Rezensionen: Politik & Gesellschaft

Eppler, Erhard: Trump. Und was tun wir? Der Antipolitiker und die Würde des Politischen. Bonn: J.H.W. Dietz Nachf. 2018. 128 S. Kt. 12,90.

Seit mehr als fünf Jahrzehnten ist Erhard Eppler (*1926) einer der einflussreichsten Programmatiker der deutschen Sozialdemokratie. Nicht erst seit seinem Rückzug aus der offiziellen Politik in den 90er-Jahren widmet er sich dem Schreiben. Als 1992 „Kavalleriepferde beim Hornsignal. Die Krise der Politik im Spiegel der Sprache“ erschien, verortete Siegfried Unseld den Autor in der Tradition von Böll, Grass und Johnson: „Eppler stellt sich als Aufgabe [...], unsere Freiheit wie auch unsere Gebundenheit gegenüber der Sprache wieder bewusst zu machen, eine Sprache zu finden, die den Gefahren, die drohen, angemessen ist.“ Auch in seinem neuesten Buch, in dem er publizistisch auf der Höhe des Diskurses in eine höchst aktuelle Debatte eingreift, wird Erhard Eppler dieser Verortung gerecht.

Das Buch trägt zwar den Namen Trump im Titel, doch um Trump geht es in diesem Essay nicht ausschließlich, sondern vielmehr steht der Name für ein Phänomen: die Tendenz, Politik durch eine radikale, nationalistisch gefärbte Marktlogik zu ersetzen. War der Neoliberalismus – so der Autor – ursprünglich eine Wirtschaftstheorie neben anderen, so habe er sich inzwischen zum Marktradikalismus verschärft und in Donald Trump mit einem Nationalismus („America first“) verbunden und drohe damit zu einer Gefahr zu werden. Was darüber hinaus den Marktradikalismus mit dem ökonomischen Nationalismus verbinde sei der entfesselte Egoismus, die Rücksichtslosigkeit. So bestehe die Gefahr, dass dieser „America-first-Nationalismus“, von der Weltmacht Nr. 1 konsequent exekutiert, durchaus den Weltfrieden gefährden könne. Trump habe im Wahlkampf versprochen, den „Sumpf in Washington auszutrocknen“. Das sei insofern paradox, weil er selbst zu den Superreichen gehöre und weil er vor allem auch Millionäre in sein Kabinett berufen und Wallstreet-Banker mit Posten betraut habe.

Offensichtlich, so Eppler, seien die demokratischen Institutionen der USA nicht in der Lage, einen „selbstverliebten Größenwahnsinnigen“ wie Donald Trump zu zähmen oder abzusetzen. Recht habe bei ihm der Stärkere. Politik sei für diesen „Frankenstein des Neoliberalismus“ (so die amerikanische Politologin Wendy Brown) ein Schimpfwort. Die Kanzlerin, (die noch vor wenigen Jahren äußerte, die Demokratie müsse „marktfähig“ gemacht werden), erklärte jüngst, nun müssten wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen. Was das praktisch bedeute, sage sie nicht. Hier knüpft Eppler an. Für ihn ist demokratische Politik kein „Game“, – ein Begriff des Havard-Professors Thomas Patterson –, auch kein „Deal“, sondern ein hohes Gut. Der Autor will uns wachrütteln mit einem Plädoyer für die Würde der Politik, die durch nichts zu ersetzen ist. Denn eine Gesellschaft, in der der Markt die Politik ersetze, stehe im Widerspruch zur Demokratie. In den Medien gehe es nicht mehr um Sachfragen, sondern um Machtkämpfe, Umfrageergebnisse haben den Status von Bundesligatabellen – das Publikum soll Spaß haben. Die postfaktische Rhetorik habe das Ziel, Emotionen zu erzeugen, die stärker wirken als alle Fakten. Darin erkennt Eppler „eine Methode zur Abschaffung der Demokratie“. Darüber hinaus zerstöre Verachtung den gesellschaftlichen Frieden und Zusammenhalt. Was wir brauchen sei dagegen politischer Mut und einen Schub hin zur Politisierung und einen demokratischen Aufbruch. „Die Bundesrepublik ist in eine Verantwortung hineingewachsen, die sie nicht gewollt hat. Sie muss dieser Verantwortung gerecht werden. Unsere Gesellschaft muss politisch wach werden.“ Denn: Wenn in den USA solche Kräfte am Werke seien, denen man eine Führungsrolle auf dem Erdball nicht wünschen könne, müsse sich Europa auf eine eigenständigere Rolle vorbereiten und sich rascher als vielleicht vorgesehen zusammenschließen, um durch eigene Initiativen Europa zu einem Kontinent des Friedens zu machen. Dazu müsse Europa aber auch sein Verhältnis zu Russland regeln, ohne an einem Tag ängstlich nach Washington, am anderen Tag nach Moskau zu schielen; dies sei keine verantwortliche europäische Politik.

In der Trump-Ära wird die Politik wohl endgültig der Marktlogik unterworfen. Wie damit umgehen? Dieser Frage stellt sich Erhard Eppler, in dessen Leben über die Jahre viel politische Erfahrung zusammengekommen ist, und der sich bis in die jüngste Zeit immer wieder zu politischen Tagesfragen geäußert hat.

Wolfgang Brinkel

 

 

Fisch, Andreas / Ueberbach, Myriam / Patenge, Prisca / Ritter, Dominik (Hgg.): Zuflucht. Zusammenleben. Zugehörigkeit. Kontroversen der Migrations- und Integrationspolitik interdisziplinär beleuchtet (Forum Sozialethik 18). Münster: Aschendorff 22018 (2017). 461 S. Kt. 24,80.

Innerhalb von nur acht Monaten war die erste Auflage des Sammelbandes zu den drei „Z“ – „Zuflucht, Zusammenleben, Zugehörigkeit“ vergriffen. Für eine Aufsatzsammlung jüngerer Wissenschaftler eher ungewöhnlich. Aber das zeigt die Bedeutung des Themas. Das Werk fällt nicht nur wegen seines großen Umfangs, sondern vor allem wegen der zahlreichen Aspekte und den multidisziplinär gestalteten Zugängen auf. Das Kapitel Flucht unterscheidet zwischen Zugangsmöglichkeiten für Geflüchtete nach Deutschland und Gründen für Fluchtbewegungen. In der Spannung zwischen den Interessen der Schutzsuchenden und denen der aufnehmenden Staaten verpflichten sowohl moralphilosophische wie menschenrechtliche Gründe, Geflüchtete aufzunehmen. Die Beiträge zu den komplexen Zusammenhängen der Entwicklungszusammenarbeit und die europäische Verantwortung in Afrika zeigen die Ambivalenz der Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und äußern Kritik am engen Zusammenhang von Migrationseindämmung und entwicklungspolitischen Maßnahmen. Jenseits inhaltlicher Einlassungen steht die Beschreibung der Entstehung einer Krise „als Produkt der Eigenlogik massenmedialer Berichterstattung“, verbunden mit der Mahnung zu erhöhter Aufmerksamkeit wegen des Einflusses der Medien auf die gesellschaftliche Realität.

Bemerkenswert ist eine Befragung unter Geflüchteten nach ihren Bedürfnissen. Die Ergebnisse erlauben, Integrationsangebote zu machen, die die Befähigung befördern und zusammen mit und nicht über die Köpfe der Geflüchteten hinweg gestaltet werden. Sonst oft nur am Rande behandelt wird hier auch die Bedeutung der Religion für den Integrationsprozess und ihr Potential für säkulare Gesellschaften hervorgehoben. Ebenso nicht gescheut werden sensible Themen wie die Kriminalität und Verdrängungseffekte auf dem Arbeitsmarkt.

Die Ziele von Integration, die unter den Stichworten „gesellschaftlicher Zusammenhalt“, „Zugehörigkeit“ und „Identität“ behandelt werden, sind in der gesellschaftlichen Diskussion hoch umstritten, besonders wenn Erfahrungen von Migranten mit der gesellschaftlichen Realität konfrontiert werden. Die Auseinandersetzung mit Begriffen wie Verfassungspatriotismus und Leitkultur bietet Anregungen, die in der Aufforderung zu Fairness und Gelassenheit münden.

Bereichernd ist ein Streitgespräch zwischen den Theologen Andreas Fisch und Axel Bernd Kunze. Geschickt hinter einzelnen Themenkomplexen eingeschoben bieten die vertiefenden Fragen die Chance, dass die Beiträge nicht unwidersprochen präsentiert, sondern Kontroversen ausgetragen und teilweise von akademischen Höhen in die Niederungen der politischen Alltagsdebatte geführt werden. In diesem Schlagabtausch sind populistische Anklänge und provokative bis grenzwertige Formulierungen nicht ausgespart.

Das Dilemma zwischen ethischen Ansprüchen und politisch Machbarem reflektieren die Herausgeber unter der bezeichnenden Überschrift „Ethisch gefordert, politisch unmöglich“. Um dennoch Fortschritte zu erzielen, setzen sie auf vorübergehend geminderte Ansprüche, denen sie mit Hilfe einflussreicher Akteure und einer breiten Bewusstseinsbildung näherzukommen hoffen.

Insgesamt ist ein anregender Band entstanden, der einen großen Rahmen spannt. Er schließt die Debatte nicht ab, sondern lädt ein, einzelne Thesen und Befunde zu vertiefen, weiter zu erforschen und intensiv zu diskutieren. So ist das Buch bestens für die wissenschaftliche und politische Diskussion geeignet. Es ist erfreulich, dass bereits eine zweite Auflage erschienen ist.

               Karlies Abmeier

 

 

Stubenrauch, Bertram / Vletsis, Athanasios / Nüssel, Friederike / Huber, Michael (Hgg.):
500 Jahre Reformation. Wo steht die Ökumene? (Beiträge aus dem Zentrum für ökumenische Forschung München 6). Münster: LIT 2017. 386 S. Kt. 34,90.

Sammelband ist nicht gleich Sammelband. Das weiß jeder, der einmal voller Erwartung auf einen kreativen Meinungsaustausch eine Aufsatzsammlung aufgeschlagen hat und resigniert feststellen musste, dass die Beiträge zwar dem gleichen Thema zuzuordnen waren, aber eher eine lockere Ansammlung, statt eine inhaltlich durchgängige Auseinandersetzung mit der Materie.

Das hier besprochene Opus jedenfalls gehört nicht zur eben beschriebenen Gruppe der „Ansammlungs“-Bände. Entstanden aus einer interkonfessionellen Vortragsreihe der drei Theologien der LMU München und des ebendort ansässigen Zentrums für ökumenische Forschung im Vorfeld des Reformationsjubiläums, äußern sich jeweils drei Autoren zu einem gemeinsamen heißen Eisen der Ökumene. Diese strittigen Themen der Ökumene – im vorliegenden Band wurden zehn ausgewählt – decken fast alle theologischen Disziplinen ab. Von Fragen zur lehramtlichen Autorität bis zur Stellung der Laien behandeln Systematiker, Historiker und praktische Theologen hier alles, was in der Ökumene dasteht, aussteht oder leider stehen geblieben ist. Auch populäre Themen wie der „Streitfall Ehe“ oder der Lebensschutz bekommen eine Beleuchtung durch katholisches, protestantisches und orthodoxes Licht.

Die gute Methodik und der leichte Zugang zu den Texten sind sicherlich ihrer Genese als Vortragsbeiträge zu verdanken. Der Leser bekommt die konfessionellen Positionen, immer in den großen Zusammenhang der Kirchentrennung eingebettet, von bunter Autorenschaft – mehr als 25 wissenschaftliche Mitarbeiter ebenso wie emeritierte Hochschullehrer geben sich im Werk die Themen „in die Hand“ – mund- und zielgruppengerecht serviert.

Allenfalls ein Glossar wäre beim Umfang des Buches wünschenswert gewesen. Dieser Mangel wird aber durch eine ausführliche Einleitung mit Schlaglichtern auf jedem Beitrag ausreichend ausgeglichen.

               Dominik Baumgartner

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