EuropaErschrecken über Missbrauch jetzt auch in der Schweiz

Flagge der Schweiz
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921 Betroffene und mehr als 510 Täter: Diese Zahlen aus dem Hellfeld listet die Pilotstudie der katholischen Kirche in der Schweiz zu Vorfällen sexualisierter Gewalt und dem Umgang damit auf. Anfang September wurde die an der Universität Zürich angefertigte Untersuchung vorgestellt, die Aktenvernichtung, Vertuschung und Bagatellisierung durch die Kirche und ihre Amtsträger bemängelt. Das Besondere in diesem Fall: Zeitgleich wurde bekannt, dass gleich mehrere Bischöfe und ein Abt der Vertuschung beschuldigt werden. Der Churer Bischof Joseph Bonnemain wurde vom Vatikan mit einer kirchenrechtlichen Voruntersuchung beauftragt, die bis Ende des Jahres vorliegen soll. Bonnemain bekannte freimütig, dass er diesen Auftrag am liebsten abgelehnt hätte.

Die Zürcher Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Beschuldigten im Untersuchungszeitraum seit den Fünfzigerjahren fast nur um Männer handelt; die Betroffenen waren in mindestens 39 Prozent der Fälle weiblich, in mindestens 56 Prozent männlich. Die ausgewerteten Akten behandeln zu 74 Prozent sexuellen Missbrauch an Minderjährigen; 14 Prozent betrafen Erwachsene; in 12 Prozent der Fälle war die Aktenlage uneindeutig über das Alter der Betroffenen. Das Spektrum reiche von „problematischen Grenzüberschreitungen bis hin zu schwersten, systematischen Missbräuchen, die über Jahre hinweg andauerten“. Bislang handele es sich „zweifellos nur um die Spitze des Eisbergs“, betonten die beiden Leiterinnen der Untersuchung, Monika Dommann und Marietta Meier.

„Zu viele kirchliche Führungspersonen haben jahrzehntelang verantwortungslos gehandelt“, räumte der Vorsitzende der Schweizer Bischofskonferenz, Felix Gmür, in einer ersten Reaktion ein. Er kündigte eine Reihe von Maßnahmen an: Die Mitglieder der Bischofskonferenz hätten gemeinsam mit den kantonalen Körperschaften und Ordensgemeinschaften beschlossen, unabhängige Meldestellen zu schaffen und zu finanzieren. Auch versprach Gmür eine Professionalisierung des Personalwesens und der Personalauswahl. Künftig müssten alle Kandidatinnen und Kandidaten für eine Ausbildung in der Seelsorge einheitliche psychologische Tests durchlaufen. Innerhalb von drei Jahren soll ein noch umfassenderer Bericht erarbeitet werden. 1,5 Millionen Franken stehen dafür zur Verfügung. Stefan Orth

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