Friedrich Merz dürfte beim Konklave Trost finden. Das letzte Konklave im Jahr 2013 brauchte fünf Wahlgänge, bis der Primas von Argentinien zum Bischof von Rom ausgerufen werden konnte. Außerdem passierte eine Panne, wie die Franziskus-Biografin Elisabetta Piqué überliefert, sodass es eigentlich sechs Wahlgänge waren, da irgendwer doppelt abgegeben hatte und plötzlich 116 Stimmzettel in der Urne steckten, obwohl nur 115 Kardinäle anwesend waren. Auch seien die Kirchenmänner aufgrund der einfachen Mahlzeiten mit der Zeit offenbar grantig geworden.
Die Mailänder Zeitung Corriere della Sera lästerte damals, dass die Speisen schlecht gewesen sein sollen. Die Suppen, Spaghetti, Fleischbällchen und das gekochte Gemüse, die die beherzten Schwestern aus der Casa Santa Marta zubereiteten, hätten "wie Essen, das im Krankenhaus serviert wird" geschmeckt.
Allerdings darf man hinzufügen, dass bei einigen Gerichten, etwa während der Fastenzeit in kirchlich geführten Mensen, die Tugend der Einfachheit und das Laster der Ungenießbarkeit sich gelegentlich die Hand reichen. (Sagt man: Infruibilitas?)
Adoration und Gustation
Der Archäologe Generoso Urciuoli und die Leiterin des ägyptischen Museums in Turin Marta Berogno klärten jedenfalls die biblischen Leerstellen zum Menü- und Sitzplan beim Letzten Abendmahl für die hungrige Christenheit: Als der Herr mit seinen Jüngern ein letztes Mal speiste, da verzehrte man wohl absolut koscher aus römischer Tafelkeramik Fischsuppe, Bohneneintopf, Bitterkräuter, Matzen, Datteln, Oliven, gesüßten Wein und Lamm. Die Runde saß auf Kissen, nicht an einem langen Tisch, wie später die Maler fantasierten.
Vielleicht sollte die Geschichte der Papstwahl mit den Menüplänen beginnen. Der Dichter und Renaissanceforscher Tobias Roth aus München veröffentlichte unlängst zusammen mit Moritz Rauchhaus eine Kulturgeschichte in Menükarten. Aus dieser gastronomischen Anthologie lässt sich die Sitten- und Milieugeschichte der Mutter Kirche ergänzen. Die Herausgeber führen etwa einen Speiseplan der Bamberger Domherrn um 1200 an: "So lange sie beisammensitzen, erfreuen sie sich an großen Mengen Fleisch, aber wenig Frischem. Von Zitronen, frischem Braten, selbst von Gewürzen finden wir hier keine Spur." Während in reicheren Gebieten Klosterküchen Fasan und Pfau servieren, findet sich in Bamberg Trockenfleisch vom Schaf oder Schwein auf den Tellern, Eintopf, Pasteten und Innereien, sommers Kuttelfleck, winters Mägen.
Am Markustag am 25. April 1468 veranstaltet der frisch gewählte Papst Paul II. zu Ehren des venezianischen Stadtpatrons, wie Roth und Rauchhaus notieren, ein Frühstück: Aufgetischt wird Konfekt, Mandeln, die Zuckerwaffeln Nebula, Süßigkeiten aus Pinienkernen mit Blattgold überzogen, sowie Ravioli mit Marzipanfüllung – abgerundet wohl mit einem Fluchtachterl Muskateller.
Kölner Dom und Speisung der beiden Astronauten auf dem Mond
Die Menükarte zum Bankett zur Vollendung des Kölner Doms wirkt, wie die Herausgeber anmerken, handgeschrieben: historisch "nach allen Regeln der mittelalterlichen Textproduktion mit Blattgold und roten Initialen versehen, um die ersten Bauherren des Doms mitanzusprechen." Etwa tausend Teilnehmer finden sich im Kölner Festsaal Gürzenich ein. Was folgt, ist ein Gelage, das den Dichter Agathon hätte erröten lassen: Kaviar auf venezianischem Salat, dazu Gold Sherry. Anschließend feines Fleisch in Muscheln, dazu Braueberger 1876 oder St. Estèphe 1875. Weiter mit Steinbutt mit Erdschwämmen, Schinken in Madeira, Fasanen auf Sauerkraut, Erbsen mit Zunge und geräucherter Lachs. Schließlich Gänselebern mit Trüffeln, getrüffelte Kapaune, Rehziemer und eingemachtes Obst sowie Seekrebse, dazu Château Margaux Grand Vin 1865 und Steinberger Cabinet 1868. Abgerundet mit Eis, Früchten, Kaffee – und Champagner.
Die erste Speisung auf dem Mond am 20. Juli 1969 im Übrigen fiel einfacher aus. Im Mare Tranquillitatis servierten sich die Astronauten Speckstücke, Pfirsiche, Zuckerkekswürfel, dazu Ananas-Grapefruit-Saft und Kaffee. Bitte keine boshaften Amerikaner-Witze jetzt.
Um es kurz zu machen: Vielleicht wäre es ratsam gewesen, für dieses Konklave die innigen Schwestern aus der Casa Santa Marta etwas zu entlasten und sich bei dieser Papstwahl von den mannigfaltigen Gaumenfreunden am zweimalgebogenen Tiber inspirieren zu lassen.