Der Soziologe Detlef Pollack hat sich über einschlägige Fachkreise hinaus durch seine substanziellen Beiträge zur Religionssoziologie einen Namen gemacht. In seinem neuen Buch greift er jetzt über sein engeres Fachgebiet hinaus und befasst sich in einem Rundumschlag mit der Moderne insgesamt, wobei der Aspekt Religion nur eine Nebenrolle spielt. Ihm ist dabei auf knappem Raum eine Analyse der für unsere Gegenwart prägenden Moderne mit ihren Ambivalenzen gelungen, die in thesenhafter Zuspitzung die Dinge überzeugend auf den Punkt bringt, ohne ungebührlich zu vereinfachen.
Er behandelt nacheinander den zeitlichen Horizont der Moderne, ihre Sachdimension sowie ihre soziale Dimension. Dabei ist er durchgehend darum bemüht, die Errungenschaften der Moderne gegen grundsätzliche Kritik zu verteidigen, ohne ihre Schattenseiten auszublenden. In der Moderne, so einer seiner Leitsätze, gebe es keine höchsten Werte, auf die man sich berufen könne, keine Letztgewissheiten und unbestreitbaren Wahrheiten, keine Grundlagensicherheit und auch keine Tabus: „Wohl aber gibt es ein schier unerschöpfliches Modifikations- und Variationspotenzial, das moderne Gesellschaften zwar nicht vor Fehlern schützt, aber davor bewahren kann, sich in sie zu verbeißen.“ Moderne Gesellschaften seien auf das persönliche Investment der Individuen angewiesen. Gleichzeitig könnten die Individuen die Ordnungsstrukturen der Moderne erweitern, gelegentlich sogar sprengen.
Im letzten Teil des Buchs geht es Pollack um gegenwärtig besonders spürbare Bedrohungen der Moderne, die militärischen Bedrohungen, die Klimakrise und den zunehmenden Rechtspopulismus. Solange die Wirtschaftskraft des Westens hoch sei, das Rechtssystem funktioniere und es in der Zivilgesellschaft starke Kräfte zugunsten der Demokratie gebe, werde es möglich sein, den Rechtspopulismus und andere Gegner des Westens in Schach zu halten. Aber die explosive Kraft der Individuen könne auch destruktive Potenziale entfalten. Pollack erinnert abschließend an die großen Erwartungen, mit denen die westliche Moderne gestartet sei und die sich durch die eingetretenen Enttäuschungen nicht austreiben ließen.