Investition in die ZukunftSouvenir vom Weihnachtsfest

An Weihnachten sind die Kirchenbänke zumeist am einzigen Tag im Jahr voll besetzt. Und trotzdem lassen die Gemeinden eine Chance verstreifen.

Porträt Benjamin Lassiwe
Benjamin Lassiwe, ständiger Mitarbeiter der Herder Korrespondenz© Ralf Zöllner

Es ist der eine Tag im Jahr, an dem die Kirchen voll sind: Allen Austritten, allen Skandalen, allem Ärger zum Trotz – am Heiligen Abend gehen die Deutschen in die Kirche. In die Christvesper, wenn sie evangelisch sind, oder in die Mitternachtsmette bei den Katholiken. Am 24. Dezember findet man in den Gotteshäusern nur mit Mühe einen Sitzplatz – daran hat sich auch in den vergangenen Jahren nicht allzu viel geändert.

Doch Heiligabend ist nicht nur der Tag, an dem die Christen mit Krippenspielen und ganz viel „Oh Du fröhliche“ an die Geburt Jesu erinnern. Heiligabend ist auch in schöner Regelmäßigkeit der Tag der verpassten Chancen: Denn viele Gemeinden verstehen es bis heute nicht, den jährlichen Ansturm der Besucher als Gelegenheit für eine intensivere Kontaktaufnahme zu nutzen. Oft bleibt es bei einer von vielen Kirchgängern überhörten, eher lustlosen Ansage der nächsten Gottesdienste – am ersten Feiertag um zehn Uhr mit Pfarrerin Predigtgut-Sonstwas, nur echt mit Doppelnamen, und am zweiten Feiertag dann für Langschläfer um elf mit Prädikant Gerndabei und dem Posaunenchor. Das Problem ist nur: Die Menschen, die nur einmal im Jahr in die Kirche gehen, werden mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht 48 Stunden später ein zweites Mal in den Kirchenbänken sitzen. Auch wenn das aus kirchlicher Sicht sicher wünschenswert wäre.

Warum werden an Weihnachten also nicht schon Hinweise auf Gottesdienste an Ostern und Pfingsten verteilt? Oder auf den Termin des Gemeindefests im Sommer? Sicher, eine solche Langfristplanung ist in vielen Gemeinden realistisch wohl nicht möglich. Aber der klassische Gelegenheitskirchgänger ist mit einem Hinweis auf den Festgottesdienst am Ostersonntag dennoch besser bedient als mit jenem auf das Tischabendmahl am Altjahresabend oder den Regionalgottesdienst am zweiten Sonntag nach dem Christfest.

Eine Lösung könnte sich indes in den Katalogen klassischer Werbemittelhersteller finden. Was würde wohl passieren, wenn jeder Gottesdienstbesucher am Ausgang eine weihnachtlich verpackte Kaffeetasse mit einem Bild der Kirche, in der er gerade war, erhielte? Und einem QR-Code darauf, mit dessen Hilfe man bei jeder Tasse brauner Brühe mit dem Handy die natürlich aktuelle und gepflegte Website der Gemeinde abrufen könnte? Mit den irgendwann dort eingetragenen Terminen für Ostern und Pfingsten, aber auch mit der Lesung oder dem Vortrag in der zweiten Januarwoche –als kleine Erinnerung daran, dass die Kirche nicht nur an Weihnachten geöffnet hat?

Sicher: Die Gegenargumente liegen auf der Hand. „Zu teuer“. „Zu aufwändig“. Und auch: „Zu überwältigend, wir wollen die Menschen ja nicht nötigen.“ Allerdings sollten alle Bedenkenträger dabei dann eines nicht vergessen: Auch viele Weihnachtschristen, die nur einmal im Jahr in die Kirche gehen, gehören zu denen, die mit ihrer Kirchensteuer die Gemeinde am Leben erhalten. Sie mit einem kleinen Souvenir vom Weihnachtsfest im täglichen Alltag an die Gemeinde zu erinnern, kann da eine gute Investition in die Zukunft sein – und durchaus Wunder wirken.

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