Beichten

Als ich einmal zu einer Frau ging, der ich regelmäßig beichte, ließ ich mich in den Sessel fallen, atmete tief durch, sie schaute mich an, verstand, und sagte: „Fangen Sie an. Hier riskieren Sie nichts.“ Was für ein Satz. Hat sich eingehakt in meine Seele. Beichte heißt: Ich darf alles zeigen. Die Tür aufmachen. MICH zeigen. Dieser Satz ist seither für mich der Schlüsselsatz der Beichte. Ich sage ihn zu den Menschen, die bei mir was loswerden. „Lassen Sie raus, hier riskieren Sie nichts.“ Keinen Ehekrach. Keinen Erziehungsfehler. Keinen schiefen Blick vom Chef. Keine Befremdung der Freundin. Zeig dich hier mit allem, was in dir ist. „Hier“ heißt in dem Fall nicht „bei mir, der Pfarrerin“ oder „hier in meinem Amtszimmer“, sondern „hier bei Gott“.

Als Martin Luther gefragt wurde, was die Grundbedingung der Beichte ist, schrieb er schlicht: dass dich was drückt. Ganz einfach. Die Beichte ergibt nur Sinn, wenn du fühlst, dass dein Gewissen, deine Seele, dein Herz etwas – in alter Sprache – bekennen will. Die Beichte kann nicht erzwungen werden, sie kann dir nicht auferlegt werden, sie hat da ihren Ort, wo du risikofrei was vor Gott bringen willst, damit er es nimmt.

Und sie wirkt dann heilsam und befreiend, wo du glaubst, dass eine andere Kraft als deine eigene dir den Weg frei macht, aufzustehen und weiterzugehen. Deshalb liebe ich auch die Absolution. Mit Handauflegen und Lossprechung, mit Segen und Gebet. Denn das, was da passiert, das passiert nicht zwischen zwei Menschen, sondern zwischen Mensch und Gott. Und die, die losspricht, das bin nicht ich, sondern Gott. Als Pfarrerin kann ich es nur erbitten und weitersagen. Als Beichtende kann ich es nur empfangen und dankbar annehmen. „Fides apprehensiva“ hat Luther diesen dankbaren Glauben genannt: Ja, Gott, nimm den Shit, die Tränen, den Schmerz. Nimm und lass mich weitermachen. Besser als vorher oder jedenfalls nicht schlechter oder wenigstens im Glauben, dass du mich annimmst, auffängst, hältst.

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