Statistik der katholischen Kirche 2022Mehr als eine halbe Million Kirchenaustritte

Leere Stühle vor Kirchenmauer
© Pixabay

Ohne Vorankündigung und ohne Kommentar verschickte die Pressestelle der Deutschen Bischofskonferenz Ende Juni die Kirchenstatistik 2022. Die Kirchenaustrittszahl für das vergangene Jahr brach wieder alle vormaligen Rekorde: 522.821 Menschen haben 2022 die Kirche verlassen, das sind 163.483 mehr als 2021; insgesamt ergibt sich ein Rückgang um 708.285 Menschen im Vergleich zu 2021 (vgl. HK, August 2022, 32). In Deutschland machen die Katholiken mit nun rund 20,9 Millionen Kirchenmitgliedern jetzt 24,8 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

Bei den meisten Sakramentenspenden zeigt sich ein leichter Anstieg, jedoch liegen alle Zahlen hinter denen von vor der Corona-Pandemie. Es gab mit 155.173 Taufen mehr Taufen als 2021 (141.992), aber weniger als 2019 (159.043). Der Gottesdienstbesuch lag 2022 bei 5,7 Prozent vor 2021 (4,3 Prozent), aber deutlich hinter 2019 (9,1 Prozent). Zur Erstkommunion gingen 162.506 Kinder (2021: 156.574, 2019: 166.481). Die Anzahl der kirchlichen Trauungen stieg mit 35.467 deutlich an (2021: 20.140), aber auch hier lag die Zahl vor Corona noch höher (2019: 38.537). Das heißt, eventuelle Nachholeffekte bremsen den Abstieg, verhindern ihn aber nicht. Insbesondere gibt es einen Sinkflug bei den Firmungen, für die sich insgesamt nur noch 110.942 junge Menschen entschieden (2021: 125.818; 2019: 123.253). Bestattungen liegen mit 240.144 in etwa gleichauf mit den Vorjahren (2021: 240.040; 2019: 233.937); dies bedeutet bei einer abnehmenden Kirchenmitgliederzahl eine relative Steigerung und verweist auf die alternde Gesellschaft.

Am höchsten lag die Austrittsquote im Erzbistum Hamburg mit 3,74 Prozent vor Berlin (3,38 Prozent) und München und Freising (3,14 Prozent). So scheinen in Städten mehr Menschen auszutreten als in ländlichen Gebieten. Die meisten Austritte (51.345) gab es im Erzbistum Köln, das mit etwa 1,74 Millionen Katholiken nur noch mit knappem Vorsprung vor Münster (37.907 Austritte; 1,71 Millionen Katholiken) die mitgliederstärkste Diözese des Landes bleibt.

Bereits im Frühjahr hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ihre Bilanz veröffentlicht. Demnach erklärten rund 380.000 Menschen ihren Austritt; die Zahl evangelischer Christen sank von 19,73 auf 19,15 Millionen. Das entspricht einem Anteil von rund 22,7 Prozent an der Gesamtbevölkerung.

Bischof Georg Bätzing bezeichnete die Zahlen als alarmierend und bat Ehren- und Hauptamtliche, sich nicht entmutigen zu lassen. Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, forderte schnelle Reformen, die Kirche habe Vertrauen verspielt. Der Kirchenrechtler Thomas Schüller erklärte, in den nächsten fünf bis zehn Jahren würden die Kirchen soziale Einrichtungen wie Kitas an die Kommunen und Länder zurückgeben müssen; dies werde zu Gebührenerhöhungen und Steuererhöhungen führen. Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, erklärte, sie frage sich schon, „wie lange die Einnahmen durch die Kirchensteuer noch ausreichen, um die Co-Finanzierung unserer Einrichtungen und Dienste zu gewährleisten“.

Hilde Naurath

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