Kirche und FinanzenKommentar: Kirche ohne "Staat"

Braucht der Vatikan eine Bank? Braucht die Kirche den Vatikan? Mit einer Kirche ohne "Staat" wären unsere Antwortversuche wohl glaubwürdiger.

Schließen oder reformieren? Vor dieser Frage steht Papst Franziskus nach den neuesten Affären rund um die Vatikanbank, genauer: um das „Institut für die Religiösen Werke“ (Instituto per le Opere di Religio­ne). Als der Vatikanprälat Nunzio Scarano beim Versuch, einen Teil von insgesamt zwanzig Millionen Euro an den Steuerbehörden vorbei in die Schweiz zu schaffen, erwischt und wegen Korruptionsverdachts festgenommen worden war, versuchte der Vatikan noch, Zweifel bezüglich der Verbindung zu seiner Bank zu streuen. Da musste es wie ein Eingeständnis wirken, als just an dem Tag, an dem Scarano dem Haftrichter vorgeführt wurde, der Direktor der Vatikanbank und sein Stellvertreter entlassen wurden. Dabei stehen die erzwungenen Rücktritte in einer Linie von Reformen, die bereits Papst Benedikt XVI. angestoßen hatte. Die alte Führung passte nicht mehr zu einem Kurs, der die Bank von Parteienfinanzierung, Geldwäsche und Korruption weg zu den internationalen Transparenzregeln für Finanzgeschäfte führen will. Dass nun eine Kommission im Auftrag von Papst Franziskus prüfen soll, ob die Arbeit der Vatikanbank mit dem geistlichen Auftrag der Kirche in Einklang steht, wirkt da noch radikaler.

Aber geht dieser Auftrag wirklich an die Wurzel (lat: radix)? Es stellt sich ja nicht nur die Frage, ob der Vatikan eine Bank braucht, sondern ob die Kirche den Vatikanstaat benötigt. Mit dem Jesus zugeschriebenen Wort: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36) wurde verhindert, die demokratischen und rechtsstaatlichen Errungenschaften der vergangenen Jahrhunderte auf die Kirche und sogar auf den weltlichen „Staat der Vatikanstadt“ zu übertragen. Stattdessen nutzen klerikale Seilschaften die Wahlmonarchie seit jeher für ihre höchst weltlichen Interessen. Intransparente Regierungsführung, ein fragwürdiges Rechtssystem ohne Gewaltenteilung haben nicht nur in den Medien den Eindruck hinterlassen, dass es sich um einen Hofstaat jenseits aller für „Normale“ geltenden Gesetze handelt.

Dass auch im demokratisch verfassten Rechtsstaat nicht alles Gold ist, was glänzt, rechtfertigt es nicht, in monarchistisch-feudalen Strukturen zu ver­harren. Auch diese sind menschengemacht und wurden einst auf die Glaubensgemeinschaft übertragen, weil es den damals vor allem weltlich mächtigen Kirchenführern in ihr Konzept passte. Eine Kirche ohne eigenen (Hof-)Staat verlöre keineswegs ihre Unabhängigkeit. Im Gegenteil: Eine solche Entweltlichung würde der Kirchenleitung erst die Freiräume eröffnen, um auf die drängenden (Glaubens-)Fragen der Menschen zu antworten (vgl. S. 315). Wie können wir als Bürger und Getaufte in einer sich ständig weiterentwickelnden Welt und Kirche Christsein leben? Mit einer Kirche ohne „Staat“ wären unsere Antwortversuche wohl glaubwürdiger.

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