Ein Deutscher soll nach den Sternen GreifenHinauf zum Mond – zurück zur Erde

Warum wir nach oben schauen, und unten gebraucht werden. Felix Evers ist fasziniert von der Ankündigung einer europäischen Mondmission, verweist aber theologisch darauf: Gottes Weg führt abwärts.

Pünktlich zur Adventszeit hat die europäische Weltraumorganisation ESA mitgeteilt, dass ein Deutscher an einer Mondmission im Rahmen des von den USA betriebenen „Artemis“-Programms teilnehmen wird. „Ich habe entschieden, dass die ersten Europäer, die bei einer Mondmission mitfliegen werden, Astronauten deutscher, französischer und italienischer Nationalität sein werden“, verkündete ESA-Chef Josef Aschbacher, am Thanksgiving-Donnerstag. Ich saß am 12. April 1981, dem 20. Jahrestag des ersten Raumflugs Juri Gagarins, gebannt vor dem Fernseher, um Joachim Bublath zu lauschen, wie er in meiner damaligen Lieblingssendung Aus Forschung und Technik den Start des ersten wiederverwendbaren Raumfahrzeugs der Welt erklärte. Welches Kind will nicht Astronaut werden?

Sursum corda – „Erhebet die Herzen“, heißt es zu Beginn jeder Präfation. Wörtlich bedeutet das „hinauf“, „in die Höhe“ oder „ins obere Stockwerk“. In der Adventszeit gehen bekanntlich alle Blicke nach oben. Wenn es unten zu erlösungsbedürftig wird, erfleht der Mensch Hilfe von oben: „Tauet, ihr Himmel, den Gerechten; Wolken, regnet ihn herab!“ Friedrich Spee dichtete im Dreißigjährigen Krieg: „O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf!“ Unten sind die engen Luftschutzbunker, oben ist das weite Himmelszelt. Enge führt nicht nur sprachlich zur Angst um sich selbst, Weite hingegen führt zum Leben in Fülle.

Nicht umsonst schaut die Hauptfigur im hinreißenden Film Life of Chuck, der auf Stephen Kings Kurzgeschichte basiert (vgl. CIG Nr. 31, S. 7), hinauf zu den Sternen, bevor ihn eine Sternschnuppe zum Tanz des Lebens ermuntert. Kurz zuvor hatte eine Lehrerin dem Schüler zugesagt, dass sein Kopf – in Anlehnung an Walt Whitmans Gedicht – „Vielheiten“ (multitudes) enthalte. In seinem Gehirn befinde sich ein ganzes Universum mit all seinem Wissen und den ihm bekannten Personen. Was für eine Parabel in Zeiten multipler Krisen, Kriege und Zukunftsängste! Diese Frohbotschaft beflügelt, lässt tanzen, taucht das himmlische Sternenzelt und das irdische Tal der Alltagssorgen in ein Hoffnungslicht – dem Licht aus Bethlehem gleich.

Wenn es auf der Erdoberfläche zu ungemütlich wird, greift der Mensch nach den Sternen. Sein Schöpfer hingegen wählt den umgekehrten Weg: JHWH ruht am siebten Tag unten, schlägt sein Zelt (tabernaculum) mitten unter den geliebten Geschöpfen auf und findet die Grabesruhe am Karsamstag in der Unterwelt, hinabgestiegen zu den Himmelfernsten. In der Krippe liegt der Schöpfer aller Ding, niedrig und gering. Gottes Karriereleiter führt abwärts, nicht hinauf: „Was schaut ihr nach oben?“ Nachfolge gibt es nicht für einen Hanns Guck-in-die-Luft, sondern für diejenigen, die anderen die Füße waschen. Wer den Weltraum als Fluchtort sucht, wird vom Schöpfer zur Erde zurückgeschickt, um Licht in die Dunkelheit, Hoffnung in die Trauer und Leben in den Tod zu bringen.

Als Liebhaber der Weltraumfahrt freue ich mich auf den ersten Deutschen auf dem Mond. Nächtelang kann ich das Sternenmeer am Himmelszelt genießen. Doch am Ende jeder dunklen Nacht schubst Gott mich behutsam hinein in die Nöte und Bedrängnisse der Mitmenschen hier und jetzt – „irdisch habe ich dich gewollt“ (Wilhelm Nyssen).

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