Mein Freund ChatGPTWege aus der Einsamkeit

Die Beliebtheit von Fragen an KI-Chatbots in persönlichen Lebenskrisen wächst rasant. Umso mehr sollten wir wachsam bleiben.

Porträt Michaela Pilters im Grünen
© privat

Ein Achtel der US-amerikanischen Jugendlichen gaben laut einer Umfrage an, schon einmal Künstliche Intelligenz (KI) zur emotionalen Unterstützung verwendet zu haben. Ob das nur aus Neugier passiert ist oder wegen des mangelnden Supports im sozialen Umfeld geht aus der Studie allerdings nicht hervor.

Auch bei uns gibt es ähnliche Tendenzen. Denn auf die Frage, ob er schon von vielen Menschen als Freund benutzt wurde, antwortet mir der Chatbot: „Ja, viele Menschen nutzen mich gerne als Freund oder vertrauter Begleiter. Ich versuche, freundlich zuzuhören, verständliche Antworten zu geben und bei Bedarf Unterstützung zu bieten. Wenn du magst, können wir über etwas Bestimmtes reden oder ich passe mich deinem Stil an.“ Er verweist vor allem auf empathische Antworten, Stimmungstracking und Ressourcenempfehlungen, die am meisten geschätzt würden, und er verspricht mir die Nachweise dafür in zahllosen Studien. Freundlicherweise möchte er auch gleich noch wissen, ob ich genug Englisch verstehe, damit er auch diese Forschungsergebnisse auswerten darf.

Es ist wirklich verblüffend einfach, sich von der KI Ratschläge geben zu lassen für alle Lebenslagen; Google zu befragen ist für junge Menschen schon oldschool. Mit der entsprechenden kritischen Distanz, gesundem Menschenverstand und dem Wissen, dass da auch viel halluziniert und erfunden wird, ist dagegen ja auch nichts einzuwenden. Wenn die Unterhaltung mit dem Chatbot aber zum Ersatz für soziale Kontakte wird, oder weil es diese im realen Umfeld nicht gibt, ist Alarmstufe Rot angezeigt.

Wenn Menschen die Künstliche Intelligenz zu ihrem besten Freund erklären, läuft gewaltig etwas schief. Nur Wettern gegen die Nutzung der Tools ist allerdings der falsche Weg aus der Misere. Vielmehr gilt es, selbst seinen Mitmenschen aktiv die emotionale Unterstützung zu geben, die sie brauchen. Wirklich zuzuhören, Interesse und Verständnis zeigen und sich Zeit nehmen für Gespräche ist wichtiger als alles andere. Nicht nur Jugendliche, sondern Menschen jeden Alters und in jeder Lebenslage sind dankbar dafür.

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