Was kommt? Wie geht es weiter? Fragen, die besonders dann auftauchen, wenn es um Abschied geht. Abschied von Menschen, einem Lebensabschnitt, einer Situation. Oder wenn sonst gerade alles im Umbruch ist.
Jesu Jünger sind in einer Situation des Abschieds und des Umbruchs. Damals, als sie mit Jesus das Passahmahl hielten, am Vorabend der Gefangennahme Jesu. Eigentlich ein Festmahl. Doch die Stimmung ist gedrückt, spannungsgeladen. Etwas Fremdes, Bedrohliches liegt in der Luft. Jesus ist anders, konzentrierter, spricht bedeutende Worte. Eben hat er Petrus in dessen Übermut gebremst und seine baldige Verleugnung vorausgesagt. Dann ist Judas rausgegangen. Was er wohl vorhat?
Allein den Jünger Johannes scheint das alles nicht zu irritieren. Er ruht an der Brust Jesu, oder soll ich besser sagen an seinem Herzen? Ob er dort genauer hört, was Jesus innerlich bewegt? Hat er das aufgeschrieben? Zumindest enthält nur sein Evangelium die sogenannten Abschiedsreden Jesu. Aus ihnen ist der Predigttext.
(Lesung Johannes 14,15–19/20–23a/23b-27)
„Du schaffst das“, „Ich komme wieder“, „Da ist jemand, der dir hilft.“ Wenn Menschen weggehen, versuchen sie oft, die Zurückbleibenden mit solchen Worten zu trösten. Besonders, wenn der Abschied weh tut, die Angst und Unsicherheit vor dem, was kommt, groß ist.
Jesu Worte aus dem Predigttext sind solche tröstenden Worte. Sie treffen auf ein Wirrwarr von Gefühlen bei den Jüngern, auf Ängste und Unsicherheit, womöglich auch unausgesprochene Fragen: Wie soll das werden, wenn das Undenkbare geschieht und Jesus nicht mehr da ist? Wer wird uns so lieben und anleiten? Wem können wir unsere Fragen stellen? Wer bringt uns Gott nahe, den Vater, wie Jesus ihn nannte.
„Ihr schafft das“, „Ich komme wieder“, „Da ist jemand, der euch hilft.“ Jesu Worte drücken im Prinzip genau das aus, nur komplizierter, etwas verworren sogar. Aber das ist ja kein Wunder, geht es doch um das zukünftige Wirken Gottes bei den Jüngern, um das geheimnisvolle Miteinander von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Wie soll Jesus das beschreiben? Es ist, als ob er dafür immer wieder neu ansetzt, um Worte und Bilder ringt, um den vorzustellen, der den Jüngern von nun an zur Seite stehen soll: den Heiligen Geist, seinen Nachfolger und Vertreter. Dieser wird den Jüngern Helfer sein, Tröster, ein Geist der Wahrheit, Lehrer, Beistand und Fürsprecher. Durch ihn ist es sogar möglich, dass Jesus wieder bei seinen Jüngern sein wird, zusammen mit dem Vater: „Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen“, sagt Jesus (Johannes 14,23b; Luther 2017).
Für die Jünger zu Jesu Zeiten war das Kommen des Heiligen Geistes Verheißung, Zukunft. Für uns ist es Gegenwart.
Oft habe ich die Jünger beneidet, die damals Jesus sehen konnten, ihn berühren. Da muss Glaube doch leicht sein, dachte ich. Aber dieses Beisammensein war immer örtlich und zeitlich begrenzt. Wenn Jesus sich zum Beispiel zurückgezogen hatte, war er nicht bei seinen Jüngern. Das ist zu unserer Zeit anders. Die Beschränkung ist aufgehoben. „Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“ Durch den Heiligen Geist ist Jesus nicht mehr nur bei seinen Jüngern, sondern in ihnen, nicht nur bei mir, sondern in mir. Näher geht nicht. Das geht weit über mein Vorstellungsvermögen hinaus. Aber dieses Bild der Wohnung setzt eine Ahnung in mir frei: von der Innigkeit und Vertrautheit, mit der Gott mit mir verbunden sein will und mich sucht. Von seiner Liebe. Von seiner Sehnsucht nach mir. Er, der große Gott, in mir. Näher als ich mir selbst bin. Nie konnte Jesus vorher seinen Jüngern so nahe sein. Dies ist erst durch den Heiligen Geist möglich.
Ob das die Jünger damals verstanden haben? Verstehen wir das?
Erklärungen allein tun es nicht, es muss die Erfahrung dazu kommen. Die Apostelgeschichte ist voll davon. Da redet zum Beispiel Petrus frei und offen über Jesus. Dabei ist es gar nicht lange her, dass er sich gefürchtet hatte, als Anhänger Jesu erkannt zu werden. Jetzt sprudeln die Worte nur so aus seinem Inneren heraus, klar und ins Herz gehend. Und er tut es später auch unter Todesandrohung. Wie wäre das möglich ohne einen göttlichen Beistand, ohne den Heiligen Geist?
Und bei uns? Da könnte vermutlich jeder ganz eigene und persönliche Geschichten erzählen. Mal ist es ein guter Gedanke, der mir kommt, dann ist es die Liebe und der innere Friede, den ich erlebe. Manchmal spüre ich Gottes Nähe beim Gebet, in einer Kirche, in der Natur oder in der Begegnung mit anderen Menschen. Und überhaupt, wie könnte ich an Gott glauben und ihm vertrauen ohne den Heiligen Geist?
„Du schaffst das“, „Ich komme wieder“, „Da ist jemand, der dir hilft.“
Oder mit Jesu Worten: „Der Vater wird euch einen anderen Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit“ (Johannes 14,16; Luther 2017).
Ob nun in Abschieds- und Umbruchsituationen oder einfach in meinem Alltag: Der Heilige Geist ist gekommen und da, immer wieder auch spürbar: in mir, in dir, in unserer Gemeinschaft.
Heute am Pfingstfest feiern wir das.