KommentarTrauma

In Linz verzichtet ein designierter Weihbischof auf das Amt.

Für die katholische Kirche in Österreich hat die Auseinandersetzung über die aufgehobene Exkommunikation der vier im Jahre 1988 unrechtmäßig geweihten Lefebvrianer-Bischöfe einen ganz eigenen Akzent erhalten (vgl. dieses Heft, 109ff. und 119ff.) Denn während man auch in der Alpenrepublik noch debattierte, welche Konsequenzen die erstaunliche Versöhnungsgeste des Papstes haben könnte, kam schon die nächste Überraschung aus Rom – und rührte an einem Trauma der Kirche in Österreich.

Die Diözese Linz sollte, wie es sich Bischof Ludwig Schwarz gewünscht hatte, einen neuen Weihbischof erhalten. Der von Rom auserkorene Gerhard Maria Wagner aber, ein Pfarrer aus dem Garstnertal, überraschte auch Schwarz. In einer ohnehin gereizten Atmosphäre löste die Personalie unmittelbar heftigste Proteste aus. Aus dem Kreis der Dechanten, des Priesterrates, der „Katholischen Aktion“ – die Reaktionen waren einhellig: Diese Entscheidung Roms sei an den Erwartungen der Ortskirche vorbei erfolgt. Priester der Diözese kündigten an, ein „Volksbegehren“ gegen die Weihe anzustreben. Selbst das Linzer Domkapitel macht keinen Hehl aus seiner Enttäuschung und begründete dies in einer in der Bistumszeitung veröffentlichten Stellungnahme beispielsweise mit der demonstrativen Abwesenheit Wagners im Presbyterat von Dekanat und Diözese sowie in anderen diözesanen Gremien.

Der Designierte kokettierte indessen mit unangefochtener Rechtgläubigkeit und robuster Konfliktfähigkeit. Ein um Ausgleich und Schadensbegrenzung bemühter Linzer Bischof verwies darauf – nachdem auch seine Amtsbrüder in Salzburg und Eisenstadt die römische Personalentscheidung monierten hatten – dass der rasch als erzkonservativer Hardliner etikettierte sich durchaus großer Beliebtheit in seiner Pfarrei erfreue und offenkundig über großes pastorales Geschick verfüge.

Im Ausland sahen sich mit der Ernennung Wagners alle diejenigen bestätigt, die die Kirche unter der Führung Benedikts XVI. auf striktem Restaurationskurs sahen. Schnell kursierten Florilegien des Frischgekürten: Theorien zur Heilung von Homosexuellen, zum versteckten Satanismus in den „Harry-Potter“-Bänden und zu Naturkatastrophen als Strafe Gottes für Sittenverfall und geistige Umweltverschmutzung.

In Österreich aber wurden vor allem Erinnerungen wach an die Mitte der achtziger Jahre: Damals hatte Rom insgesamt sieben Bischöfe ernannt, nicht nur ohne Beteiligung der Ortskirche, sondern gegen deren Zustimmung beziehungsweise unter deren mehrheitlichem Protest. Ein trauriges Kapitel in der österreichischen Kirchengeschichte, das offiziell erst mit dem Rücktritt Kurt Krenns in St. Pölten abgeschlossen war und von dem einige immer noch Nachwirkungen zu spüren glauben (vgl. HK, September und November 2004, 439ff. und 589ff.). Dabei waren die Bischofsweihen der vergangen zehn Jahre völlig geräuschlos und in offenkundiger Harmonie verlaufen.

Jetzt aber war offenbar der vom Kirchenrecht vorgesehene Dreiervorschlag aus der Ortskirche wieder missachtet worden; ebenso wie man dem Vernehmen nach durchaus erfolgte Warnungen von hohen Würdenträgern der Kirche aus anderen Diözesen überhört hatte. Auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn, soll aktiv gewesen sein und sei von Rom blamiert, vorgeführt worden, wie es jetzt in einigen Kommentaren hieß.

Zwei Wochen nach seiner Ernennung ist Gerhard Maria Wagner jedoch zunächst einmal Geschichte. Nach ersten Pressemeldungen ließ der designierte Linzer Weihbischof, unmittelbar vor einer Krisensitzung der Bischofskonferenz am nächsten Morgen, eine Stellungnahme veröffentlichen (15. Februar 2009): „Angesichts der heftigen Kritik bin ich im Gebet und nach Rücksprache mit dem Diözesanbischof zu dem Entschluss gekommen, den Heiligen Vater in Rom um Rücknahme meiner Ernennung zu bitten.“ Wer oder was nun Wagner zum Rücktritt bewegt haben mag, der Bitte wurde in Rom offenbar sehr rasch entsprochen. Ein Eingeständnis, Fehler gemacht zu haben?

Auf ihrer Sondersitzung verabschiedete die Bischofkonferenz einen Hirtenbrief, der vor allem um pastorale Schadensbegrenzung bemüht ist und einfühlsam die durch die Geschehnisse der letzten Tage und Woche verunsicherten Gläubigen zu beruhigen versucht: In einem „klärenden Wort“ zur Aufhebung der Exkommunikation der vier Traditionalisten-Bischöfe heißt es unmissverständlich, die lefebvrianische Gemeinschaft müsse jetzt ihrerseits klare Zeichen setzen, dass sie die ausgestreckte Hand ergreift und damit tatsächlich Versöhnung sucht. Voraussetzung dafür sei selbstverständlich die „vorbehaltlose Annahme des Zweiten Vatikanischen Konzils“.

Zum Trauma „Bischofsernennungen“, die Bischöfe sprechen von einem sehr „bedeutsamen“ Thema für die Kirche in Österreich, erinnert der Hirtenbrief selbst an die zahlreichen und schmerzhaften Kontroversen, die Risse in der Kirche und fordert zugleich „höchste Sensibilität“.

Es stehe außer Frage, dass dem Papst die freie Ernennung der Bischöfe zukomme. Weder wünsche man sich die Zeiten zurück, als der Kaiser die Bischöfe in Österreich ernannt habe, noch würde eine „Volkswahl“ der Bischöfe Konflikte und Parteiungen vermeiden. Das im Kirchenrecht vorgesehene Verfahren habe sich bewährt, „wenn dieses Verfahren auch wirklich eingehalten wird“.

Im Anschluss an die Sondersitzung räumte Kardinal Schönborn vor der Presse ein, dass bei der Ernennung Wagners durch ein „verkürztes“ Verfahren der Bischofsauswahl Fehler passiert seien. Für die in den nächsten Jahren anstehenden Bischofsernennungen würden die Gläubigen, so der Kardinal, mit Recht erwarten, „dass das Verfahren der Kandidatensuche, die Prüfung der Vorschläge und die letzte Entscheidung sorgfältig und mit pastoralem Gespür vorgenommen werden“. Dadurch könne sicher gestellt werden, dass Bischöfe nicht gegen, sondern für eine Ortskirche ernannt würden.

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