KommentarOstentative Demut

Frauen sind laut einem Dekret der Gottesdienstkongregation in Zukunft zur Fußwaschung am Gründonnerstag zugelassen. Die liturgische Ordnung wurde damit an die päpstliche Praxis angepasst. Diese greift auf das uralte Repertoire monarchischer Repräsentation zurück. Modern ist das nicht.

Fusswaschung Papst
Papst Franziskus hat am Gründonnerstag, 2. April 2015, im römischen Gefängnis Rebibbia Häftlingen die Füße gewaschen. Das Oberhaupt der katholischen Kirche küsst den Fuß einer Frau.© KNA Bild / Osservatore Romano

Ein Maundy Set ist eine Serie eigens geprägter Münzen, die der britische Monarch am Gründonnerstag, dem Maundy Thursday, Menschen mit besonderen Verdiensten überreicht. Diese Geste ist der Überrest einer Zeremonie, die zahlreiche europäische Herrscher jahrhundertelang praktizierten. So ließ der bayerische König noch bis 1918 in jedem Jahr am Gründonnerstag die zwölf ältesten „armen Männer“ seines Reiches nach München kommen. Nach dem Hochamt wusch er zum Zeichen seiner Demut den Männern im Herkulessaal der Residenz die Füße. Die Zwölf wurden verköstigt und kehrten mit einem Geldgeschenk sowie der Aussicht auf eine lebenslange Leibrente in ihre Heimatorte zurück.

Der Evangelist Johannes berichtet davon, dass Jesus den Aposteln beim Letzten Abendmahl die Füße wusch. Schon im christlichen Altertum begann man, diese Geste rituell nachzuvollziehen. Dabei wuschen stets die Höhergestellten den Niedrigeren die Füße: Äbte ihren Mönchen, Bischöfe ihrem Klerus, der Klerus den Armen. Im Mittelalter begannen auch Monarchen ihren Untertanen die Füße zu waschen, schließlich gehörte die Haltung dienender Liebe zum Ideal eines christlichen Herrschers.

Doch erst im 20. Jahrhundert wurde die Fußwaschung zum regulären Teil der Gemeindemesse am Gründonnerstag. Dies geschah mit der Karwochenreform Pius‘ XII. im Jahr 1955. Nun war vorgesehen, dass der Pfarrer nach der Predigt zwölf älteren Männern vor den Augen der Gemeinde die Füße wäscht. Seit der Liturgiereform der Sechzigerjahre verzichtete man darauf, Zahl und Alter der Teilnehmer festzulegen, hielt aber weiter daran fest, dass es sich um Männer zu handeln habe.

Papst Franziskus verlegte nach seinem Amtsantritt den päpstlichen Gottesdienst am Gründonnerstag an die „Peripherien“: in Gefängnisse und Behindertenheime. Dabei überging er das geltende liturgische Recht, weil er auch Kinder, Frauen und sogar Muslime zu Adressaten seiner Demutsbekundung machte. Nun kann der Papst das in seiner uneingeschränkten Souveränität natürlich tun. Doch den Römischen Behörden, die den Klerus regelmäßig zur liturgischen Ordnung mahnen, konnten die Eigemächtigkeiten des Pontifex nicht gefallen. Weil sich Franziskus offensichtlich nicht von seiner Praxis abbringen ließ, musste das Gesetz geändert werden. In Zukunft kann die Fußwaschung an „ausgewählten Menschen aus dem Volk Gottes“ vollzogen werden. Da Muslime selbst bei großzüger Auslegung des Begriffs nicht zum „Volk Gottes“ gehören, bleibt abzuwarten, ob sich der Papst hinfort an die Vorschriften hält.

In der katholischen Tradition gilt der Gründonnerstag als Tag der „Einsetzung“ von Priestertum und Eucharistie. Weil Frauen ab sofort in die Rolle der Apostel beim letzten Abendmahl schlüpfen dürfen, wollen einige Beobachter (darunter sowohl Kritiker als auch Befürworter des Papstes) in der Entscheidung einen Schritt hin zum Frauenpriestertum erkennen. Doch Papst Franziskus – der ansonsten die Kunst beherrscht, sich ausführlich zu strittigen Themen zu äußern, ohne sich festzulegen – hat sich in dieser Frage überraschend eindeutig positioniert. „Diese Tür ist geschlossen“, sagte er bereits 2013, zu Beginn seines Pontifikates, auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Rio de Janeiro.

Die bisherige Beschränkung der Fußwaschung auf Männer hat vermutlich einen anderen Grund. Schon der baye­rische König beschenkte zu Gründonnerstag auch zwölf bedürftige Mädchen, verzichtete aber darauf, ihre Füße zu waschen – schwer vorstellbar, dass damals ein Mann den entblößten Fuß einer fremden Frau berührt hätte. Aber selbstverständlich wuschen Äbtissinnen ihren Nonnen die Füße. Und in der Habsburgermonarchie war es Brauch, dass der Kaiser zwölf Männern und die Kaiserin zwölf Frauen die Füße wusch. Heute spielen derartige Anstandsfragen zumindest in unserem Kulturkreis keine Rolle mehr. So ändert sich für die Praxis hierzulande vermutlich wenig. In vielen Gemeinden ist die Teilnahme von Frauen seit Langem selbstverständlich. Nicht selten verzichtet man auch ganz auf das teilweise als peinlich empfundene Ritual.

Einige Stimmen vermuten, hinter dem symbolischen Handeln des Papstes stehe eine Sehnsucht nach einer hierarchiefreien Kirche. Nichts ist falscher als das. Denn diese Sichtweise verkennt, dass ostentative Demutsgesten die Autorität dessen, der sie ausübt, nicht relativieren, sondern bekräftigen. Wenn Papst Franziskus Gefängnisinsassen und Behinderten, Männern und Frauen, Christen und Nichtchristen am Gründonnerstag die Füße wäscht, begleitet von den Fotografen und Kameraleuten der vatikanischen Medien und damit unter den Augen der Weltöffentlichkeit, dann relativiert er damit nicht seine Position, er unterstreicht vielmehr seine universelle pastorale Kompetenz als „Pfarrer der Welt“.

Franziskus ist sich seiner Autorität wohl bewusst und nutzt sie auch. Das zeigt sich auch in der Art und Weise, wie die jüngste Änderung des Messbuchs zustande gekommen ist: durch ein Dekret das die Präferenzen des Papstes zum allgemeinen Gesetz erhebt.

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