Die KathedraleDas Feuer von Paris

Die Reaktionen auf den Brand von Notre-Dame zeigen: In den Herzen der Menschen gibt es sehr wohl ein christliches Abendland.

Religion ist Privatsache? Nirgendwo gilt das derart entschieden wie in Frankreich, das seit seiner Großen Revolution die Vorherrschaft des alten Regimes von Adel und Geistlichkeit abgestreift hat und das Vorbild für den Laizismus verschiedenster Spielarten abgibt. Umso mehr überrascht, wie der Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame mit verheerender Vernichtung die Vielen zuinnerst erschüttert, berührt und – auch das – in tränenreiche Trauer gestürzt hat. Keineswegs sind bloß Franzosen und Christen von Trauer ergriffen.

Offenbar ahnen selbst Säkulare, religiös Distanzierte, dass es sich hier nicht nur um ein Bauwerk, nicht nur um ein nationales oder kulturelles Denkmal der Menschheit oder bloß um ein touristisches Wahrzeichen handelt, sondern um einen Seelenort, um einen existentiellen, ja existentialistischen Ort. Innerhalb dieser Mauern haben jahrhundertelang Menschen gebetet, gehofft, ihr Leiden Gott entgegengeschrien, ihre Zweifel ausgebreitet, aber auch ihren – österlichen – Glauben an Auferstehung gefeiert und daraus Trost geschöpft. Es ist ein Gotteshaus, ein Himmel aus Stein, Glas und Holz, den Menschen mitsamt den darin enthaltenen Kunstwerken geschaffen haben als Mitschöpfer Gottes zum Lob des erhabenen Schöpfers und Erlösers, der allein der letzte Sinn, die letzte Rettung sein kann aus Todesverfallenheit.

Das vor allem ist es wohl, was Menschen jetzt unbewusst fühlen, was an Erkenntnis neu geweckt wurde. Das Privatereignis Religion, Christsein, trat durch den Brand als wahrhaft öffentliches Ereignis in Erscheinung. Fast so, wie der Künstler Christo Gegenstände verhüllt und dann enthüllt, damit die Menschen gegen das Gewohnte wieder ein neues Sehen lernen, sind zu Karfreitag hin die Kreuze der Kirchen verhüllt, um am Gedenktag des Todes Jesu Christi enthüllt zu werden, damit wir neu schauen auf denjenigen, der das auf sich genommen hat zu unserem Heil, zu unserer Erlösung. Ähnlich steht Notre-Dame jetzt karfreitäglich da, verwundet, verletzt, durchbohrt, kreuzgestaltig, in Ruinen – so dass wir neu auf das blicken, was unsere Kultur als christliche auszeichnet und in Erwartung des Ewigen getragen hat und trägt. Das christliche Abendland gibt es gar nicht? Die Wahrheit lässt sich nicht durch rhetorische Kniffe politischer Korrektheit anordnen und verbiegen. Die Wahrheit zeigt sich praktisch, im Leben, im Verhalten der Menschen. Frankreich, die „älteste Tochter der Kirche“, zeigt in dieser dunklen Stunde, dass alle Ideen, selbst die des Laizismus, wenig tragen, wenn das Herz spricht, das Herz der Franzosen und all jener, die mit ihnen leiden, aber inmitten und durch die Katastrophe wieder zu ahnen beginnen, was Jesus Christus und der Glaube an ihn der Welt Gutes gebracht haben.

Hinweis: Die CIG-Ausgabe für die Kartage und Ostern musste bereits am späten Montagnachmittag der Karwoche fertiggestellt werden, um vor den Heiligen Drei Tagen pünktlich bei den Lesern zu sein. Die Nachricht vom Brand der Pariser Kathedrale erreichte uns erst, als die Exemplare mitten im Druck waren. Daher haben wir unseren Kommentar gleich am Dienstag auf unsere Webseite www.christ-in-der-gegenwart.de gestellt und alle Personen, die unseren kostenlosen Newsletter beziehen, sowie die Facebook-Nutzer darüber informiert und ihnen den entsprechenden Link geschickt. Wenn auch Sie den Newsletter mit aktuellen Informationen der CIG-Redaktion wünschen, u.a. zu Sri Lanka, können Sie sich auf unserer Webseite anmelden.

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