Mit einem Festakt in Breslau haben die Deutsche und die Polnische Bischofskonferenz das 60-Jahr-Jubiläum des Briefes der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder gewürdigt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, nannte das Schreiben der polnischen Bischöfe eine „Sternstunde der Kirchengeschichte“. Der darauf folgende Prozess der Aussöhnung beider Völker sei „überaus erfolgreich“ gewesen. „Das erreichte Maß an guter Nachbarschaft und Normalität sollten wir nicht gering schätzen – denn es stellt ein geschichtliches Wunder dar, nach all den Jahrhunderten der Feindschaft und Okkupation.“ Gleichzeitig sollte man die guten Beziehungen beider Länder nicht einfach als gegeben hinnehmen. „Ich bin überzeugt, Polen und Deutschland brauchen einander und sie werden gebraucht“, so Bätzing. „In vielerlei Hinsicht, vor allem aber für den Aufbau eines Europa, das für uns alle ein Garant von Frieden, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit sein soll.“
Für die polnischen Bischöfe sprach der Vorsitzende der Bischofskonferenz Tadeusz Wojda von einer „visionären Geste“, die eine „gewaltige moralische Kraft“ in sich trage. Sie sei ihrer Zeit voraus gewesen und habe den „Nährboden für die künftige Einheit Europas“ gelegt. Die Kirchen beider Nationen hätten den Mut gehabt, die Sprache des Evangeliums und nicht der Politik zu sprechen. „Sie verleugnet Vergangenheit nicht, sondern heilt sie“, sagte Wojda. „Sie fordert keine Rache, sondern öffnet die Tür zu Vergebung und Brüderlichkeit.“
In einer gemeinsamen Erklärung warnten die Vertreter beider Bischofskonferenzen vor „politischen Spielen mit den historischen Verletzungen“. Allerdings spielten konkrete Forderungen, etwa nach Reparationszahlungen, im Umfeld des Festakts keine Rolle. „Wir möchten die Zusammenarbeit betonen, dass wir eine gemeinsame Zukunft gestalten“, sagte Wojda auf eine entsprechende Journalistenfrage. Und Bätzing pflichtete ihm bei: „Der gemeinsame Weg nach vorne ist das, was Zukunft gestaltet, und die gemeinsame Verantwortung für ein geeintes Europa, das ist das, was uns verbindet.“
Kurz vor der 1000-Jahr-Feier der Christianisierung Polens hatten die polnischen Bischöfe, darunter der spätere Papst Johannes Paul II., am Rande des Zweiten Vatikanischen Konzils am 18. November 1965 mit dem berühmten Satz „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ zur Versöhnung zwischen den beiden Völkern aufgerufen. Mit einem Antwortschreiben gingen die deutschen Bischöfe darauf ein. Zusammen mit der Ostdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland bildete der katholische Briefwechsel eine der wichtigsten Grundlagen für die Aussöhnung beider Völker nach dem Dritten Reich. Benjamin Lassiwe