LastenausgleichWo ist Links?

Es gäbe vieles, was auf linke Weise ins Bewusstsein geholt gehört. Aber selbst die linke Befreiungstheologie ist schwach geworden.

Das politische Spektrum links schwächelt. Es ist zersplittert, uneins, muss zuschauen, wie eine Regierung der „ruhigen Hand“ der Bevölkerung ein trügerisches Gefühl von Ruhe und Sicherheit gibt. Was einmal links war, hat sich darauf festgelegt, Klischees zu bedienen und in unermüdlicher Langeweile unter anderem einen Donald Trump zu kritisieren, was die Mitte inzwischen genauso beherrscht.

Das linke Problem ist, dass sich konservative Volksparteien dort eingenistet haben, wo einmal linkes Territorium war. Der Mindestlohn ist verwirklicht, die Energiewende beschlossen, die emanzipatorische Gesetzgebung bis zur „Ehe für alle“ erfüllt, die Gleichberechtigung von Frauen – bis auf das Lohnniveau und Führungspositionen – beruflich praktiziert. Den Linken sind die aufwühlenden Themen ausgegangen oder eher die Lösungen. Vielleicht will sich das Volk aber auch gar nicht mehr aufregen (lassen).

Dabei gäbe es vieles, was auf linke Weise ins Bewusstsein geholt gehört. Zum Beispiel dass ein Durchschnitts-Alleinverdiener eine Familie nicht mehr vom Lohn ernähren kann; dass die Mieten explodieren; dass gigantische Erbschaften die soziale Ungleichheit über Generationen hinweg verschärfen; dass die einst eindringlich anempfohlene private Altersabsicherung wegen Niedrigstzinsen vielfach Schmus ist; dass eklatante Steuerungerechtigkeit herrscht zwischen Normal-Einkommen und Super-Reichtum, zwischen Handwerksbetrieben und Weltkonzernen. Immer noch nicht ist es gelungen, die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand durch eine Art Investivlohn voranzutreiben. Geschweige denn, dass der Universalismus von Gerechtigkeit, der einmal die internationale Linke bewegte, noch auf die Tagesordnung käme. Alle denken national – an sich.

Warum das Schweigen zu den Menschenrechtsverletzungen im Peking-Reich, im Moskau-Reich, im Araber-Reich, unter den kleptokratischen Herrschern Afrikas, während der globale Handels- und Finanzkapitalismus kräftig gedeiht, Millionäre wie Milliardäre in den „armen“ Weltzonen produziert? Warum hat Links keine Idee für den Lastenausgleich zwischen Familien und Nicht-Familien? Warum das Schweigen angesichts der beschleunigten weltweiten Verschuldung, deren Chaosprinzip nachfolgende Generationen trifft? Die Armen, die Ausgebeuteten gibt es nicht mehr? Plötzlich muss ein Papst da links in die Bresche springen, wo die Linke fast nicht mehr vernehmbar ist. Zum dschihadistischen Terror, unter dem gerade die Ärmsten leiden, hört man links nichts. Links war einmal dort, wo rechts nicht ist und wo die Mitte nicht gern hinfindet. Zu vieles in dieser Welt bräuchte Links, Befreiendes. Aber selbst die linke Befreiungstheologie ist schwach geworden. Die Hoffnung, auch christlich, gegen das Vergessen und Verdrängen war jedoch immer wieder auch links.

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