Lingualpfeife: Klicks mit der Orgel

Seine Videos werden von 13.000 Menschen abonniert. Auf „Youtube“ hat er rund 13 Millionen Klicks erzielt. „Lingualpfeife“ alias Ludwig Martin Jetschke ist der einzige katholische Youtuber Deutschlands mit einer derartigen Reichweite. Sein Erfolgsrezept sind Orgelvideos.

Jemand sitzt an der Orgel.
© Pixabay

Seit Ludwig Martin Jetschke zwölf Jahre alt ist, begleitet er Gottesdienste an der Orgel. Die „Königin der Instrumente“ hat es dem Franken angetan. „Vor ein paar Jahren habe ich eine Kamera geschenkt bekommen und damit einfach mal etwas herumexperimentiert“, sagt Jetschke, der jetzt in Bamberg katholische Theologie und Deutsch für das Lehramt an Gymnasien studiert. „Da habe ich auch an der Orgel Aufnahmen gemacht – und war völlig überrascht von der Tonqualität.“ Bald beginnt er, die Filme auf „Youtube“ einzustellen. Aus Jetschke wurde „Lingualpfeife“, der Künstlername, der nahe lag. „Videos hochladen, das habe ich immer dann gemacht, wenn ich gedacht habe: Diese Aufnahme war gut, ich muss mich nicht verstecken.“ Jetschkes Videos sind anfangs unspektakulär: Meist sieht man den Kirchenmusiker auf der Orgelbank ein Lied intonieren. Eine Kamera filmt ihn von der Seite, zeigt, wie er die Tasten bedient. Und so wie die meisten Autoren von Youtube-Videos erhält auch Jetschke zu Anfang nur wenig Klicks und Reaktionen. „Ich hatte auch nicht vor, hier sonderlich erfolgreich zu werden“, sagt der Organist.

Doch dann kommen zwei Dinge zueinander: Andere ehrenamtliche Kirchenmusiker fragen ihn, wie er bestimmte Lieder spielen würde. Und sie bitten um Nachhilfe zum Beispiel beim Improvisieren. Denn obwohl Jetschke sein Kirchenmusikstudium wegen einer Sehnenscheidentzündung nach dem Vordiplom abbrechen musste, ist sein Rat rund um Bamberg und seine Heimatstadt Würzburg gefragt. Und der angehende Lehrer beginnt, Unterrichtsvideos, so genannte „Tutorials“, zu erstellen, die er auf „Youtube“ veröffentlicht. Zum Beispiel zum neuen Gotteslob, das im August 2013 eingeführt wird und dessen Orgelbuch zum Leidwesen mancher Kirchenmusiker noch etwas auf sich warten ließ. Immer mehr Menschen finden auf der Suche nach den neuen Liedern Jetschkes Videos, beginnen, sie zu „liken“. Denn für die Mehrheit der Lieder im Gotteslob sind die Videos von „Lingualpfeife“ bis heute die einzigen Clips, die auf „Youtube“ dazu zu finden sind. Und auch die Technik wird anspruchsvoller: Eine zweite Kamera zeigt, wie Jetschkes Füße die Pedale bedienen oder wie die Improvisation zum Einzug mit dem Geschehen am Altar verzahnt ist. Und in anderen Videos erklärt er Register und Manuale.

Mittlerweile gibt es eine ehrenamtliche Redaktion, die seine Internetangebote betreut. „Einer schneidet mir die Videos, andere organisieren Gesprächsforen dazu in Whatsapp-Gruppen.“ Die so entstandene Online-Community wächst stetig. Immer mehr junge Menschen schließen sich an, die zum Beispiel mitten in einer Lebenskrise über die Videos des Kirchenmusikers stolpern und Anschluss zu Gleichgesinnten suchen.

„Das, was wir hier machen, ist Glaubensverkündigung“, sagt Jetschke. In den Gruppen diskutieren Kirchenmusiker miteinander über Choralsätze, aber auch über das Leben in der katholischen Kirche. Ein katholischer Priester, der von den Videos begeistert war, kümmert sich um Menschen, die Seelsorge benötigen.

Und die Musik bringe Menschen aus den unterschiedlichsten Teilen der katholischen Kirche zusammen: Ein Mann, der eher den Pius-Brüdern nahesteht, arrangiert zusammen mit einem liberalen Musiker, der eher in die „Wir-sind-Kirche“-Ecke gehört, einen Choral. Kennengelernt haben sie sich in einer Whatsapp-Gruppe, wo sie oft anderer Meinung sind. Aber nicht bei der Musik. „Von vielen anderen Internetangeboten unterscheiden wir uns dadurch, dass hier nicht von oben nach unten kommuniziert wird“, sagt Jetschke.

Seine Videos und seine Community sieht er als Weg, über den sich Menschen in Diskussionen einbringen können und christliche Gemeinschaft im Internet erfahren, die sie am eigenen Heimatort unter Gleichaltrigen manchmal schlicht nicht mehr vorfinden. Mit Bischöfen oder Ordinariaten hatte er noch nie etwas zu tun, aber er wünscht sich etwas von seiner Kirche. „Schön wäre es, wenn es in jedem Bistum eine Internetpfarrei gäbe“, sagte Jetschke.

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