In schwierigen Situationen
Ein junger Mann erzählte mir, wie es ihn beeindruckte, dass sein Vater, ein Bauer, vor schwierigen Situationen immer spontan gesagt hat: „In Gottes Namen“. Wenn eine Kuh kalbte, packte er entschlossen zu mit dem Satz: „In Gottes Namen“. Alles, was er tat, tat er in Gottes Namen. Der hl. Augustinus nennt diese Art des Betens „Schussgebet“. In Situationen, die einen sonst belasten würden, schießt man ein Gebet hinein, das die Situation gleichsam entschärft.
Bewusst reagieren
Diese Art des Stoßgebetes hat der hl. Benedikt in seiner Regel beschrieben. Wenn ein Mönch in schwierige Situationen gerät, soll er sich ein Wort aus der Heiligen Schrift vorsagen. Wenn ihn alles überfordert und er das Gefühl hat, sein Leben nicht mehr zu schaffen, soll er sich etwa sagen: „Dein Herz sei stark und halte den Herrn aus.“ (RB 7,37–Ps 27,14) Die Kunst dieser Gebetsmethode besteht darin, seinem Ärger oder seinem Selbstmitleid oder seinen aggressiven Gefühlen nicht freien Lauf zu lassen, sondern bewusst auf jede Situation mit einem Wort aus der Heiligen Schrift zu reagieren.
In Berührung mit dem Vertrauen
Die spätere Tradition hat daraus die Übung des Stoßgebetes entwickelt: Ich reagiere mit einem Gebetswort auf die alltäglichen Widerfahrnisse, auf Missverständnis und Ärger, auf Konflikte und Spannungen. Das verwandelt die Angst, bringt uns mitten in der Angst in Berührung mit dem Vertrauen, das schon auf dem Grund unserer Seele vorhanden ist, von dem wir aber oft abgeschnitten sind. Man macht damit das Störende unwirksam. Wie das wirken kann, erzählte mir Georg, ein junger Mann, den seine Freundin verlassen hatte. Er erging sich in Selbstmitleid, bis er auf einmal voller Kraft diesen depressiven Gedanken das Wort entgegenschleuderte: „Im Namen des hl. Georg: Raus!“ Das befreite ihn von seinem Selbstmitleid.
Mut, etwas anzupacken
Bei alten Mitbrüdern habe ich die Übung des Stoßgebetes oft beobachtet. Sie haben nicht nur den Tag „In Gottes Namen“ angefangen, sondern bei vielen Situationen des Alltags gebetet: „Herr, hilf!“ oder „Gott segne meine Arbeit!“. Manche haben spontan ausgerufen: „Jesus, Maria, Joseph“. Was sie damit zum Ausdruck brachten, war ihr Vertrauen, dass sie jetzt nicht allein sind, dass Jesus ihnen beisteht und auch Maria, die mütterliche Frau. Damit kam in das Graue des Alltags etwas Zärtliches hinein. Und in der Anrufung des Joseph kam das Tatkräftige zum Ausdruck. Es waren oft einfache Handwerker, die sich mit diesem Stoßgebet Mut gemacht haben, das, was anstand, in die Hand zu nehmen und die Arbeit anzupacken.
Spontane Verbindung zu Gott
Man spricht so ein Stoßgebet jedoch nicht nur in schwierigen Situationen. Spontan rufen wir bei etwas, was geglückt ist, aus: „Gott sei Dank“. Wir haben den Eindruck, dass das Gelingen nicht unser Verdienst ist. Wir geben es an Gott weiter. Wenn uns etwas tief berührt, rufen wir aus: „O Gott!“ Oft es ist nur ein unbewusstes Ausrufen. Aber es ist doch ein Weg, unseren konkreten Alltag in Verbindung zu bringen mit Gott.