Zur Geschichte des Fernstudiums katholischer TheologieVom Feldunterrichtsbrief zur Lernplattform

Von Unterrichtsbriefen für Soldaten bis hin zu einem multimedialen Fernstudium für Laien und Quereinsteigende: Die Geschichte theologischer Fernstudienangebote aus Würzburg erzählt von Krieg, Konzil und digitaler Gegenwart.

Ein Füller liegt auf einem beschriebenen Blatt Papier
© Unspplash

Fernstudium beziehungsweise Fernunterricht (die Begriffe werden meist synonym gebraucht) ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass Lehrende und Lernende „ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind“ (§ 1 FernUSG). Bis zur Etablierung von Videokonferenzen und Streaming war diese Trennung selbstverständlich auch zeitlich zu denken – und ist es oftmals bis heute. Daraus ergibt sich eine große Flexibilität in nahezu allen Bereichen des Studiums: Während es an der „klassischen“ Hochschule in der Regel einen klar vorgegebenen Studienverlauf, Lehre und Prüfungen zu festen Zeiten (Semester, Stundenplan, Prüfungstermine), an festen Orten und in meist festen Gruppen gibt, bietet das Format Fernstudium in vielen Fällen die Möglichkeit, weitgehend ortsunabhängig, asynchron und autonom zu studieren. Damit ist es auch „eine wichtige Alternative zu traditionellen Modellen des Wissenserwerbs auf allen Ebenen der Qualifizierung“ (Heinrich Dieckmann und Holger Zinn, Geschichte des Fernunterrichts, Bielefeld 2017, 9).

Aufgrund der besonderen Lehr-Lern-Situation kommt den Vermittlungsmedien im Fernstudium eine entscheidende Rolle zu. Während die meisten „klassischen“ Hochschulen häufig erst infolge der Corona-Pandemie digitale Lehr-Lern-Formen flächendeckend etablierten, war Fernstudium von Anfang an durch Distanzlehre und -lernen sowie die Entwicklung innovativer Lehr-Lern-Formen für das Selbststudium gekennzeichnet. Traditionell handelt es sich dabei um didaktisch besonders aufbereitete Lehr- oder Studienbriefe.

Digitales Lernen, traditionelle Bildungsideale

Da seit jeher „die Didaktik des Fernunterrichts und die Möglichkeiten der Technik eng miteinander verknüpft“ sind, werden seit etwa 20 Jahren digitale Technologien und damit auch das E-Learning immer bedeutender. Die technischen Innovationen eröffnen neue didaktische Möglichkeiten, mit deren Hilfe die Grundidee des Fernstudiums als größtenteils asynchrones, flexibles und autonomes Selbststudium in die heutige Zeit transportiert werden kann. Was das Hochschulforum Digitalisierung mit Blick auf die „klassischen“ Hochschulen formuliert hat, gilt daher umso mehr für den Fernstudienbereich: Digitale Lehre zielt „die Rückbesinnung auf wesentliche (…) Bildungsideale“ an, „die mit Unterstützung durch digitale Möglichkeiten in gelungene und zeitgemäße Lehrformate überführt werden sollen“ (Arbeitsgruppe DiF-Theologie: „Handreichung Theologie“. Arbeitspapier Nr. 71. Hochschulforum Digitalisierung, Berlin 2023, 14).

Der Fernstudienbereich ist heute äußerst breit aufgestellt. Dazu gehört das theologische Fernstudienangebot aus Würzburg. Dort besteht seit 1970 die Kirchliche Arbeitsstelle für Fernstudien Theologie im Fernkurs als Einrichtung mit deutschlandweitem Auftrag, dort findet sich aber auch schon gut 25 Jahre zuvor ein Ansatz theologischen Fernstudiums. Am Beispiel Würzburg lassen sich inhaltliches und didaktisches Profil dreier Etappen theologischen Fernstudiums vor dem jeweiligen historisch-theologischen Hintergrund beleuchten.

Theologie im Fernkurs ist nicht das erste Angebot eines theologischen Fernstudiums aus Würzburg. Bereits ab 1943 organisierten deutsche Hochschulen auf Veranlassung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) angesichts des andauernden Krieges eine umfassende Fernbetreuung für Studierende im Kriegseinsatz. Neueinschreibungen waren für Kriegsteilnehmer über eine Fernimmatrikulation möglich.

Die Betreuung erfolgte über gedruckte Studienbriefe und schriftlichen Austausch. Nach dem Vorbild der Bamberger Philosophisch-Theologischen Hochschule gab auch die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Würzburg ab Mai 1944 Feldunterrichtsbriefe zur Fernbetreuung ihrer Studierenden heraus. Bis Februar 1945 wurden acht Exemplare von verschiedenen Fachvertretern abgefasst und verschickt. Anlässlich der ersten Ausgabe schrieb der Kirchenrechtler August Hagen zum Programm: „Wir Professoren sind oft in Gedanken bei euch geweilt; davon legt u. a. Zeugnis ab die wissenschaftliche Betreuung, die nicht wenige von euch erfahren haben. Diese soll nun auf eine breitere Grundlage gestellt werden und alle unsere Theologen erfassen. Wir geben zu diesem Zweck in bestimmten Abständen Feldunterrichtsbriefe heraus mit dem Ziele, der Wissenschaft und dem Leben zu dienen und in die verschiedensten theologischen Probleme einzuführen“ (in: Feldunterrichtsbriefe der theologischen Fakultät Würzburg, Nr. 1, 1944, 1). Dabei war nicht nur die einseitige Übermittlung der Unterrichtsbriefe beabsichtigt, sondern es sollte auch eine gewisse Unterrichtssituation durch Rückfragemöglichkeit an die jeweiligen Verfasser entstehen.

Mit je 12 beziehungsweise 16 Seiten Umfang wollten die Feldunterrichtsbriefe keine Vorlesungen ersetzen. Die Themen griffen in der Intention, der Wissenschaft und dem Leben zu dienen, teils aktuelle Fragen der Theologie auf, etwa „Bibel und Naturwissenschaft im Lichte der kirchlichen Entscheidungen“, aus der Feder des Alttestamentlers Johann Fischer.

Bezug zur Lebenswirklichkeit der Soldaten

Teils besaßen die Texte eine klare Relevanz für die Lebensrealität der Adressaten. So schreibt der Neutestamentler Karl Staab am Ende seiner Auslegung des Vaterunsers: „Würde der Soldat in seinem Gebetsleben auf das V(ater) u(nser) beschränkt sein, es wäre reich genug. Er muss nur lernen, seine Gedankentiefen zu ergründen, seine Schätze zu heben“ (Das Vaterunser. Feldunterrichtsbriefe […] Nr. 3, 1944, 15). Einen direkten Bezug zu den Kriegsteilnehmern besitzt auch der Brief zum „geistige(n) Antlitz der Ostkirche“ von Georg Wunderle. Darauf weist die Einführung hin, die zugleich den deutschen Angriffskrieg im Sinne der offiziellen Propaganda umdeutet: „Die deutschen Soldaten an der Ostfront, die mit unsäglichen Opfern die Heimat schützen, stoßen in den besetzten feindlichen Gebieten nicht bloß mit fremdartigen Menschen und ungewohnten Lebensverhältnissen zusammen, sie treffen dort auch (…) auf ein Christentum, das sich ihrer bisherigen Anschauung (…) in mancher Hinsicht nicht fügt“ (Das geistige Antlitz der Ostkirche. Feldunterrichtsbriefe (…) Nr., 2, 1944, 1). Der Verfasser kritisiert, dass der Blick auf die getrennten Ostkirchen „durch den nicht selten stolzen Besitz der Wahrheit verbaut“ (2) gewesen sei. Daher sei die Sensibilisierung für die östliche Tradition durch den Blick in ihr Inneres notwendig, „das zu betrachten wahrlich auch für den katholischen Theologen Erhebung und Förderung bedeutet“ (4), ohne freilich an der „alleinigen Wahrheit“ (16) der katholischen Kirche zu zweifeln.

Im letzten, auf Februar 1945 datierten Brief ruft der Moraltheologe Michael Müller inmitten der Zerstörungen und des unsagbaren Leids den „Ewigkeitsgedanke(n) in der christlichen Hoffnung“ in Erinnerung.

Die Briefe sind in je unterschiedlicher Weise didaktisch bearbeitet: Der Text ist als Fließtext abgefasst, der bisweilen von wenigen Fußnoten begleitet wird. Überschriften und Absätze markieren Sinnabschnitte. Bestimmte Begriffe oder Ausdrücke werden durch gesperrten Druck hervorgehoben. Aufgrund der schwierigen Quellenlage lässt sich über Verbreitung und Erfolg der Würzburger Fernbetreuung kaum etwas bestimmen.

Theologische Bildung mit Laien

Während die Feldunterrichtsbriefe sich an angehende Kleriker im Hochschulstudium richteten, wurde in den Jahren nach Kriegsende ein breit angelegter theologischer Fernunterricht außerhalb der Hochschulen aufgebaut, der das Apostolat der Laien durch Zurüstung mit theologischer Bildung fördern wollte. In Wien wurde bereits 1950 ein „Fernkurs für theologische Laienbildung“ eingerichtet, 1954 auch in der Schweiz. In der Bundesrepublik Deutschland zog man im Windschatten des Zweiten Vatikanums nach, welches das Apostolat der Laien und dessen Eigenständigkeit im Dekret Apostolicam actuositatem (AA) aus dem Jahr 1965 herausgehoben und auf die Bedeutung einer entsprechenden Bildung zum Apostolat hingewiesen hatte (vgl. AA 28f.).

Auf der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 22. bis 25. September 1969 wurde die Domschule Würzburg mit der Einführung eines entsprechenden theologischen Kurses für Laien beauftragt. Im Mai 1970 startete der erste Grundkurs. Die Leitidee des Fernkurses war „ein gemeinsames Mühen um das rechte Verständnis und die rechte Praxis christlichen Glaubens, eine Theologie von Fachleuten mit Laien“ (Josef Pretscher, Theologie im Fernkurs – Theologie mit Laien, in: Günter Koch und Pretscher [Hg.], Würzburgs Domschule in alter und neuer Zeit, Würzburg 1990, 106–137, 107). Dieses gemeinsame Mühen wollte gezielt bei den Erfahrungen der Teilnehmenden ansetzen: „Der überlieferte christliche Glaube soll in seinem entscheidenden Anspruch, seiner zentralen Verheißung und seinen wichtigsten Inhalten auf die Fragen des heutigen Menschen hin neu durchdacht und möglichst zum Sprechen gebracht werden“ (Grundkurs. Einführungslehrbrief, Würzburg, 1970, 3)

In diesem Ansatz lässt sich das seinerzeit innovative didaktische Prinzip der Korrelation erkennen. Konsequenterweise war der Kurs daher nicht nach Fächern strukturiert, sondern in Zyklen unterteilt, deren erster „vom heutigen Christen (ausgeht), der als Mensch dieser Zeit und zugleich mit den Menschen dieser Zeit sich und seine Welt erfährt und bedenkt und dabei nach Sinn und Wahrheit fragt“ (4). Dem entsprachen die Themen zu Kursbeginn wie „Der Mensch dieser Zeit – seine Größe und seine Grenzen“ (LB 1) oder „Der Mensch in der Frage nach Sinn und Grund“ (LB 3).

Erst im zweiten Zyklus folgten systematisch-theologische Themen, die die „Heilsantwort Gottes“ auf die zuvor durchdachten Fragen der Menschen in den Blick nehmen: Jesus Christus, Gottes Bund mit den Menschen und die Vollendung. Der dritte Zyklus widmete sich „der Vergegenwärtigung des Christusheiles und damit der Kirche“ (8) von der biblischen Ekklesiologie über die Kirchengeschichte bis hin zu Verkündigung und Sakramenten, der vierte wandte sich schließlich der Antwort des Menschen auf das Heilshandeln Gottes zu: dem Leben aus dem Glauben.

Der Aufbaukurs hatte einen stärker disziplinären Zuschnitt, wobei auch hier der Erfahrungsbezug in Titeln wie „Vorsehungsglaube und Wirklichkeitserfahrung“ (LB 8) oder „Arbeit – Beruf – Freizeit“ (LB 22) aufschien. Im Sinne der Wechselseitigkeit von Fragen der Menschen und Antworten des Glaubens wurde Dialog als wesentliche Aufgabe des Kurses verstanden. Herausfordernd war es, diesen Dialog – neben Studienveranstaltungen vor Ort – im Wege eines Fernkurses in schriftlicher Form zu führen, ähnlich wie es die Fernbetreuung im Zweiten Weltkrieg versucht hatte.

Das Hauptmedium waren die Lehrbriefe, die anders als etwa wissenschaftliche Handbücher „nach einer eigenen Methode gestaltet“ waren, „durch die sie gleichsam Lehrer, Lehrbuch, Unterrichtsgespräch, Arbeitshilfe und Gedächtnisstütze in einem“ (11) bildeten. Jeder Lehrbrief umfasste etwa 40 Seiten. Sein Herzstück bildete der von Fachleuten aus den Hochschulen abgefasste Lehrtext, der „vor allem die Fragen und Probleme der Kursteilnehmer zu Wort kommen lassen (will); er will gleichsam in ‚innerer Rede und Gegenrede‘ sein Thema entwickeln; und er will versuchen, nicht da Antwort zu geben, wo ehrliches Denken noch keine Antwort geben kann“ (14).

Zur ersten Generation von Autoren im Grundkurs gehörten unter anderem Eugen Biser, Alois Grillmeier, Karl Lehmann und Josef Schreiner. Im Aufbaukurs, der 1972 erstmals startete, kamen zum Beispiel Wolfgang Beinert und Erich Zenger hinzu. Die fernstudiendidaktische Aufbereitung der Lehrtexte zielte auf kleinteilige Gliederungen mit vielen Zwischenüberschriften und einem übersichtlichen Druckbild. Fettdruck, Aufzählungen und gliedernde Marginalien, ein Rand für eigene Notizen sowie Fragen und Aufgaben mit zugehörigen Modellantworten am Ende jedes Kapitels unterstützten das Selbststudium.

Auch 55 Jahre nach Beginn des ersten Kurses bilden Lehrbriefe – in mehrfach aktualisierter Form – die Grundlage für das Studium. Deren Autorinnen und Autoren repräsentieren die akademische Theologie. Der starke Erfahrungsbezug der Siebzigerjahre ist einem eher fachlichen Themenbezug gewichen. So beginnt der aktuelle Grundkurs mit grundlegenden Lehrbriefen zur biblischen Exegese, bevor vor allem systematisch-theologische Themen behandelt werden.

Bedeutsame Entwicklungen im didaktischen Bereich sind mit der 2015 eingerichteten Stelle für E-Learning verbunden. Mit der seither betriebenen Digitalisierung des Lehr-Lern-Prozesses nutzt Theologie im Fernkurs die Vorteile, die sich daraus für das Fernstudium ergeben, und folgt zugleich der Lebensrealität der Teilnehmenden. In einem Blended-Learning-Konzept mit multimedialer Lehr-Lern-Umgebung wird das Studium der Lehrbriefe durch einführende Videos, Selbsttests mit Feedback und Web-Based-Trainings auf einer eigenen Lernplattform ergänzt. Im Rahmen von Präsenz- und Onlineveranstaltungen kommen interaktive Materialien zum Einsatz, die verschiedene Zugänge wie Textarbeit und Bilderschließung verbinden.

Digitales Lernen

Der 1970 initiierte „Dialog“ ist digitaler und multimedialer geworden. So kann einer Zielgruppe von in der Regel unabhängig voneinander, eigenständig Lernenden Rechnung getragen werden, die das Fernstudium in vielfältiger Weise etwa mit Beruf, Familie und Ehrenamt vereinbaren müssen. Für den größten Teil dieser Personen steht die Auseinandersetzung mit theologischen Fragen und deren Bedeutung für das eigene Leben sowie der Erwerb fundierter theologischer Sprachfähigkeit im Mittelpunkt. Hier trifft sich das Interesse der Teilnehmenden mit einem Bedürfnis der Zeit: Engagierte Laien und Ehrenamtliche werden im kirchlichen Bereich immer wichtiger und bedürfen einer soliden theologischen Qualifizierung, um an der Sendung der Kirche in der Welt durch ihr Engagement vor Ort mitwirken zu können.

Zudem finden immer mehr Personen ihren Weg in die kirchliche Hauptamtlichkeit als Quereinsteigende, die nach einer gewissen Zeit in einem oft ganz anderen Arbeitsfeld neue Perspektiven für ihr (berufliches) Leben suchen und ihre reichen Erfahrungen in die verschiedenen pastoralen Arbeitsfelder einbringen. Für diese Zielgruppen bietet Theologie im Fernkurs flexible, dem Leben angepasste Möglichkeiten, sich die entsprechenden Kompetenzen auf akademischem Niveau berufsbegleitend anzueignen.

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