In den Winterwochen sollte man keine Pflanzen ausgraben, erzählte Anselm Grün unlängst. Diesen Rat habe er von einer Frau bekommen, die mit Heilkräutern arbeitet. Der Grund: „Die Pflanzen brauchen in dieser Zeit Ruhe, um aus der Erde heilende Kräfte in die Wurzeln fließen zu lassen.“ Für den Benediktinermönch und spirituellen Bestsellerautor, dessen 80. Geburtstag wir Anfang des Jahres gefeiert haben, ist das weit mehr als nur ein Gartentipp. Er überträgt den Hinweis aufs geistliche Leben. „Die Kirche hat die Weisheit der Natur übernommen und lädt uns ein, jetzt unsere Wurzeln zu pflegen, indem wir uns Zeit für die Stille nehmen“, schreibt Pater Anselm.
Ein schöner Gedanke und eine sinnvolle Übung für die Zeit „zwischen den Jahren“! In diesem Sinne halten auch wir inne und überlegen, was uns von 2025 in Erinnerung bleibt.
1 | Januar. Ein weltpolitisch wechselhaftes Jahr beginnt. Am 20. Januar wird Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Beobachtern fällt auf, dass er – anders als 2017 – seine Hand beim Schwur nicht auf die bereitliegende Bibel legt. Während das in rechten Kreisen akribisch geplante Project 2025 Fahrt aufnimmt, versammeln sich in deutschen Großstädten Zehntausende um gegen den Rechtsruck zu demonstrieren.
2 | Februar. Politisch geht es weiter: Zum ersten Mal stehen in einem Februar Bundestagswahlen an. Nachdem die mit großen Ambitionen gestartete Ampelkoalition zerbrochen ist, verschiebt sich einiges: Die SPD fährt das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Das neu gegründete Bündnis Sarah Wagenknecht verpasst die 5-Prozent-Hürde knapp. Auch sonst kann sich kaum jemand über die Wahlergebnisse freuen – mit Ausnahme der AfD, die rund zehn Prozentpunkte hinzugewinnt. Die Frage, wie man sich zu der immer einflussreicher werdenden Partei positionieren soll, wird lauter. Die einen wollen sie durch engere Zusammenarbeit „einhegen“, andere fordern ein Verbotsverfahren. Im Lauf des Jahres werden weitere Landesverbände als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft.
3 | März. Es tut sich viel in der Welt – reden wir darüber! Im März läuft unsere Podcast-Kooperation mit der Katholischen Akademie in Bayern an. Den Auftakt in Vom Großen und Ganzen macht ein Gespräch mit Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die auch über ihre christliche Grundprägung spricht: „Ich bin meiner Kirchengemeinde deshalb so verbunden, weil ich dort als junge Person ernstgenommen wurde.“ Diese und weitere Folgen, unter anderem mit dem Unionspolitiker Ruprecht Polenz und der ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp, sind nachzuhören unter www.cig.de/podcast und überall, wo es Podcasts gibt.
4 | April. Papst Franziskus stirbt am Ostermontag im Alter von 88 Jahren. An der Totenmesse nehmen rund 250000 Gläubige teil. Gemäß seines Papstnamens verstand sich Jorge Mario Bergoglio als Fürsprecher armer Menschen. Franziskus war sowohl der erste Jesuit als auch der erste Argentinier im Papstamt. Eckpunkte seiner Amtszeit waren u.a. die Umwelt- und Sozialenzyklika Laudato si’ (2015), Versuche einer Kurienreform, sein Einsatz für geflüchtete Menschen sowie ein stärkerer interkonfessioneller und interreligiöser Dialog. Seinem Testament gemäß wird er in einem schlichten Grab mit der Inschrift „Franciscus“ im Seitenflügel der Basilika Santa Maria Maggiore beigesetzt.
5 | Mai. Habemus Papam! Am 8. Mai um kurz nach 18 Uhr steigt weißer Rauch auf. Der 69-jährige Robert Francis Prevost ist der erste US-Amerikaner und erste Augustiner im Papstamt, gewählt am zweiten Tag des Konklave, im vierten Wahlgang. Vorab nur als Außenseiter gehandelt, gilt seine Wahl zu Papst Leo XIV. als Kompromiss zwischen Konservativen und Liberalen. Die Namenswahl begründet er selbst mit seinen Vorgängern Leo XIII. (1878–1903, Vater der katholischen Soziallehre) und Leo I. (Leo der Große, 440–461, Verteidiger der kirchlichen Einheit). Der gebürtige Chicagoer entstammt einer urkatholischen Familie mit französischen, italienischen und kreolischen Wurzeln und wollte schon als Kind Geistlicher werden, wie sein älterer Bruder John in einem Interview erzählt: „Er nahm das Bügelbrett unserer Mutter und legte ein Tischtuch darüber, und wir mussten zur Messe gehen.“
6 | Juni. Im Rahmen der Heilig-Jahr-Feier in Rom treffen sich Seminaristen, Priester und Bischöfe aus aller Welt zu Gottesdiensten, Katechesen und Festmessen. Um das „wahre Bild der Kirche“ vermitteln zu können, solle ein Bischof vor allem durch seine innere Haltung und seinen Charakter ein geistliches Vorbild sein, betont Papst Leo XIV.: „Er muss fest und entschlossen sein, wenn es darum geht, Situationen, die einen Skandal hervorrufen können, und jeden Fall von Missbrauch, insbesondere gegenüber Minderjährigen, gemäß den geltenden Bestimmungen anzugehen.“
7 | Juli. Schon im Sommer würden die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland spüren, dass sich die Lage im Land verbessere. Das hatte Bundeskanzler Friedrich Merz nach seiner Wahl versprochen. Tatsächlich aber verfolgt die Öffentlichkeit, wie die Regierung von einem Koalitionskrach in den nächsten stolpert. Eine kirchenpolitische Dimension hat dabei der Streit um den SPD-Vorschlag für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf. Aufgrund einer früheren Äußerung zur Abtreibung wird die Kandidatin auch aus der Kirche scharf kritisiert, unter anderem spricht der Bamberger Weihbischof Herwig Gössl von einem „innenpolitischen Skandal“. Später entschuldigt er sich und räumt ein, „falsch informiert“ gewesen zu sein. „Wir können diesen Kulturkampf nicht gebrauchen“, mahnt der Bischofskonferenz-Vorsitzende Georg Bätzing.
8 | August. Den vielen bizarren Auftritten fügt Donald Trump einen weiteren hinzu. In Alaska rollt der US-Präsident dem russischen Kriegsverbrecher Wladimir Putin den roten Teppich aus und empfängt ihn mit Applaus. Außer dieser Aufwertung des Aggressors bringt das Treffen keine Ergebnisse. Insgesamt wächst die Sorge, die Ukraine werde in der seit mehr als drei Jahren dauernden Vollinvasion zunehmend alleingelassen. In einem Grundsatzbeitrag im CIG erinnert der deutsche Militärbischof Franz-Josef Overbeck: „Frieden ist kein Automatismus, keine historische Zwangsläufigkeit, aber er ist auch keine bloße Illusion. Er ist das Ergebnis politischen Willens, moralischer Orientierung und gemeinschaftlicher Verantwortung.“
9 | September. Die letzten drei Nonnen einer fast 150 Jahre alten Augustiner-Chorfrauen-Gemeinschaft in der Nähe von Salzburg setzen sich über ihren Propst hinweg. Der hatte die Ordensfrauen Ende 2023 in ein Pflegeheim geschickt und die Gemeinschaft offiziell aufgelöst. Jetzt, knapp zwei Jahre später, kehren die Nonnen – alle drei in den 80ern – auf eigene Faust in ihr ehemaliges Kloster zurück. Auch die weltliche Presse berichtet über den spektakulären Fall. Der Spiegel spricht von einer „heiligen Hausbesetzung“ und von „greisen Rebellinnen“, die für manche zu Symbolfiguren für Selbstbestimmung im Alter werden.
10 | Oktober. Lässt er sich diesmal zu Recht feiern? Zwei Jahre nach dem Hamas-Überfall auf Israel verkündet Donald Trump eine Waffenruhe. Sie wird mit großem Pomp in Ägypten unterzeichnet. Später im Jahr wird der US-Präsident sagen, dank ihm sei „zum ersten Mal seit 3000 Jahren Frieden im Nahen Osten“. Zweifel sind angebracht. Zwar sind die ärgsten Kämpfe eingestellt, die letzten Geiseln kehren nach Israel zurück. Aber nach wie vor weigern sich die Islamisten, ihre Waffen abzugeben. Das Leid der Palästinenser und die Bedrohung Israels dauern an. Im CIG beschreibt der Publizist Rafael Seligmann einen schlimmen „Kollateralschaden“: „Antisemitische Parolen, Judenhatz und Gewalt nehmen ständig zu ... Die wehrlosen Juden der Diaspora zahlen den Preis für Gewalt und Krieg.“
11 | November. Papst Leo XIV. bricht zu seiner ersten großen Auslandsreise auf. Zuerst führt ihn sein Weg in die Türkei, wo er – pünktlich zum 1700. Jahrestag des Konzils von Nicäa – die Stadt İznik (das frühere Nicäa) aufsucht und dort ein Gebet spricht. Auch interreligiöse Treffen stehen in dem vom Islam geprägten Land auf dem Programm. Anschließend fliegt der Papst in den Libanon. Dort stattet er der Gedenkstätte für die verheerende Hafenexplosion im Jahr 2020 einen Besuch ab, trifft sich mit Hinterbliebenen der Opfer und plädiert für eine umfassende Aufkärung des Unglücks. Ende und zugleich Höhepunkt seiner sechstägigen Reise bildet ein Gottesdienst im Hafen von Beirut, den mehr als 150000 Gläubige mitfeiern und denen der Pontifex zuruft: „Libanon, steh wieder auf! Sei ein Haus der Gerechtigkeit und der Geschwisterlichkeit! Sei ein Vorbote des Friedens für die ganze Levante!“
12 | Dezember. Die belarussische Oppositionelle und politische Gefangene Maria Kalesnikawa wird zusammen mit mehr als hundert weiteren Inhaftierten aus dem Gefängnis entlassen. Sie zählt zu den führenden Köpfen der Massenproteste gegen Machthaber Alexander Lukaschenko und dessen (international als gefälscht bewertete) Wiederwahl im Jahr 2020. Vor fünf Jahren war Kalesnikawa verhaftet und später in eine Strafkolonie verschleppt worden, wo sie Aushungerung und Isolation ausgesetzt war und unter schweren gesundheitlichen Problemen litt. Nach ihrer Freilassung bekundet sie in einem Interview: „Es war eine sehr schwierige Zeit für mich, für meine Gesundheit, aber nicht für meine psychische Gesundheit, innen war ich immer frei.“