Starke Roswitha

Gandersheim erinnert an "seine" Roswitha aus dem 10. Jahrhundert. Dass bei der ersten deutschen Dichterin die "weibliche Schwachheit" über die männliche Verrohung siegte, empfanden Nachgeborene als zu starkes Stück.

Starke Roswitha
© Christian Heidrich

In Seesen, dem „Fenster zum Harz“, regnet es an diesem Dienstagmorgen, und ich kehre in einem Café, das sich der „Brotkultur“ und der „Kaffeekunst“ verschrieben hat, in Gedanken nach Bad Gandersheim zurück. Der Kurort stellt gerne Roswitha von Gandersheim (etwa 935 bis 980) als ihre Kulturträgerin heraus. Eine Stiftsdame, die als die erste deutsche Dichterin gilt - wenngleich sie ihre Werke in lateinischer Sprache verfasste. Roswitha, eigentlich Hrotsvit, sind die Domfestspiele gewidmet, in ihrem Namen wird ein Literaturpreis verliehen, es gibt Führungen „auf Roswithas Spuren“ (freilich ist historisch kaum etwas von der gebildeten Dame und Verehrerin Ottos I. bekannt) und manche Hinweise im Stadtbild, so der Brunnen, der die Übergabe ihrer Werke an den Kaiser darstellt.

Bemerkenswert an Roswithas literarischem Schaffen ist ihr Versuch, die Stoffe des römischen Komödiendichters Terenz (um 190-159 v.Chr.) zu verchristlichen. Terenz wurde in jenen Jahren in hohen Kreisen gerne gelesen, wohl auch der Schlüpfrigkeiten wegen. Roswitha nahm das Heitere und Frivole auf, um es in der tugendhaften, der christlichen Moral aufzulösen. Das Dunkle, so ihre Maxime, müsse als Folie für das Gute dargestellt werden. Dabei „entdeckte“ die Dichterin die starke Frau. Die „weibliche Schwachheit“ triumphiert bei ihr stets über die männliche Verrohung. Eine starke Frau war sie offensichtlich selbst. Zu stark für manche späteren Interpreten, die ein „solches“ Werk einer Frau aus dem zehnten Jahrhundert nicht zutrauten.

Die Sonne schafft den Durchbruch doch noch. Ich wandere in den Harz hinein.
Am Rande: Das unheimliche „Alles gut!“ (auch gerne als rhethorische Frage genommen) setzt seinen Siegeszug weiterhin fort.
Die Phrase der Saison ist freilich „Gerne!“, beziehungsweise „Sehr gerne!“ Kaum eine Dienstleistung in einer Bäckerei oder im Café, bei der sie nicht verwendet wird. Harmlos natürlich und gut, die rasante Verbreitung aber lässt sich nicht anders als „viral“ bezeichnet. Auch dies ein Modewort, aus dem Umfeld des Internets.
Über die unzähligen „Info's“ und „Baguette's“ lässt sich nicht einmal mehr spotten.
Die armen Kassiererinnen in den Supermärkten müssen jetzt nicht nur „Treuepunkte“ und sonstige „Aktionen“ anpreisen, sie haben jetzt auch zu fragen, ob „Alles in Ordnung“ gewesen sei. In welchen Büros denkt man sich so etwas aus?

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