Hilfsmittel – kein Ersatz

Künstliche Intelligenz verspricht, die Vorbereitung von Gottesdiensten zu vereinfachen. Doch welche Chancen bietet sie wirklich? Und welche Gefahren bringt ihr Gebrauch mit sich?

Wer einen Gottesdienst vorbereitet, weiß, dass die Auswahl der Texte eine zentrale Rolle spielt. Ob Kyrie-Rufe, Orationen, Fürbitten oder Segensworte – die meisten greifen hierfür auf offizielle liturgische Bücher, in der Praxis bewährte Sammlungen und andere empfohlene Literatur zurück. Doch inzwischen steht noch eine weitere Quelle zur Verfügung: die Künstliche Intelligenz (KI). Systeme wie ChatGPT versprechen, auf Knopfdruck Texte zu generieren, die sprachlich flüssig, formal korrekt und thematisch passend sind. Schnell stellt sich die Frage: Ist KI tatsächlich eine ernstzunehmende Hilfe bei der Gottesdienstgestaltung – und wenn ja, auf welche Weise?

Tatsächlich zeigt die Praxis: Wer eine KI-Anwendung nach einem bestimmten Element für den Gottesdienst fragt, erhält in Sekundenschnelle Vorschläge – und diese wirken auf den ersten Blick sogar brauchbar. Theoretisch also könnte dieses Werkzeug für haupt- und ehrenamtliche Verantwortliche in der Gottesdienstvorbereitung eine erhebliche Entlastung darstellen. KI ist jederzeit verfügbar, reagiert auf Stichworte, kann in unterschiedlichen Stilen schreiben und die Ergebnisse lassen sich mit wenigen Mausklicks variieren.

Zudem gilt: Je präziser die Anfrage gestellt wird, desto treffender fällt die Antwort aus. Wer lediglich „Formuliere eine Fürbitte für den Frieden“ eingibt, erhält einen allgemeinen Text. Wer hingegen präzise formuliert – etwa: „Schreibe für einen katholischen Sonntagsgottesdienst eine Fürbitte in einem zeitgemäßen Stil, die die Opfer des Ukraine- Kriegs in den Blick nimmt“ –, bekommt ein deutlich passenderes Ergebnis. Der Umgang mit KI ist daher in gewisser Weise eine Kunst des Fragens, ein „Prompting“.

Grenzen der KI

Diese Effizienz und Benutzerfreundlichkeit ist die Stärke der Systeme. Doch zugleich zeigen sich deutlich die Grenzen. KI kann nur reproduzieren, was sie aus gewaltigen Textmengen gelernt hat. Um welche Quellen es sich dabei genau handelt, ist in der Regel völlig unklar. Eine KI hat keine eigene Spiritualität, keine persönlichen Überzeugungen und keine innere Beziehung zu Gott. Was sie formuliert, ist immer ein Spiegel vorhandener sprachlicher Muster, nicht aber ein Ausdruck echter Glaubenserfahrung.

Damit sind liturgische Texte, die von KI-Algorithmen erschaffen werden, im Kern zwar funktional – aber sie bleiben blutleer. Sie wirken oftmals austauschbar, wiederholen bekannte Phrasen und vermeiden das Risiko echter Kreativität. Eine originelle Wendung, ein überraschendes Bild, geistliche Tiefe, die aus Erfahrung, Inspiration und Meditation (z. B. Lectio Divina) erwächst – all dies kann die Maschine nicht generieren.

Zudem stellt sich eine grundsätzliche Frage: Will man wirklich Texte im Gottesdienst verwenden, die nicht von echten Menschen formuliert wurden? Liturgie ist wesentlich ein Dialog zwischen Gott und Mensch, zwischen Gemeinde und Einzelnen. Sie lebt von Authentizität, von der Erfahrung, dass jemand seine eigene Glaubensgeschichte einbringt. Wird dies durch KI ersetzt, droht der Gottesdienst in eine (im besten Fall) ästhetisch schöne, aber innerlich leere Sprachhülse zu geraten.

Zudem stellt sich die Frage nach der Verantwortung: Wer trägt sie für einen Text, den letztlich ein Algorithmus entworfen hat? Ist es legitim, eine Fürbitte vorzutragen, deren pastorale Konsequenzen man selbst nicht geistlich durchdacht hat? Kann eine Segensformel, die von einer Maschine erzeugt wurde, denselben Anspruch erheben wie ein Segen, den ein Mensch aus seinem Glauben heraus spricht?

Liturgie und Technik

Der Vergleich mit früheren medialen Innovationen kann helfen, die aktuelle Debatte um KI einzuordnen. Denn technische Neuerungen haben im Bereich der Liturgie immer wieder Skepsis ausgelöst. Jede neue Form der medialen Vermittlung stellte zunächst die Frage nach Authentizität und Echtheit. Als im 15. Jahrhundert der Buchdruck seinen Siegeszug antrat, war für kirchliche Kreise keineswegs selbstverständlich, dass die maschinell hergestellten liturgischen Bücher die alten handgeschriebenen Gottesdienstordnungen ersetzen durften. Ähnliches zeigte sich im 20. Jahrhundert, als erstmals Gottesdienste im Radio übertragen wurden. Viele fragten: Kann man an einer Liturgie, die nicht physisch vor Ort gefeiert wird, überhaupt „gültig“ teilnehmen? Die Diskussionen wiederholten sich im Fall des Fernsehers und in jüngster Zeit bei digitalen Feiern im Internet, etwa während der Corona-Pandemie. Immer wieder wurde die Sorge laut, dass technische Hilfsmittel das Miteinander der feiernden Gemeinde auflösen und die Unmittelbarkeit der Begegnung mit Gott verfälschen könnten.

Doch Technik war in der Liturgie nie Selbstzweck, sondern immer Werkzeug. Buchdruck, Radio oder Internet transportieren und verbreiten liturgische Vollzüge oder Texte, die von echten Menschen erdacht und verantwortet werden. KI hingegen geht einen Schritt weiter: Sie erzeugt Inhalte selbst. Während frühere technische Neuerungen eher die Reichweite und Zugänglichkeit von Liturgie erweiterten, stellt der Einsatz von KI die Frage nach der Urheberschaft gottesdienstlicher Texte (und in Zukunft womöglich auch von Liedern).

Gefahr der Vereinheitlichung

Ein weiteres Problem liegt in der Tendenz zur Standardisierung. Da KI immer aus vorhandenen Sprachmustern schöpft, verstärkt sie bestehende, oftmals sogar überholte Konventionen und Formeln. Das führt dazu, dass liturgische Texte, die mithilfe von KI erstellt werden, sich häufig sehr stark ähneln und sprachlich glattgebügelt wirken. Eine lebendige Liturgie aber lebt von Vielfalt, von persönlichen Handschriften, von regionalen und spirituellen Eigenheiten. Sie geht auf die Gemeinschaft, die zusammen feiert, individuell ein.

Auch die theologische Qualität KI-generierter Texte ist nicht gesichert. Zwar kann eine KI Formulierungen erzeugen, die im ersten Moment schlüssig erscheinen. Doch sie verfügt nicht über ein kritisches Bewusstsein, das zwischen angemessenem Ausdruck und problematischer Verkürzung unterscheiden könnte. Ohne den kritischen Blick erfahrener Liturginnen und Liturgen kann leicht etwas entstehen, das zwar „fromm“ wirkt, aber theologisch unscharf oder gar völlig unzutreffend ist.

Konstruktiver Umgang statt Abwehr

Aus diesen Gründen wird man KI in der Gottesdienstvorbereitung allenfalls als Hilfsmittel ansehen können. Sie kann Denkanstöße liefern, Formulierungsvorschläge machen, vielleicht beim Überwinden von Schreib- und Denkblockaden helfen. Doch sie kann keinesfalls die eigene geistlich-theologische Arbeit ersetzen. Die Aufgabe bleibt, die Texte kritisch zu prüfen, zu überarbeiten, anzupassen – und vor allem, sie sich spirituell zu eigen zu machen.

Es wäre zu kurz gegriffen, die technischen Entwicklungen nur abzuwehren. KI wird in Zukunft ein prägender Teil unseres Alltags werden, und auch im kirchlichen Rahmen wird man nicht umhinkommen, sich damit auseinanderzusetzen. Die Herausforderung liegt darin, Maß und Verantwortung zu wahren. Wer KI in der Gottesdienstvorbereitung nutzt, muss wissen, was sie leisten kann – und was nicht.

Gottesdienst-Hefte

Die Zeitschrift Gottesdienst im Abo

Unsere Zeitschrift bietet Ihnen Beiträge zu Grundfragen und neuen Entwicklungen im Bereich gottesdienstlicher Feiern, einen Praxisteil mit erprobten Textvorlagen und konkreten Modellen für den katholischen Gottesdienst sowie Hinweise auf aktuelle Vorgänge, Ereignisse und Tagungen. 

Zum Kennenlernen: 3 Heft gratis

Jetzt gratis testen