Monatsspruch im Juni 2025

Mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf.

(Apostelgeschichte 10,28)

Während des Besuches einer großen Kathedrale in Südfrankreich raunte eine ältere Dame ihrer Begleiterin zu: „Denen ist doch nichts mehr heilig!“
Ihr ausgestreckter Zeigefinger verwies auf ein junges Mädchen. Die war gerade damit beschäftigt, ein Licht anzuzünden am großen Kerzenständer für die kleinen Gebete. Das Mädchen trug ein sommerliches Kleid und darüber ein Oberteil mit Spaghettiträgern.
Die beiden Damen gingen kopfschüttelnd weiter. Sie bekamen so nicht mehr mit, dass das Mädchen kurz darauf zu einem älteren Mann ging, der still und in sich versunken auf einer Kirchenbank saß; sie sahen nicht mehr, wie sie sich neben ihn setzte, ihre Hände tröstend auf seine Hand und ihren Kopf an seine Schulter legte.
Ich stelle mir vor: Sie ist die Enkeltochter des Mannes und hat gerade ein Licht für die vor kurzem verstorbene Großmutter, seine Frau, angezündet, vielleicht sogar ein kleines Gebet für sie gesprochen. Nun sitzt sie neben ihrem Opa, um ihm in seiner Trauer nahe zu sein.
Das haben die beiden Damen nicht mehr gesehen. Sie sahen im Vorübergehen allein die sommerliche Kleidung des Mädchens in einer Kirche und bewerteten sie und ihre Generation auf den ersten Blick: Denen ist doch nichts mehr heilig.

Als Petrus zu Gast war im Haus des Kornelius, fielen die Worte dieses Monatsspruchs:
Mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf.
Petrus sprach diese Worte. Liest man die umliegenden Verse mit, wird schnell klar, worum es geht: Petrus besucht als Jude einen Nichtisraeliten. Darum klärt er beim Hereinkommen zuerst einmal ein Vorurteil seiner Zeit, das da heißt: Als Jude sollte ich mich eigentlich keinem Menschen anschließen, der nicht selbst Jude ist und schon gar nicht bei ihm einkehren. Dieses Vorurteil spiegelte sich auch schon bei den Besuchen Jesu im Haus von Zöllnern, in seinem Umgang mit Kranken und vom Leben Gezeichneten in den Blicken neugieriger und empörter Menschen, die ihn dorthin begleitet hatten: An so einem Ort, bei solchen Menschen einzukehren und mit ihnen Umgang zu pflegen, hieß ja, sich mit Sündern, Unheiligen, Unreinen „gemein“ zu machen. Ein altes Wort: sich gemein machen mit etwas. Das bedeutet ja: genauso sein wie die, mit denen ich mich abgebe, mich selbst beschmutzen und darüber unrein werden.
Es ist das alte Wort „gemein“ in dieser Bedeutung „sich gemein machen mit“, das Petrus damals im Hause des Kornelius tatsächlich gesprochen hat. So lehren uns die alten griechischen Texte. Die Einheitsübersetzung hat später ein „unheilig“ aus dem „gemein“ gemacht. Gemein ist allerdings beides, in jeder Hinsicht. Es beurteilt Menschen auf einen ersten, schnellen Blick und packt sie mit anderen in eine Schublade, auf dem mit großen Buchstaben „Vorurteile“ steht.
Petrus klärt das gleich zu Beginn seines Besuchs und betritt danach bewusst und entschlossen das Haus des Kornelius: Mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen gemein oder unrein nennen darf. Über die „angemessene“ Kleiderordnung in einem heiligen Gebäude oder zu bestimmten Anlässen kann man wohl streiten. Aber nicht über die Menschen, die einen solchen heiligen Raum aufsuchen. Ganz abgesehen davon, dass alle Menschen sich so kleiden mögen, wie es ihnen richtig und angenehm erscheint und mich und keine/n andere/n dies irgendetwas angeht, gibt uns eine alte biblische Schrift noch einen weiteren Hinweis gegen falsche Vorurteile an die Hand: Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an. (1. Samuel 16,7). Kein Mensch ist also „gemein“ und unrein. Oder jede/r ist es. Ich denke: Jeder Mensch ist einzigartig. Und trägt ihr und sein Herz auf seine einzigartige Weise zu Gott und den Menschen. Mal mehr, mal weniger umhüllt. Die beiden Damen genauso wie das Mädchen. 

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