Krieg im Nahen OstenForderungen eines Unpolitischen

Papst Franziskus ruft im Gaza-Krieg zu Frieden auf – ohne Position zu beziehen. Kann das gut gehen?

Isabel Barragán
Isabel Barragán, freie Journalistin© privat

Nicht alle Palästinenser im Gazastreifen sind Muslime. Seit 2007 bilden Christen die größte religiöse Minderheit. Ihre Zahl ging seit dem Beginn des Kriegs 2023 um mehr als zwölf Prozent zurück und liegt heute noch bei 650 Menschen. Auch in Israel liegt ihr Anteil an der Bevölkerung bei nur zwei Prozent – ohne Gastarbeiter. Die politischen Einflussmöglichkeiten bleiben damit verschwindend gering. Sollten Christen im Krieg aber überhaupt eine politische Rolle einnehmen?

Papst Franziskus rief in diesen Tagen erneut zum Waffenstillstand und zu Friedensverhandlungen in Nahost auf – aus der Position eines neutralen Vermittlers: Beim Mittagsgebet zu Mariä Himmelfahrt forderte er, dass „Waffen an allen Fronten schweigen, dass die Geiseln freigelassen werden und dass der leidenden Bevölkerung geholfen wird“. Schon Ende 2023 geriet Franziskus wiederholt in Kritik, weil er, so der Vorwurf, nicht eindeutig Position beziehe. Kirchenhistoriker Hubert Wolf etwa kritisierte, der Papst hätte „sagen müssen, dass [die Angegriffenen] nach der katholischen Tradition – der Lehre vom gerechten Krieg – ein Recht haben, sich mit Waffen zu verteidigen“.

Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, warnte zu Recht davor, Religion auf ein politisches Mittel zu reduzieren. Die Aufgabe des Heiligen Stuhls sei es nicht, im Krieg in Gaza zu vermitteln. Er könne aber „die Bedingungen und Kontexte schaffen, damit eine Vermittlung stattfinden kann“. Auch der Jerusalemer Benedktiner-Abt Nikodemus Schnabel betonte im Gespräch mit der „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“, Christen könnten in diesem Krieg keine Vermittlerposition einnehmen.

Christliche Minderheiten vor Ort nehmen den Krieg in Gaza verschieden wahr: Sie leben verteilt über die Regionen, in unterschiedlichen Konfessionen. Katholiken nehmen dabei nur einen geringen Teil ein: Laut israelischer Botschaft gehören etwa 85 Prozent aller Christen in Israel orthodoxen Kirchen an. 78 Prozent aller Christen definieren sich als arabische Christen. Das Katholische Hilfswerk „Kirche in Not" berichtet, auch palästinensische Christen würden in Israel zunehmend bedroht. Im Gaza-Krieg stehen sich Christen im Kampf sogar teilweise gegenüber: Einige Katholiken dienen in der israelischen Armee. Der Krieg in Gaza forderte allerdings auch dutzende Menschenleben in christlichen Gemeinden.

Im Gaza-Krieg geraten palästinensische Christen zwischen die Fronten. Dem Papst bleibt deshalb selbst aus politischer Sicht wenig anderes übrig, als zu Frieden und Einheit aufzurufen – gemeinsam mit anderen christlichen Vertretern – auch um den grenzübergreifenden Dialog zwischen Christen nicht zu gefährden.

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