Eine neue Kita einrichtenMit Kompetenz und Weitblick zu einem bedürfnisorientierten Raumkonzept

Wie können Räume bestmöglich gestaltet werden, wenn eine Kita neu eingerichtet wird? Schließlich geht es um Bedarfe, Regeln und Befindlichkeiten von Kindern und Kolleg*innen gleichermaßen. Leitungen, die ein Raumkonzept entwickeln, stehen mitunter vor großen Herausforderungen. Doch die Aufgabe ist nicht unlösbar.

Eine neue Kita einrichten
© Margit Franz

Pädagogisch durchdachte Raumkonzepte unterstützen Erzieher*innen bei der Umsetzung des gesetzlichen Auftrags zu Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern. Krippen und Kindergärten müssen den unterschiedlichen Bedürfnissen von Kindern und Erwachsenen gerecht werden und zugleich gesetzliche Auflagen wie etwa Vorschriften zu Brand-, Hygiene- und Arbeitsschutz erfüllen. Kitas sind nicht nur ein Haus für Kinder, sondern auch Arbeitsort von Erzieher*innen und Hauswirtschaftskräften sowie Ausbildungsstätte für pädagogischen Nachwuchs. In Zeiten steigenden Fachkräftemangels gewinnt die Attraktivität von Arbeitsplätzen an Bedeutung. So ist nachvollziehbar, dass Bewerber*innen bei ihrer Entscheidung Einrichtungen mit ansprechendem Raumkonzept, ergonomischen Arbeitsplätzen, angenehmen Aufenthaltsräumen und ausreichend Parkplätzen (für Autos wie Fahrräder) den Vorzug geben.

Konzeptionelle Klarheit und pädagogische Vision sind richtungsweisend 

Gute Pädagogik beginnt mit der Frage: Wie müssen Haus und Räume gestaltet sein, um eine pädagogische Vision und Konzeption am besten umzusetzen? Gebäudestruktur, Raumprogramm und Ausstattung einer Kita orientieren sich an der Zahl der Gruppen, der Alters- und Bedürfnisstruktur der Kinder und eben auch am pädagogischen Handlungskonzept: Natur-, Kneipp-, Montessori-, Waldorf-, Freinet- oder Reggio-Kindergarten, Pikler-Krippe, Infans oder Situationsansatz – jeder pädagogische Ansatz hat eigene Schwerpunkte, Ziele und Ideen, die sich in der Raumgestaltung widerspiegeln. Eine Kita, in der offen und mit Funktionsräumen gearbeitet wird, benötigt ein anderes Raumkonzept als eine mit gruppenbezogenem Konzept und Multifunktionsräumen. Eine Leitung, die über das pädagogische Handlungskonzept hinaus eine Vision hat, durch die die Einrichtung zu einem besonderen Haus wird, gibt dieser Idee – wortwörtlich – auch Raum.

Weitblick hilft, Ressourcen nachhaltig einzusetzen

Wie viele Kinder tragen noch Windeln und entdecken ihre Ausscheidungsautonomie? Wie viele Kinder benötigen Ruhezeiten und regelmäßig Mittagsschlaf – gerade wenn sich das Betreuungsalter nach unten und die Betreuungszeiten nach oben ausweiten? Welche Bedarfe zeichnen sich für die Zukunft ab? Wie hoch ist die Zahl der Kinder mit behinderungsbedingtem Mehrbedarf einzuschätzen? Besteht die Option, die Kita zum Familienzentrum auszubauen? Fachkräfte, studentische (Aus-)Hilfskräfte, Hauswirtschaftskräfte, Auszubildende, FSJ’ler*innen, Praktikant*innen, zunehmend in Teilzeit arbeitende Personen – wie groß wird das Team sein? Wie werden sich die Zahlen entwickeln – Tendenz steigend oder fallend? Solche Fragen stehen stellvertretend für viele weitere Aspekte, die es in der Raumplanung zu berücksichtigen gilt. Denn Raumkonzepte sollen nicht nur den heutigen, sondern auch künftigen Anforderungen gerecht werden. Insofern ist zu prüfen, ob die Räume einer neuen, flexiblen Nutzung zugeführt werden könnten. Und damit die Frage, ob Inventar bei Bedarf auch anderen Zwecken dienen kann. Ein Auswahlkriterium für Mobiliar sollte daher der Aspekt der Multifunktionalität und vielfältiger Einsetzbarkeit sein (höhenverstellbare Tische, kombinierbare Tischformen, erweiterbare Einbau- und Schrankwände für jede Raumfunktion).

Ein zweites Kriterium ergibt sich aus der Frage, wie ästhetisch, funktional und zeitlos ein Möbelstück ist. Unterliegt es einem Modetrend oder hat es das Potenzial zum Klassiker? Eine vom Schreiner individuell gefertigte Schrankwand oder zweite Raumebene ist im Vergleich zu Katalogangeboten meist teurer, dafür aber langlebiger. Die Erfahrung zeigt, dass der Kauf preiswerter Möbel das Budget nur kurzfristig entlastet. „Wer billig kauft, kauft zweimal!“ Dieser Satz bewahrheitet sich vielerorts. Aufgrund von Sparzwängen werden Neuanschaffungen in billigen Möbelhäusern getätigt, was sich später als Flop erweist

Ein drittes Kriterium ist die Nachhaltigkeit: Sind Materialien und Mobiliar aus nachwachsenden Rohstoffen, schadstofffrei, unter fairen Bedingungen produziert und die Transportwege kurz?

Als viertes Kriterium sollten Einrichtungen auf den Bezug zur Region, aber auch zu anderen Kulturen achten. Es ist bedauerlich, wenn eine Kita in Oberammergau aufgrund eines uniformen, langweiligen Raumprogramms genauso aussieht wie eine Kita in Köln oder Flensburg. Somit ist zu fragen, welche Materialien und Gegenstände regional typisch sind, welche Traditionen gepflegt werden und wie sich diese in der Raumgestaltung berücksichtigen lassen. Was spricht dagegen, in der „Vesperstube“ der Schwarzwälder Kita eine Kuckucksuhr oder in der „Kinnerstuuv“ der Krippe auf Wangerooge ein Bild mit Dünenlandschaft aufzuhängen?

Raumgestaltung ist eine Frage von Budget, Fachkompetenz und Orientierungsqualität

Die Raumgestaltung als sichtbare Pädagogik wirft Fragen auf: Wie sehen wir Kinder? Welches Bildungsverständnis haben wir? Wie leben wir Inklusion und Partizipation? Wie fördern wir gesunde Entwicklung, Autonomie und Selbstregulation bei Kindern? Doch Vorsicht: Was sich in der einen Einrichtung bewährt hat, kann sich in der anderen als pädagogisch unzureichend erweisen. „Werden einzelne Elemente oder komplette Raumkonzepte nur übernommen, ohne den tieferen pädagogischen Sinn und die damit verbundene Haltung verstanden zu haben, ist ein pädagogischer Mehrwert von Mobiliar, Ausstattungsgegenständen, Spielmaterialien kaum zu erwarten. Wenn sich ein Team jedoch intensiv mit der Philosophie eines pädagogischen Handlungskonzeptes beschäftigt und durchschaut hat, warum beispielsweise Reggio-Fachkräfte und Pikler-Pädagoginnen ihre Räume in einer besonderen Weise eingerichtet haben, kann es daraus einen hohen pädagogischen Gewinn erzielen“ (Franz 2018, S. 29). Räume und ihre Gestaltung lösen unterschiedliche Bildungserfahrungen bei Kindern aus. Sind diese so erwünscht und entsprechen der pädagogischen Überzeugung der Fachkräfte? Es ergibt kaum Sinn, einen Krippenraum mit Hockern (ohne Lehnen) oder einen Schlafraum mit Nestkörbchen auszustatten, wenn solche Möbel der eigenen Haltung widersprechen. Ein Hocker soll Kindern aktives Sitzen sowie die autonome Nutzung durch eigenständiges Hinsetzen und Aufstehen ermöglichen. Ein Nestkörbchen hilft Kindern, ihr Bedürfnis nach Rückzug und Schlafen selbst zu regulieren.

Ein fundiertes Raumkonzept beinhaltet alle für die Gestaltung relevanten Aspekte

Deshalb gehört dazu zwingend ein schlüssiges Raumnutzungskonzept, aus dem hervorgeht, welcher Raum (oder Bereich) für welche Funktion genutzt wird. Ausreichend zu berücksichtigen sind alle Bedürfnisse der Kinder in ihren Schlüsselsituationen und der Kita-Angestellten. Für jeden Raum ist ein Konzept erforderlich, das seine Gestaltung detailliert beschreibt und darstellt (Grundrissplanung). Neben dem Mobiliar gehören dazu Teppiche, Textilien (wie Vorhänge, Tischdecken und Bettwäsche), Leuchten, Dekorationsgegenstände und die Farbgestaltung. In den Räumen der Kinder wird zudem mitbedacht, welche Spiel- und Alltagsmaterialien den jüngeren und älteren Kindern zur Verfügung stehen sollen. Ein Raumkonzept darf eins aber nicht sein: Ausdruck der geschmacklichen Vorlieben von Leitung und/ oder Team. Kaum zum stimmigen Gesamtbild und zur Wohlfühlatmosphäre werden ein farbliches Wirrwarr, ein Sammelsurium an Möbeln und kitschige Deko beitragen. Die Leitung muss im Blick behalten, dass die Auswahl von Fußböden, Sanitäranlagen, Leuchten, Türen, Mobiliar sowie deren Farbigkeit und Material eine Festlegung auf Jahrzehnte und somit für Generationen von Kindern, Eltern und Fachkräften sein dürfte. Wertvolle Impulse gibt das Prinzip „Weniger ist mehr!“, dessen Mehrwert sich aus Eigenschaften wie zeitlos, schlicht, ästhetisch, wertig und nachhaltig ergibt. Doch auch wenn die Leitung das ganze Haus und die Bedürfnisse aller Beteiligten im Blick hat und ein Konzept nach diesen vier Kriterien entwickelt, so sind die Erzieher*innen keinesfalls unbeteiligt, wenn es um die Erarbeitung des Raumkonzepts und das gedankliche wie praktische Einrichten der Räume geht. Im Gegenteil: Die Leitung gestaltet und moderiert diesen konzeptionellen Entwicklungsprozess. Dabei helfen Fachliteratur und Filme ebenso wie der Austausch mit anderen Einrichtungen, Besichtigungen und Hospitationen. Fachliche Beratung oder Prozessbegleitung kann zudem durch dritte Personen wie Fachreferent*innen, Expert*innen und Farbgestalter*innen zum Thema „Raumgestaltung“ erfolgen. Das fertige Raumkonzept stellt die Leitung den Planungs-, Budget- und Entscheidungsverantwortlichen überzeugend vor. Aber Achtung: Subjektive Erklärungen wie „meine Erzieher*innen wünschen sich“, „ich hätte gern“ und „wir fänden schön, wenn“ entbehren jeglicher Fachlichkeit und werden von Entscheidungsträger*innen und Planer*innen erfahrungsgemäß nicht ernst genommen oder sogar belächelt.

Qualitativ hochwertige Raumkonzepte sind Ergebnis interdisziplinärer Zusammenarbeit

Sollen Räume nicht nur funktional und ästhetisch gestaltet sein, bedarf es des konstruktiven Zusammenwirkens von Personen verschiedener Professionen. Fachlich diskutiert wird die Planung des Neubaus oder Sanierung/Erweiterung im Bestand interdisziplinär zwischen Leitung, Fachberatung, Fachkräften, Träger, (Innen-)Architekt*innen, Farbgestalter*innen und Handwerker*innen. Der pädagogische Blick allein reicht nicht aus, wenn es etwa um die akustische und farbliche Gestaltung der Räume oder um Beleuchtung und klimatische Verhältnisse geht. Umgekehrt muss die architektonisch-planerische Sichtweise um die pädagogische erweitert werden. Indem die Leitung Schlüsselsituationen wie Ankommen, Essen, Pflege, Schlafen sowie damit verbundene Qualitätsstandards und Herausforderungen anschaulich macht, haben die Planungsverantwortlichen die Aufgabe, hierfür räumliche Lösungen zu entwickeln. Eine Kernarbeitsgruppe bestehend aus Leitung, stellvertretender Leitung, Erzieher*in, Fachberatung, Trägervertreter*in und Architekt*in tagt regelmäßig, informiert sich untereinander, nutzt gemeinsame Exkursionen und lädt weitere Fachpersonen mit entsprechender Expertise ein. Insbesondere regional agierende Fachberatungen sowie überregional tätige Fortbildner*innen/Fachreferent*innen verfügen über diese Expertise und einen guten Überblick über exzellente Einrichtungen, die es lohnt, sich anzuschauen. Wie wirkt eine bestimmte Bodenfarbe auf großer Fläche oder eine bestimmte Wandfarbe und Wandflächengestaltung? Was trägt zur Wohlfühl-Atmosphäre bei? Was hat sich in der Praxis bewährt? Was sind teure Fehlinvestitionen? Auf was sollte geachtet, was sollte vermieden werden?

Hospitationen und Exkursionen sind für die Erarbeitung des Konzepts gewinnbringend

Empfohlen sind Besichtigungen anderer Einrichtungen und Gespräche mit Leitungen sowie Fachkräften, um von deren Erfahrungen und Wissen zu profitieren. Dabei können Fehlplanungen und Fehlinvestitionen anderer auch als Negativbeispiel dienen. Manches verlockende Katalogangebot erweist sich im Kita-Alltag als autonomieverhindernd, unergonomisch oder sogar gefährlich. Wenn die Möglichkeit besteht, in einer Hospitations- oder Kooperationseinrichtung beispielsweise einen Kinderhocker oder ein Nestkörbchen auszuleihen, sollte das unbedingt genutzt werden. So kann Mobiliar getestet werden, bevor es gekauft wird: Wie bewährt es sich und wie wird es von den Kindern angenommen? Bereitet die Leitung mit dem Team inhaltlich eine Exkursion vor, sollten im Zuge dessen auch ein Kriterienkatalog sowie Fragen und Beobachtungsaufträge erarbeitet werden. Aber jede Hospitation muss auch gut nachbereitet werden, indem die Ergebnisse reflektiert, diskutiert und für das eigene Raumkonzept genutzt werden.

Raumgestaltung ist eine große Chance mit vielen Herausforderungen

Die Entwicklung eines einrichtungsspezifischen Raumkonzepts ist eine komplexe Aufgabe, die Chancen, aber auch Herausforderungen in sich birgt. Leitungskräfte sollten sich die Kita nicht von anderen einrichten lassen, sondern möglichst viel selbst in die Hand nehmen, sich einmischen und sich kundig machen. In diesem Prozess bleibt es nicht aus, sich mit dem Anliegen „Raumkonzept“ bei Trägern, Fachberatung, Architekt*innen auch mal unbeliebt zu machen. Wichtig ist es, stets nach Möglichkeiten statt nach Hindernissen zu suchen, und auch den Mut zu unkonventionellen Lösungen aufzubringen. Hierfür brauchen Leitung wie Team neben eigenen Visionen und kreativen Ideen auch die Motivation, sich immer wieder auf den Weg zu machen.

Materialien bestellen, bemustern und ausmustern

Welche Materialien und Farben tragen zu einer wohltuenden Komposition und harmonischen Raumatmosphäre bei? Lassen Sie sich Muster von Teppichen, Stoffen, Farben sowie von Kleinmöbeln (beispielsweise Stühlen und Hockern) oder vom Geschirr zusenden. Besorgen Sie sich einen Farbfächer und großformatige Farbmusterkarten, um ein Gefühl für geeignete Wandfarben zu entwickeln. Beachten Sie, dass das Licht (natürliches Licht zu verschiedenen Tageszeiten, künstliches Licht) ein entscheidender Faktor ist und Farben immer wieder anders aussehen lässt.

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