Michael Schneider: Theologie des christlichen Gebets, Würzburg: Echter Verlag 2015; 392 S.; 29,90 €, ISBN 978-3-429-03840-3
In seinem „Abschiedswort“ schrieb der
Philosoph Peter Wust wenige Monate vor
seinem Tod 1940 seinen Schülern dieses
Plädoyer für das Gebet: „Und wenn Sie
mich nun noch fragen sollten, bevor ich
jetzt gehe und endgültig gehe, ob ich nicht
einen Zauberschlüssel kenne, der einem
das letzte Tor zur Weisheit des Lebens erschließen
könne, dann würde ich Ihnen
antworten: ‚Jawohl‘. – Und zwar ist dieser
Zauberschlüssel nicht die Reflexion, wie
Sie es von einem Philosophen
vielleicht erwarten
möchten, sondern das
Gebet.“
Diese ungemein hohe
Wertschätzung des Gebets
teilt Michael Schneider,
der das Gebet „als Grundvollzug
(...) des christlichen
Daseins überhaupt“
(10) versteht. Eine „theologische
Reflexion über
das Gebet“ scheint ihm
dringend geboten, da sie
doch „eher am Rande des
theologischen ‚Alltagsgeschäftes‘“
(18) stehe. Den Anspruch, eine
„Theologie des Gebets“ zu bieten, sucht der
emeritierte Professor für Dogmatik und Liturgiewissenschaft
an der PTH Sankt Georgen
in Frankfurt a. M. in sieben Hauptschritten
einzulösen: I. Problemanzeigen
in der Neuzeit, II. Problemanzeigen in der
Gegenwart, III. Grundlegung des christlichen
Gebetes, IV. Spezifika des christlichen
Gebetes, V. Das immerwährende Gebet,
VI. Das Stundengebet, VII. Grunddaten
einer Theologie des christlichen Gebetes.
Was die Lektüre des knapp 400-seitigen
Buches, das durchaus eine gewisse philosophische
und theologische Belesenheit
voraussetzt, sicher erleichtert, sind jene
Passagen am Ende eines jeden Kapitels, die
den eigentlichen „Ertrag“ der jeweiligen
Darlegungen bündeln.
Schneider geht es weniger darum, die
verschiedenen Formen des Betens wie
Bitte, Klage, Dank und Lob zu ergründen;
ihm liegt vielmehr daran, sich der „heftigen
und grundsätzlichen Infragestellung
des christlichen Gebetes“ (16), wie sie neuzeitliche
Denker betrieben haben, zu stellen,
repräsentative Ansätze des 20. Jahrhunderts
zu einem Verständnis
des Gebetes (Karl
Rahner, Hans Urs von Balthasar,
Richard Schaeffler,
Abraham Joshua Heschel)
darzulegen, um dann das,
was christliches Gebet zu
dem macht, was es ist, herauszustellen.
Eine gewisse Schwäche
der Studie liegt sicher
dort, wo sie sich den Infragestellungen
des christlichen
Gebets überblickshaft
widmet; so wird dem
Philosophen Friedrich
Nietzsche nicht einmal eine halbe Seite gewidmet.
Ihre eigentliche Stärke hat die Studie
darin, dass es ihrem Verfasser dezidiert
darum geht, das „Proprium Christianum“
des Gebetes ausdrücklich und ausführlich
zu bestimmen und zu (er-)klären, was
unter der These, das Gebet sei die „Mutter
der Theologie“ (Walter Kasper), näherhin
zu verstehen ist.
Prof. Dr. Bernhard Sill, Katholische Universität
Eichstätt-Ingolstadt