Kinderkirche - 1

„Hey, Gott!“, rufe ich, als ich Gott gedankenverloren über den Münsterplatz schlendern sehe. Gott sieht zu mir herüber und steuert auf mich zu. „Schön dich zu sehen“, sag ich.
„Dich auch“, sagt Gott und setzt sich neben mich auf die Brunnenstufen.
„Du warst in Gedanken“, sag ich.
„Ja“, sagt Gott. „Ich hab ein paar Kindern in der Kirche zugehört und die stellen echt gute Fragen.“
„Worum ging es denn?“, frag ich.
„Um mich und die Dinos“, sagt Gott. „Ob es mich schon gab, als es die Dinos gab, und ob die gewusst hätten, dass es mich gibt.“
„Ach“, sag ich. „Und?“
„Guter Versuch“, sagt Gott. „Aber gute Frage, vor allem wenn man statt ‚Dinos‘ nach Bienen fragt, oder nach Regenwürmern. Ob die wissen, dass ich da bin.“
„Ja“, sag ich. „Und wenn man fragt, was ‚wissen‘ da heißt. Die Kinder wissen ja auch viel, auf ihre Art.“
„Das stimmt“, sagt Gott. „Kinder wissen sogar sehr viel. Worauf es ankommt, zum Beispiel.“
„Dann bist du bestimmt gern in der Kinderkirche“, sag ich.
„Oh ja“, sagt Gott. „Sehr gern. Bei den Kindern ist das Evangelium in guten Händen.“
„Aber ich glaub, das Kreuz ist kein gutes Thema für Kinderseelen“, sag ich.
„Da ist was dran“, sagt Gott. „Kinder sollten keine Hinrichtungen sehen. Aber die Geschichten vom Leben und Teilen, die sind für alle was, und die Kinder verstehen sie besonders gut.“
„Das magst du“, sag ich.
„Ja“, sagt Gott. „Aber nicht nur, weil ich es bei ihnen leichter habe. Auch wenn das zugegeben auch mal nett ist. Also dass sie wissen, dass ich da bin und so.“
„Womit wir wieder bei der Frage nach den Dinos und den Regenwürmern wären“, sag ich.
„Es gibt nichts Neues unter der Sonne“, sagt Gott und steht auf.
„Das hast du schön gesagt“, sag ich.
„Ja, ne?“, sagt Gott. „Habs mal gut, man sieht sich.“
„Hab du es auch gut“, sag ich. „Bis bald mal wieder.“ Und Amen.

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