Was genau tut eigentlich die Kongregation für die Evangelisierung der Völker, die früher Congregatio de Propaganda Fide hieß? Dass das hierzulande kaum bekannt ist, dürfte auch daran liegen, dass man als mitteleuropäischer Katholik von den Bemühungen der Kongregation nicht betroffen ist. Vielen ist deshalb nicht klar, wie mächtig sie ist – und wie mächtig Kardinal Luis Antonio Tagle zukünftig sein wird. Papst Franziskus hat ihn am 8. Dezember zum Präfekten der Kongregation ernannt.
Die Kongregation koordiniert die weltweiten Missionsbemühungen der katholischen Kirche. Sie besitzt direkte kirchliche Jurisdiktion über diejenigen Gebiete auf der Welt, in denen es noch keine voll funktionierende kirchliche Hierarchie gibt, also noch keine Bistümer mit Ortsbischof. Doch auch nach ihrer Erhebung zur Diözese verbleiben viele Gebiete in den vormaligen Missionsgebieten unter ihrer Zuständigkeit. Im Jahr 2016 unterstanden der Kongregation 186 Erzbistümer, 785 Bistümer, 82 Apostolische Vikariate, 39 Apostolische Präfekturen, vier Apostolische Administrationen, sechs Missionen, eine Territorialabtei und sechs Militärordinariate. Für die Ernennung der kirchlichen Oberen in diesen Gebieten ist nicht die Bischofskongregation zuständig, sondern die Kongregation für die Evangelisierung der Völker unter ihrem neuen Leiter, Kardinal Tagle.
Dieser hat damit nicht nur Einfluss auf die kirchliche Personalpolitik in vielen Teilen der Welt – er verfügt auch über beträchtliche Finanzmittel. Zur Kongregation gehören vier weltweit agierende Hilfswerke (deren deutsche Filialen sind: missio Aachen, missio München sowie die Sternsinger). Auch hat die Behörde einen legendären Immobilienbesitz. Ihr Präfekt wird darum nicht umsonst der „rote Papst“ genannt.
Der 1957 geborene Tagle wurde 2011 zum Erzbischof von Manila ernannt. 2012 machte ihn Benedikt XVI. – noch kurz vor seinem Rücktritt vom Papstamt – zum Kardinal.
2014 erschien eines seiner Bücher, eine Vortragssammlung, erstmals auf Deutsch – übersetzt vom Journalisten Markus Günther, dem heutigen Kommunikationsdirektor des Erzbistums Köln. In seinem Nachwort schreibt Günther, der philippinische Kardinal trete nicht „für Positionen ein, sondern für seinen Glauben“. Die Themen, „die auf der deutschkatholischen Reformagenda ganz oben stehen“, erwähne er nicht einmal. Das mag auch mit dem völlig anderen religionssoziologischen Kontext auf den Philippinen zu tun haben: Tagle erzählt in seinen Büchern viele Anekdoten von frommen Menschen, deren kindliche Verehrung für Priester und Bischöfe er sanft abwehren muss.
In der Presse war zuletzt zu lesen, die philippinischen Bischöfe hätten sich nach „Amoris Laetitia“ unter Tagles Leitung für eine sehr weitreichende Regelung zur Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene entschieden. In der heutigen Debattenlage ist das in der Tat ein wichtiger kirchenpolitischer Indikator. Doch auch hier ist der Kontext entscheidend. Es gibt auf den Philippinen gar keine Ehescheidung. leven@herder.de