Ein reich ausgestatteter Scheiterhaufen aus der Hochkaiserzeit

Vor der Bebauung eines privaten Grundstücks in Lamonzie-Saint-Martin in der französischen Region Dordogne legte ein Team bei archäologischen Ausgrabungen auf einer Fläche von 8.000 m² mehrere Besiedlungsphasen vom Jungneolithikum bis zum Mittelalter frei. Zu den bedeutendsten Funden der Ausgrabung zählt die Entdeckung eines reich ausgestatteten Grabes, eines sogenannten Bustum aus der Hochkaiserzeit.

Archäologe fotografiert antiken Scheiterhaufen mit Knochenfragmenten im Erdreich
Dokumentation und Abbau des Knochenhügels und der dazugehörigen Grabbeigaben.© Frédéric Prodeo, Inrap

Die Ausgrabungen bestätigten zunächst den Befund einer spätneolithischen Siedlung mit mittelalterlichen Silogruben, führten jedoch beim Freilegen mehrerer dieser Gruben zu einer überraschenden, bislang unbekannten Struktur. In den Sedimentablagerungen der Dordogne kam ein rechteckiger Befund von 2,20 x 1,05 Metern mit deutlich erkennbarer, gebrannter Wand zum Vorschein, in dessen Ecke ein kleiner Terra-Sigillata-Becher und ein farbloses Glasfläschchen lagen.

Bereits die ersten Arbeiten, bei denen Brandreste und eine Bronzemünze geborgen wurden, machten klar, dass es sich um ein Bustum der römischen Hochkaiserzeit handelt, also um einen einmalig genutzten Scheiterhaufen, der zugleich als Grab dient. Anders als ein mehrfach verwendetes Ustrinum, von dem die Gebeine an einen anderen Bestattungsort überführt werden, verbleiben beim Bustum Knochen und Beigaben am Verbrennungsplatz und werden dort beigesetzt. Die nun nahezu abgeschlossene Untersuchung dieser Anlage eröffnet damit einen direkten Einblick in das konkrete Bestattungsritual vor Ort.

Ritual und anthropologische Fragestellungen

Um die Details dieses Rituals zu rekonstruieren, wurde ein spezialisiertes Team unter Leitung der Anthropologin Anne Viero eingesetzt. Ziel ist es, nicht nur den Ablauf der Einäscherung – von der Aufbahrung über die Darbringung von Opfergaben bis zur Niederlegung der Überreste – zu erfassen, sondern auch das Profil der bestatteten Person (Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand) zu bestimmen. Die Analyse der zahlreichen und hochwertigen Grabbeigaben soll darüber hinaus Hinweise auf den sozialen Status des Verstorbenen liefern.

Methodik der Ausgrabung

Die nur etwa 15 Zentimeter tiefe Verfüllung besteht aus einer Schicht aus Holzkohle und Asche mit eingeäscherten Knochen und Beigaben, die von sterilem Schlamm überdeckt wird. Das Sediment wurde in einem Raster aus 20-Zentimeter-Quadraten vollständig entnommen, um es im Anschluss sorgfältig zu sieben. Sämtliche Funde verblieben zunächst im Befund, um sie photogrammetrisch dreidimensional zu erfassen; bei wiederholten Begehungen konnten so 487 Objekte dokumentiert werden, wobei verbrannte Knochen erwartungsgemäß den größten Anteil ausmachen.

Funde und erste Auswertungen

Die Lage der Knochenfragmente dürfte Rückschlüsse auf die Position des Verstorbenen auf dem Scheiterhaufen und auf die Art des Einsturzes erlauben. Zugleich stellen sich zentrale Fragen: Wurden die Beigaben bereits während der Verbrennung auf dem Scheiterhaufen niedergelegt, danach in die Grube gegeben oder teilweise später entnommen? Der weitere Forschungsprozess soll diese Punkte klären und die Deutung der Objekte präzisieren. Erste Gruppen von Funden wurden bereits für Spezialuntersuchungen abtransportiert; der Terra-Sigillata-Becher dürfte aus den Werkstätten von Montans (Tarn) stammen, die um die Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert aktiv waren. 

Archäologische Ausgrabung mit mehreren stark korrodierten Metallfragmenten und einem Maßstab auf Erde.
Münzen und Goldbleche vermischt mit eingeäscherten Knochen. © Frédéric Prodeo, Inrap
Etwa zehn Münzen, teils gemeinsam mit kleinen Goldplättchen, deuten nach ersten numismatischen Einschätzungen auf Sesterzen und Asse hin, also auf weit verbreitete Nominale dieser Zeit. Die Goldplättchen könnten als Beschlag eines Geldbeutels oder Etuis gedient haben, in dem die Münzen aufbewahrt wurden.
Nahaufnahme des Ausgrabungsbereichs mit kleinen Kristallen und Steinen in der Oberfläche.
Eine Ansammlung nicht identifizierter Kristalle oder Glaselemente, die fächerförmig angeordnet sind und wahrscheinlich zu einem Ornament gehören, das auf einem organischen Kern aufgebaut ist. © Anne Viero, Inrap
Die kostbarsten Objekte konzentrieren sich im südlichen Bereich der Anlage: Zwischen den verbrannten Knochen liegen polyedrische und rautenförmige Kristalle, die offenbar zu einem Schmuckstück gehören, das auf einem heute verschwundenen organischen Träger – vermutlich Leder oder einem anderen vergänglichen Material – montiert war. 

 

Unter 22 Goldobjekten, darunter Bleche, Drähte und Tropfen, treten drei Stücke besonders hervor: ein Armband aus gedrehtem Band mit Schlaufenverschluss, eine wohl als Bulla anzusprechende Anhängerform, wie sie jungen Männern aus wohlhabenden römischen Familien verliehen wurde, sowie ein Intaglio-Ring. Ein längliches Eisenobjekt an der Wand der Struktur, das durch Korrosion stark beeinträchtigt ist, muss zunächst geröntgt und restauriert werden, bevor eine genaue Ansprache – etwa als Beschlag oder Gelenk – möglich ist.

Inschrift Allallé und weitere Perspektiven

 

Drei Bruchstücke eines nicht identifizierbaren, geschliffenem Stein mit eingravierten Buchstaben
Intaglio (aus Bergkristall?), graviert mit einem Familiennamen (?) in Griechisch (Allallé?), der wahrscheinlich auf einem in der Nähe entdeckten Goldring angebracht war. © Frédéric Prodeo, Inrap
Der Ring, durch Hitzeeinwirkung und den Sturz in den Nachbrand verformt, weist eine klauenartige Fassung auf, die einst ein kleines Intaglio aus bisher unbestimmtem Material – möglicherweise Bergkristall – hielt. Die winzige Gravur mit sieben griechischen Buchstaben, Allallé, steht im Mittelpunkt einer epigraphischen Untersuchung, die klären soll, ob es sich um den Familiennamen des Verstorbenen oder um eine andere Form der Identifikation handelt. Parallel dazu wird das Grab nicht nur fund- und strukturbezogen ausgewertet, sondern auch in seinen landschaftlichen Kontext eingebettet: die Lage in der Siedlungsstruktur, der mögliche Anschluss an eine Nekropole sowie die Beziehung zu Wohnbereichen und Wirtschaftsflächen. 

 

Über die Rekonstruktion des konkreten Bestattungsablaufs hinaus wirft der Fund grundlegende Fragen zur Besiedlungsgeschichte des Périgord auf. Von besonderem Interesse ist dabei, inwieweit die mögliche griechische Namensform auf eine familiäre Herkunftstradition oder kulturelle Einflüsse aus dem griechischen Raum schließen lässt. Die endgültige Bewertung dieser einzigartigen Bestattung wird damit nicht nur die lokalen Bestattungssitten, sondern auch die sozialen und kulturellen Verflechtungen der Region in der römischen Kaiserzeit neu beleuchten.

Meldung Inrap

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