrere Großbauten, die in engem Verhältnis zum Legionslager Vindonissa standen.

Drohnenaufnahme der Ausgrabung südlich der Limmat in Gebenstorf. Die Mauerreste mehrerer langrechteckiger Grossbauten sind gut zu sehen.
Drohnenaufnahme am Ende der Ausgrabung.© Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau

Auf dem Areal zwischen Limmatstraße und Vogelsangstraße wird seit Anfang Juni 2025 die vorgesehene Wohnüberbauung errichtet. Der geplante Bau einer Tiefgarage machte auf dem rund 4.000 Quadratmeter großen Areal zuvor umfangreiche archäologische Untersuchungen notwendig. Bereits in den Jahren 2019 und 2020 wurde das Gelände mit Unterstützung von Freiwilligen der Kantonsarchäologie sondiert und erste Mauerzüge römischer Großbauten freigelegt. Die 14-monatige Großgrabung erbrachte nun neue Erkenntnisse zur möglichen Funktion des großen Baukomplexes.

Eine Archäologin legt eine Amphore frei
Zwischen den Grossbauten lagen mehrere Tonnen von Amphorenscherben. Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau
Um die Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. wurde das ursprünglich stark kupierte Baugelände mit großem Aufwand eingeebnet und ein erster, 30 x 20 Meter großer Großbau in Holz-Lehmbauweise errichtet. Die zugehörigen Funde lassen darauf schließen, dass dieser erste Bau bereits die Funktion einer Lagerhalle hatte, in der Waren, die über den Flussweg via die nahe Limmat transportiert wurden, für das Legionslager in Vindonissa zwischenlagerten. Im Süden des Gebäudes wurde ein angebauter Raum mit Mörtelboden und vielfarbiger Wandmalerei freigelegt. Aufgrund der außerordentlich guten Erhaltungsbedingungen konnten sowohl Teile der Stampflehmwände als auch der Wandmalerei in ihrem ursprünglichen Zustand dokumentiert und geborgen werden.

Große Umbauarbeiten

Gegen Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. wurde die frühe Lagerhalle abgerissen, um Platz für drei parallel errichtete steinerne Großbauten mit einer Länge von über 35 Metern und einer Breite von 10 bis 15 Metern zu schaffen. Beim mittleren freigelegten Bau handelt es sich um einen Großbau mit sogenanntem Kryptoportikus, einem halbunterirdischen Gang, der nach Süden in den Hang hineinführte. Die Steinbauten wurden als Teil eines Großprojekts geplant und wohl gleichzeitig errichtet. Obwohl die Nutzungsschichten fehlen, weisen die Grundrisse, die Bauweise, die Datierung und das spezifische Fundspektrum der Gebäude auf eine Nutzung als Warenumschlagplatz in engem Bezug zum Legionslager Vindonissa hin.

Tausende Amphoren und gewichtige Einzelfunde

Die Funde unterstreichen die enge Verbindung der Fundstelle mit dem Warenhandel. Auf den Abfallhalden zwischen den steinernen Großbauten wurden mehrere Tonnen Scherben von Amphoren gefunden. Diese dienten den Römern als Transportgefäße für Waren aus Italien, Südfrankreich und Spanien. Diese wurden nach ihrer Nutzung hier entsorgt. Der Fund von drei Stein- und zehn Bleigewichten für römische Waagen sowie von zahlreichen Schreibgriffeln verdeutlicht den Bezug zu Handel und Verwaltung.

Bauwerke für die Legionen?

Die Funde und Befunde von Gebenstorf-Steinacher lassen darauf schließen, dass die in Vindonissa stationierten Legionen über einen Zeitraum von rund 50 Jahren große Umschlaglager für die eigene Versorgung errichtet und betrieben haben. Der Abzug der 11. Legion im Jahr 101 n. Chr. führte schließlich zur Aufgabe und zum kontrollierten Abbruch der Gebäude bis auf die Fundamente. Der Platz südlich der Limmat wurde demnach bereits in römischer Zeit aufgegeben und geriet in den folgenden Jahrhunderten in Vergessenheit. Die Ergebnisse der Ausgrabung liefern wichtige neue Erkenntnisse für das Legionslager Vindonissa und das römische Gebenstorf. In den kommenden Monaten erfolgt die Nachbearbeitung der Grabungsdokumentation, die einen tieferen Einblick in die Zusammenhänge dieses großen Baukomplexes ermöglichen wird. Im Herbst erscheint eine Filmdokumentation der Kantonsarchäologie über die 14 Monate dauernden Ausgrabungsarbeiten.

Meldung Kantonsarchäologie Aargau

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