Künstliche Intelligenz: Nur ein intelligenter Termitenhaufen? Bei den gegenwärtigen technischen Entwicklungen handelt sich um nicht weniger als die vierte Kränkung der Menschheit. Sind wir darauf vorbereitet? Von Johannes Lorenz 5.1.2025, Berichte / 1 Kommentar Diesen Artikel jetzt lesen! Im Abo Ihr Plus: Zugriff auch auf alle anderen Artikel im Abo-Bereich 4 Hefte + 4 Hefte digital 0,00 € danach 71,50 € für 26 Ausgaben pro Halbjahr + Digitalzugang inkl. MwSt., zzgl. 24,70 € Versand (D) 4 Hefte digital 0,00 € danach 65,00 € für 26 Ausgaben pro Halbjahr im Digitalzugang inkl. MwSt., Im Abo Im Digital-Abo Abo testen Digital-Abo testen Sie haben ein Abonnement? Anmelden Teilen Teilen Whatsapp Mailen Überschrift Artikel-Infos Autor Johannes Lorenz Johannes Lorenz, geb. 1986, Dr. theol., arbeitet als Studienleiter für Theologie und Philosophie im Frankfurter Haus am Dom. Als Beauftragter des Bistums Limburg ist er als Berater für den Bereich Weltanschauungen und neue religiöse Bewegungen zuständig. Auch interessant Gratis 7/2025 S. 2 Elon Musk und Künstliche Intelligenz: Der neue Imperialismus Von Simon Lukas Gratis 39/2024 S. 7 Vom Ende der Endlichkeit: Was sagt man einem Toten? Von Simon Lukas Gratis 37/2024 S. 2 Welttag der sozialen Kommunikationsmitte: Wenn Maschinen sich verrechnen Von Simon Lukas Diskussion Kommentieren 1 Kommentar Von Michael Bächle am 23.05.2025 Mit seinem Beitrag "Nur ein intelligenter Termitenhaufen?" in Christ in der Gegenwart 1/2025 berührt Johannes Lorenz eine theologisch und gesellschaftlich brisante Debatte: Die Einführung generativer KI wie ChatGPT markiert, so Lorenz, die "vierte große Kränkung der Menschheit" nach Kopernikus, Darwin und Freud. Die Tatsache, dass Maschinen heute Texte verfassen können, die sprachlich ansprechend, strukturiert und argumentativ überzeugend sind, stellt insbesondere im Bereich der Verkündigung eine Herausforderung dar. Ich schreibe diesen Beitrag als Ständiger Diakon im Zivilberuf und zugleich als Professor für Wirtschaftsinformatik/Data Science & KI. Ich nutze ChatGPT und andere generative KI-Tools regelmäßig in meiner Arbeit, auch in der Predigtvorbereitung – nicht als Ersatz, sondern als konstruktives und inspirierendes Werkzeug. Meine Erfahrungen sind durchweg positiv: Die KI hilft mir in der Predigtvorbereitung, Perspektiven zu erweitern, Argumentationslinien zu schärfen und sprachliche Klarheit zu gewinnen. Aus dieser doppelten Perspektive – geistlich und technisch – sehe ich großes Potenzial und warne eindringlich davor, den Anschluss zu verpassen. Denn wieder einmal droht die Kirche, den Zug einer gesellschaftlichen Transformation zu versäumen. Wie schon beim Aufkommen des Internets und später der sozialen Medien reagieren wir oft zu zögerlich, zu abwehrend, zu skeptisch. Die Konsequenz: Wir befinden uns noch immer in einem aufholenden Lernprozess – anstatt aktiv auf Augenhöhe mitzugestalten. Diese Chance dürfen wir uns im Umgang mit KI nicht erneut entgehen lassen, wenn wir zu den Menschen gehen wollen. 1. These: Die geistliche Gefahr des KI-Einsatzes Die Predigt ist im kirchlichen Selbstverständnis mehr als ein Textbeitrag. Sie ist Ausdruck des gelebten Glaubens, Frucht geistlicher Reifung und theologisch-pastoraler Verantwortung. Dass nun Maschinen Texte erstellen, die zumindest oberflächlich mit diesen Ansprüchen konkurrieren können, trifft einen wunden Punkt: die geistliche Exklusivität. Der Verkündigende fragt sich: "Bin ich als geistlich berufener Redner unersetzlich?" Und die Gemeinde fragt vielleicht: "Was unterscheidet diesen Text von einer algorithmischen Ausgabe?" Diese Irritation verweist auf ein tieferes Gefühl: eine narzisstische Kränkung. Die Möglichkeit, dass Maschinen etwas leisten, was bislang als genuin menschlich galt, erschüttert unser Selbstverständnis. In der Predigt wird dies besonders virulent, weil hier das "geistgewirkte Wort" als Zeichen personaler Inspiration gilt. Daraus ergibt sich die These: Der Einsatz generativer KI in der Predigtarbeit kann als geistliche Gefährdung empfunden werden – als Verlust von Authentizität, Tiefe und persönlicher Berufung. 2. Antithese: Die spirituelle Chance reflektierter Technikanwendung Dem steht jedoch eine ebenso begründete Gegenposition gegenüber. Die Kritik an KI in der Verkündigung ist oft moralisch aufgeladen: Von "geistlicher Fälschung" oder "Verlust der Authentizität" ist die Rede. Doch diese Vorwürfe setzen ein Verständnis voraus, das Technik als Subjekt versteht. In Wahrheit handelt es sich um ein Werkzeug – und dessen Ethik bemisst sich nicht an seiner Existenz, sondern an seinem Gebrauch. Ein predigender Mensch, der oder die sich mit Hilfe von ChatGPT Anregungen holt, theologische Argumente sortiert oder rhetorische Formulierungen schärft, handelt nicht notwendigerweise unethisch. Entscheidend ist, ob und wie dieser Mensch die Inhalte prüft, einordnet, überarbeitet und verantwortet. Die Predigt bleibt dann ein Akt geistlicher und menschlicher Kommunikation – nicht trotz, sondern durch reflektierte Techniknutzung. Im Grunde ist die Auseinandersetzung mit KI eine Wiederaufnahme alter Fragen: Als der Buchdruck Einzug hielt, als Predigthilfen erschienen, als Radio und Fernsehen die Kanzel erreichten, war der Aufschrei ähnlich. Immer ging es um die Sorge, dass geistliche Kommunikation entpersonalisiert werde. Doch wie damals gilt: Die Technik ist nicht der Gegner, sondern ein Spiegel der eigenen, menschlichen Verantwortung und Verhaltensweisen. 3. Synthese: Geistliche Medienmündigkeit statt Reaktionsverweigerung Die Nutzung generativer KI in der Predigtarbeit ist weder an sich unethisch noch harmlos. Sie fordert uns heraus, unsere Kriterien für geistliche Integrität zu überdenken und zu schärfen. Die eigentliche Gefahr liegt nicht in der Existenz smarter Maschinen, sondern im Verlust der Deutungskompetenz. Wo KI als Werkzeug eingesetzt wird, das unter der Leitung eines theologisch gebildeten, geistlich wachsamen Menschen steht, kann sie sogar zu einem Ort der Begegnung mit dem Wort Gottes werden. Nicht, weil sie es spricht. Sondern weil sie hilft, es besser zu verstehen. Ich habe beispielsweise selten exegetisch die Lesungstexte in der Predigtvorbereitung so gut durchdrungen, wie mit Hilfe der KI. Wohlgemerkt: "mit Hilfe". Bücher lesen hilft natürlich auch. Aber ich musste schon öfters feststellen, dass die generative KI da oftmals den besseren Überblick bietet als ich bis dato wusste. Vielleicht ist gerade das der nächste Schritt geistlicher Medienmündigkeit: die Technik nicht zu fürchten, sondern geistlich zu durchdringen. Die Kirche darf sich nicht ein zweites Mal aus digitalen Räumen zurückziehen, wie sie es beim Aufkommen des Webs und der sozialen Medien viel zu lange getan hat. Diesmal sollten wir nicht zögern, sondern gestalten. Denn man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass die generative KI uns als Kirche braucht. In ihrer Ausgestaltung, aber auch in ihrer Anwendung. Antworten Schreiben Sie eine Antwort Angemeldet kommentieren Als Gast kommentieren Anmeldung E-Mail * Passwort * Passwort vergessen? Angemeldet bleiben Anmelden Diese Angaben benötigen wir von Ihnen. Ihre E-Mail-Adresse zeigen wir nicht an. 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Johannes Lorenz Johannes Lorenz, geb. 1986, Dr. theol., arbeitet als Studienleiter für Theologie und Philosophie im Frankfurter Haus am Dom. Als Beauftragter des Bistums Limburg ist er als Berater für den Bereich Weltanschauungen und neue religiöse Bewegungen zuständig.
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