Gendern im Kloster?Über Äbtissinnen, Bruderäbte und den Nutzen des Lateins

Eine selbstverständliche Parität trotz Wahrung von Differenz der Geschlechter ist schon in der ältesten Rezeption der Benediktsregel erkennbar.

Jeremias Schröder
© Sankt Ottilien

Unsere Klöster gehören zu den wenigen Orten, an denen man noch ungeniert nur von Brüdern oder nur von Schwestern sprechen kann. Fragen zum Thema gibt es trotzdem. Eine Benediktinerin, die ziemlich "old school" ist, erklärte mir, dass die in ihrem Kloster übliche abschließende Segensformel "et cum fratribus nostris absentibus" natürlich bedeute: "und mit unseren abwesenden Schwestern".

Latein und der mit dem Gebrauch dieser Sprache verbundene Transferzwang ist da immer wieder eine Chance. Das haben sich auch die Benediktinerinnen der ganzen Welt gedacht, als sie sich 2001 zur "Communio Internationalis Benedictinarum" zusammenschlossen. Unaufdringlich, aber eindeutig macht der lateinische Titel klar, dass es hier um die benediktinische Frauenwelt geht, ähnlich wie das schlanke deutsche Wort "Benediktinerinnen". Im Englischen muss man deutlicher werden, da heißt es heute meist "Benedictine Women". Da hört man schon ein Ausrufezeichen mit. Übrigens konnte durch den eleganten lateinischen Titel auch die sperrige Ausdifferenzierung in Nonnen und Schwestern überwunden werden. Aber das ist ein anderes Thema.

Papst Franziskus hat kürzlich die Tür für eine weitere interessante Entwicklung aufgestoßen: Mit seinem Reskript vom 18. Mai 2022 wurde es möglich, Brüder – also Mönche, die nicht Priester sind – zu Äbten zu wählen. Bisher waren Brüder in der Leitung nur als Notbehelf denkbar: entweder als Prior Administrator, oder mit einer schnell nachgereichten Priesterweihe, die der zukünftige Abt oft mehr nolens als volens über sich ergehen lassen musste. Jetzt also auch Brüder als richtige Äbte!

Die übliche Form der Abtsbenediktion passt da allerdings nicht, weil die das Priestertum voraussetzt und die Verleihung von Mitra und Stab das Ganze bildlich sogar in die Richtung einer Bischofsweihe schiebt. Zum Glück gibt es die Äbtissinnen! Da haben wir eine ehrwürdige Tradition, wie Frauen, die nicht Priester sind, das Leitungsamt im Kloster verliehen wird. Den Stab bekommen sie auch, denn sie sind ja Hirtinnen ihrer Gemeinschaft. Da das Reskript noch ganz neu ist, sind diese Fragen bislang nicht ausdiskutiert. Aber man kann davon ausgehen, dass die Frauenerfahrung hier entscheidende Anregungen geben wird, wie das in Zukunft gestaltet werden kann. Vielleicht wird daraus sogar ein gewandeltes Verständnis des Abtsamtes wachsen, das sich wieder an der älteren nichtklerikalen Tradition des benediktinischen Mönchtums orientiert. Benedikt selbst war ja kein Priester und die von ihm beschriebene Gemeinschaft sieht den Priestermönch eher als Ausnahme, denn als Regelfall vor.

Eine selbstverständliche Parität trotz Wahrung von Differenz der Geschlechter ist schon in der ältesten Rezeption der Benediktsregel erkennbar. Bischof von Donatus von Besançon verwendete im 7. Jahrhundert die Regel Benedikts ausführlich für ein Kloster in seiner Diözese. Dabei schrieb er den Text ohne viel Aufhebens für Frauen um: Äbtissin statt Abt, Schwestern statt Bruder usw. In der Einleitung bezeichnete er sich selbst übrigens als den "Knecht aller Diener und Dienerinnen Gottes". Wer wollte, konnte damals schon genderbewußt formulieren.

 

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