Vom 2. bis 5. Juni 2025 fand am Deutschen Liturgischen Institut in Trier die internationale Fachtagung „Bible, Life, and Worship“ statt. Die Tagung bildete das Herzstück des gleichnamigen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsprojekts, das derzeit unter der Leitung von Prof. Dr. Marco Benini an der Theologischen Fakultät Trier und in Kooperation mit der Catholic University of America (Washington, D.C.) durchgeführt wird. Es widmet sich einem bislang kaum erschlossenen Feld der liturgiewissenschaftlichen Forschung: der transatlantischen Rezeption und Transformation der Liturgischen Bewegung sowie ihrer Verschränkung mit der Biblischen Bewegung.
Beide Erneuerungsbewegungen strebten im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert eine Vertiefung des christlichen Lebens auf der Grundlage von Liturgie und Schrift an. Die Liturgische Bewegung war dabei nicht zentral gesteuert, sondern entfaltete sich dezentral durch das Wirken engagierter Akteure in verschiedenen Ländern. Im Fokus stehen insbesondere die bislang wenig erforschten internationalen Netzwerke – vor allem zwischen dem deutschsprachigen Raum und den Vereinigten Staaten – sowie die theologischen und spirituellen Akzentverschiebungen bei der Rezeption unter unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen. Die Vermittlung erfolgte häufig über deutsche Auswanderer und institutionelle Beziehungen, etwa zwischen den Benediktinerabteien Maria Laach und Collegeville. Ergänzend widmet sich das Projekt auch der bislang wenig erforschten Beteiligung von Frauen an der Liturgischen Bewegung.
Nach einer methodisch orientierten Einführung in die Tagung durch Marco Benini zeichnete Julie Adamik (Paderborn) zunächst die politischen, sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen der Liturgischen Bewegung im Deutschland des 20. Jahrhunderts nach und veranschaulichte diese exemplarisch anhand des Denkens Romano Guardinis.
Keith Pecklers SJ (Rom) stellte mit Virgil Michel eine Schlüsselfigur der Liturgischen Bewegung in den USA vor, während Martin Klöckener (Fribourg) Michel im Licht der Theologie Lambert Beauduins betrachtete. Andreas Redtenbacher (Klosterneuburg) arbeitete die zentrale Bedeutung des Österreichers Pius Parsch für die Verschränkung von Liturgie und Bibel sowohl in der Theorie
als auch in der pastoralen Praxis heraus. Katharine Harmon (Collegeville) untersuchte die liturgische Bildungsarbeit US-amerikanischer Frauen, während Julia Canonico (Notre Dame) die Eucharistiefrömmigkeit in klösterlichen Frauengemeinschaften analysierte.
Der zweite Konferenztag begann mit einem thematischen Fokus auf bislang wenig beachtete Akteure der Liturgischen Bewegung. Stefan Geiger (Rom) widmete sich der Rolle von Bischof Simon Konrad Landersdorfer als vermittelnder Figur in innerkirchlichen liturgischen Auseinandersetzungen. Julia Upton (New York) hob das Wirken von H. A. Reinhold hervor, einem aus Deutschland emigrierten Priester, der in den Vereinigten Staaten liturgische Bildung mit sozialethischem Engagement verband. James Bradley (Washington) und Teresa Berger (Yale) stellten zwei weitere Persönlichkeiten in den Mittelpunkt: Martin B. Hellriegel und Franz X. Weiser SJ. Am Ende des Vortrags gab Berger bekannt, dass Weiser ihr Onkel gewesen ist.
Der Nachmittag war musikalischen und biblischen Dimensionen der Bewegung gewidmet. Ansgar Franz (Mainz) untersuchte die Rezeption liturgischer Reformimpulse in der deutschsprachigen Gesangbuchtradition und illustrierte seine Ausführungen eindrucksvoll anhand zeitgenössischer Tonaufnahmen.
Anthony Ruff OSB (Collegeville) rückte sodann US-amerikanische Frauen als prägende, jedoch lange marginalisierte Akteurinnen im Bereich liturgischer Musik in den Fokus. Abschließend analysierten Christian Handschuh (Passau) und Felix Just SJ (Los Angeles) die Entwicklung und Wirkung der Biblischen Bewegung diesseits und jenseits des Atlantiks unter besonderer Berücksichtigung ihrer je spezifischen kirchlichen und kulturellen Kontexte.
Ein Höhepunkt der Tagung war die öffentliche Abendvorlesung von Michael Witczak (Washington), der das DFG-Projekt als Mercator-Fellow begleitet. Unter dem Titel „The Spirituality of the Liturgical Movement“ entfaltete er die spirituelle Tiefendimension der Liturgischen Bewegung. Er zeigte auf, dass es sich dabei nicht lediglich um ein theologisches Reformprojekt handelte, sondern um eine geistliche Erneuerungsbewegung, die nachhaltige Auswirkungen auf das kirchliche Leben des 20. Jahrhunderts hatte.
Der dritte Konferenztag führte die Tagungsteilnehmer/innen zur Abtei Maria Laach – einem der bedeutendsten Orte der Liturgischen Bewegung in Deutschland. Den Auftakt bildete eine Eucharistiefeier in der Krypta der Abteikirche, die bereits in den 1920er-Jahren als liturgischer Versammlungsraum eine zentrale Rolle innerhalb der Bewegung einnahm. Den wissenschaftlichen Teil des Tages eröffnete Stefan Langenbahn (Burgbrohl) mit einem Vortrag, der anhand bislang wenig ausgewerteter Archivbestände frühe transatlantische Kontaktlinien zwischen Maria Laach und US-amerikanischen Reformern rekonstruierte. In der Folge widmeten sich Martino Choi (Washington) und Janosch Dörfel (Trier) der Rolle liturgischer Publikationsorgane wie Orate Fratres und Bibel und Liturgie bei der Verbreitung der Liturgischen Bewegung.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchten eines der Zentren der Liturgischen Bewegung in Deutschland: die Abtei Maria Laach.
P. Jürgen Riegel SAC
Der vierte und abschließende Konferenztag stand ganz im Zeichen der liturgischen Reform und ökumenischen Perspektivenerweiterung. Marco Benini (Trier) widmete sich den transatlantischen Verflechtungen im Wirken des Trierer Liturgiewissenschaftlers Balthasar Fischer, insbesondere mit Blick auf dessen Beteiligung am Liturgy Program der Universität Notre Dame in den 1950er-Jahren. James Bradley (Washington) stellte in seinem zweiten Vortrag Frederick R. McManus als eine der maßgeblichen Persönlichkeiten der amerikanischen Liturgiereform vor.
In einem ökumenisch akzentuierten Block zeigte Konrad Müller (Evangelisches Gottesdienst- Institut, Nürnberg) die historischen Linien protestantischer Gottesdiensttheologien im deutschsprachigen Raum auf und skizzierte deren Verhältnis zu den Entwicklungen innerhalb der evangelischen Liturgischen Bewegungen. Thomas Schattauer (Wartburg Seminary, Iowa) ergänzte diese Perspektive durch eine Untersuchung der Rolle Wilhelm Löhes als lutherischen Vorläufer einer biblisch-liturgisch fundierten Gemeindereform.
Anne Koester (Washington) betonte in ihrem Beitrag das bleibende Potenzial der Liturgischen Bewegung zur Verschränkung von gottesdienstlicher Praxis und sozialem Engagement.
Den Abschluss bildete ein thematischer Block zur Homiletik, in dem Christian Handschuh (Passau) und Guerric DeBona (St. Meinrad) die homiletischen Implikationen der Liturgischen und Biblischen Bewegung herausarbeiteten und deren Einfluss auf Predigtverständnis und Verkündigungspraxis in den Blick nahmen.
Eine abschließende Podiumsdiskussion machte deutlich, dass die Liturgische und die Biblische Bewegung nicht als voneinander isolierte oder auf nationale Kontexte beschränkte Phänomene zu begreifen sind, sondern als Ausdruck eines internationalen geistlichen Reformprozesses, der im 20. Jahrhundert theologische, pastorale und gesellschaftliche Dynamiken miteinander verband.
Sämtliche Vorträge der Tagung werden in einem englisch-deutschen Sammelband publiziert, der in der Reihe Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen im Verlag Aschendorff erscheinen wird. Ergänzend dazu ist die Erstellung einer digitalen Fachbibliographie vorgesehen.
Eine englischsprachige Übersetzung dieses Beitrags ist erschienen auf dem Blog Pray Tell unter dem Kurzlink https://kurzlinks.de/87zx.