Jäger-Sammler- und Bauerngruppen lebten in Koexistenz

Europas erste Bauern und späte Jäger-Sammler-Gruppen lebten über mehrere Generationen nebeneinander und gründeten mit der Zeit immer häufiger gemeinsame Familien, wie eine neue Studie der Universität Genf zeigt.

Reifes Getreidefeld mit Ähren im Sonnenlicht vor unscharfem Waldhintergrund
© 3centista auf pixabay

Der Übergang zur Landwirtschaft in Europa war geprägt vom Zusammenleben von Jägern und Sammlern und frühen Bauern aus Anatolien. Um die Dynamik dieser Interaktion besser zu verstehen, kombinierte ein Team der Universität Genf (UNIGE) in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Computersimulationen mit alten genetischen Daten. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bevölkerungsdurchmischung während der neolithischen Expansion mit jeder Etappe des Vordringens der Bauern entlang der „Donauroute“ nach Mitteleuropa lokal zunahm. Die in Science Advances veröffentlichte Studie bietet neue Einblicke in diese entscheidende Periode der Menschheitsgeschichte.

Der Übergang von der Lebensweise als Jäger und Sammler zur Landwirtschaft markierte einen wichtigen Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte. In Europa begann dieser Prozess vor fast 9.000 Jahren mit der Migration von Bauern aus der Ägäisregion und Westanatolien (dem heutigen anatolischen Teil der Türkei). Sie folgten der sogenannten „Donauroute“ und erreichten schließlich das heutige Gebiet Norddeutschlands. Bevor die Lebensweise der Jäger und Sammler vollständig abgelöst wurde, existierten beide Kulturen mehrere Generationen lang nebeneinander.

Lange wurde unter Wissenschaftlern darüber diskutiert, ob dieser Übergang durch Wissenstransfer aus benachbarten Bauerngemeinschaften oder durch Vermischung der Bevölkerungen während der Migration der Bauern erfolgte. Archäologische Funde, bei denen kulturelle Artefakte beider Gruppen nebeneinander gefunden wurden, sowie paläogenomische Analysen gut erhaltener menschlicher Überreste haben die Hypothese der Bevölkerungsmigration und -vermischung bestätigt.

Es gab immer mehr gemeinsame Nachkommen

In dieser Studie wollte die Gruppe um Mathias Currat, Dozent am Institut für Genetik und Evolution der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Genf, die Interaktion dieser Populationen im Laufe der Zeit besser verstehen. Das Team konzentrierte sich auf die demografische Dynamik entlang der sogenannten „Donauroute“: Vermischten sich die Gruppen von Anfang an kontinuierlich, oder intensivierte sich die Vermischung im Laufe der Zeit? Mithilfe von Computermodellen simulierten die Forscher die neolithische Ausbreitung unter Berücksichtigung der geografischen Positionen sowie biologischer Parameter (wie Populationsgrößen, Reproduktionsraten und Migrationsmuster) und Interaktionsvariablen (wie genetische Vermischungsraten und potenzielle Konkurrenz).

„Mithilfe dieser Simulationen erzeugten wir Tausende genetischer Szenarien, die wir dann mit Daten von 67 prähistorischen Individuen aus Regionen verglichen, in denen die beiden Gruppen koexistiert hatten. Mithilfe statistischer Methoden konnten wir die wahrscheinlichsten demografischen Parameter abschätzen“, erklärt Mathias Currat. Die Ergebnisse zeigen, dass die genetische Vermischung mit Jägern und Sammlern in jeder Phase der bäuerlichen Expansion nach Nordwesteuropa zunächst selten war, im Laufe der Zeit jedoch lokal zunahm. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass der neolithische Übergang nicht durch gewaltsame Auseinandersetzungen oder vollständige Verdrängung gekennzeichnet war, sondern vielmehr durch ein anhaltendes Zusammenleben mit zunehmender Vermischung“, ergänzt Alexandros Tsoupas, Forscher in Currats Team und Erstautor der Studie.

Mobilität der Bauern beschleunigte ihre Ausbreitung

Die Studie schätzt auch den demografischen Vorteil der frühen Bauern. Ihre effektive Bevölkerungszahl war etwa fünfmal größer als die der Jäger und Sammler. Obwohl selten, unternahmen einige Bauern weite Wanderungen, was ihre Ausbreitung nach Mitteleuropa beschleunigte.

Diese Ergebnisse liefern eine differenzierte Antwort auf eine langjährige Debatte: Die Neolithisierung Europas war kein einfacher Kolonisierungsprozess, sondern ein komplexer Prozess, der Kontakt, Zusammenleben und allmählich zunehmende Vermischung umfasste. Die Studie unterstreicht zudem, wie wichtig die Kombination alter Genetik mit Modellierungsansätzen für die Rekonstruktion wichtiger Kapitel der Menschheitsgeschichte ist.

Meldung Universität Genf

Originalpublikation:

Alexandros Tsoupas et al., Local increases in admixture with hunter-gatherers followed the initial expansion of Neolithic farmers across continental Europe.Sci. Adv.11,eadq9976(2025).DOI:10.1126/sciadv.adq9976

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