Vorbereitung der WeltsynodeOhne die Betroffenen?

In Prag startet die europäische Phase des weltweiten Synodalen Prozesses. Doch unter den Teilnehmenden fehlt eine zentrale Gruppe.

Mach den Raum deines Zeltes weit“ (Jes 54,2) – so lautet der Titel des Arbeitsdokuments für die nun beginnende Kontinentalphase. Darin sind viele Aspekte enthalten, die sich mit den Themen des von Papst Franziskus gerade als „nicht hilfreich“ und „von Eliten gemacht“ gebrandmarkten deutschen Synodalen Weges durchaus decken, wie der Wunsch, die Diskriminierung von Frauen und LGBTIQ-Personen zu überwinden. Die größte und fundamentalste Krise der katholischen Gegenwart – der sexuelle Missbrauch durch Kleriker sowie dessen Vertuschung – bleibt in dem Schreiben jedoch eher eine Randnotiz.

Zwar kommen „der Skandal um die Missbrauchsfälle“, die „offenen Wunden“ der Betroffenen oder auch die „sündigen Strukturen“ der Welt zur Sprache, nicht aber die sündigen und missbrauchsbegünstigenden Strukturen der Kirche und schon gar nicht die Überlebenden selbst. Und auch bei der anstehenden Konferenz in Prag sind zwar neben den Bischöfen einige Laienvertreter vorgesehen, jedoch keine Betroffenen. Dabei sind ihre Leidenszeugnisse existenzielle Wissensquellen und Lernorte über die dunklen Abgründe – aber auch über eine potenziell bessere Zukunft der Kirche.

Endet die vielbeschworene synodale Offenheit bei den Schreien der Marginalisierten, die die Systemfrage stellen? Wie will man den Raum seines Zeltes nachhaltig weiten, wenn dieses auf einem zerfressenen und von Tränen durchtränkten Grund steht? Der deutsche Synodale Weg hat einen Paradigmenwechsel vollzogen und sich unter (nachträglicher) Beteiligung von Betroffenen zum Ziel gemacht, die „sündigen Strukturen“ der Kirche zu überwinden.

Die römische Kritik an diesem Vorhaben sowie die Architektur des weltweiten Prozesses zeigen schmerzlich, dass man auf Seiten des Vatikans die existenzielle Tragweite der Missbrauchskrise noch nicht verstanden hat. Der Umgang der Kirche mit den Betroffenen ist der Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der Kirche. Erst wenn sie den Opfern zuhört, ihnen Gerechtigkeit zukommen lässt und sich radikal erneuert, kann sich an ihnen die Prophezeiung Jesajas erfüllen: „Fürchte dich nicht, du wirst nicht beschämt, ... die Schande in deiner Jugend wirst du vergessen“ (54,4).

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