BuchbesprechungWir sehen uns im Himmel?

Leben nach dem Tod – das christliche Heilsversprechen klingt in unserer Zeit so fremd wie nie. Ein neues Buch wagt einen genaueren Blick.

Es gibt wohl keine Glaubenswahrheit, die bewusstseinsferner ist als die Auferstehung der Toten und die Vollendung ihrer Existenz bei Gott im „Himmel“. Das ist nicht nur von der auf das Sichtbare und Beweisbare konzentrierten Mentalität her verständlich, die unsere Zeit prägt, sondern hat auch historische Gründe. Das späte Mittelalter lehrte die Gläubigen, die Welt zu verachten und sich ganz auf das ewige Leben bei Gott vorzubereiten. Dass dann in der Neuzeit die Welt mit ihren Schönheiten und Chancen in den Mittelpunkt des Denkens und Fühlens rückte, ist nicht verwunderlich. Und wenn Karl Marx im 19. Jahrhundert die Vertröstung auf das Jenseits als Opium sah, das die Menschen veranlassen sollte, ihre Not und Ausbeutung hinzunehmen, dann wurde der Himmel zu einer Illusion, die es zu überwinden galt.

Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse eine Abhandlung über den Himmel zu schreiben, ist zweifellos ein waghalsiges Unternehmen. Zumal es einen „Gegenstand“ betrifft, der sich als Glaubensgeheimnis rationaler Erörterung entzieht. Das betont auch der Autor des vorliegenden Bandes, der Dogmatiker Georg Kraus. Was lässt sich dann aber über die „letzten Dinge“, die Eschatologie, mit guten Gründen sagen? Zunächst macht Kraus deutlich, dass die gegenwärtige Dogmatik einen christozentrischen und ganzheitlichen Ansatz vertritt, wie Auferstehung im Tod zu verstehen ist. Sie betrifft den ganzen Menschen und ist „die volle personale und endgültige Begegnung mit Gott“. Dem biblischen und traditionellen Verständnis von Gericht, Läuterung (Fegfeuer), Hölle und Himmel werden die Grundansätze heutiger Theologie gegenübergestellt.

Um sich der überirdischen, göttlichen Wirklichkeit von Auferstehung und Himmel anzunähern, geht Kraus von der Sehnsucht als anthropologischem existentiellen Wesenszug aus: In der Sehnsucht nach Geborgenheit, Glück, Freiheit und Liebe will der Mensch über sich hinaus und strebt nach der Vollendung dessen, was er in seiner irdischen Existenz nur ansatzweise erleben kann. Das gilt auch für die Suche nach einem Leben über den Tod hinaus. Die Liebe will den Tod nicht als Grenze akzeptieren.

Kraus entfaltet sodann die von Gott erhoffte erfüllte Sehnsucht vom biblischen Befund und der Reich-Gottes-Botschaft Jesu her. Auch die biblischen Bilder der Verheißung ewigen Lebens wie Festmahl, Wohnung oder Schau Gottes werden untersucht. Im abschließenden Kapitel behandelt das Buch systematisch die Vorstellungen des Himmels als erfüllte Sehnsucht, als Fülle des Lebens, der Liebe, des Lichts, der Freiheit, des Friedens und der Freude.

Man mag den Versuch des Autors, sich dem eigentlich Unsagbaren anzunähern, für mehr oder weniger gelungen halten. Verdienstvoll ist auf jeden Fall, dass Kraus mit herkömmlichen dogmatischen „Erklärungen“, besonders zu Fegfeuer und Hölle, aufräumt und den Blick auf den liebenden und barmherzigen Gott freiräumt. Ein ausführliches Literaturverzeichnis zur Eschatologie seit 1970 ist für eine weitere Vertiefung in die Thematik hilfreich.

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Kraus, Georg

echter-Verlag, Würzburg 2025 136 Seiten, 19,90 €