AbschiebungsdebatteDie Geschichte von Ali

Der Berliner Pfarrer Gottfried Martens begleitet Flüchtlinge, die zum Christentum konvertiert sind. Ein beispielhafter Blick hinter die Abschiebungsstatistik.

Ali hat Pech. Ali ist als konvertierter afghanischer Christ nach Deutschland geflüchtet. In seiner Gemeinde ist er sehr aktiv, hat auch schon andere Afghanen zum christlichen Glauben geführt. Doch Ali hat Pech. In seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurde er nach seinem Taufspruch gefragt. Er erklärte wahrheitsgemäß, dass es in Schweden, wo er getauft wurde, keine Taufsprüche gibt. Doch der Entscheider im Bundesamt ließ das nicht gelten: Wer keinen Taufspruch hat und den nicht auswendig kann, ist kein Christ. Ali erhielt seinen Abschiebebescheid nach Afghanistan.

Ali hat Pech. Bei dem Verwaltungsgericht, bei dem er gegen den Bescheid klagte, liegt die Chance für konvertierte afghanische Christen praktisch bei null. Sein Antrag wird abgewiesen. Ali kann nun jederzeit nach Afghanistan abgeschoben werden. Ali hat Pech. Würde er einige Kilometer weiter südlich leben, wäre ein anderes Verwaltungsgericht für ihn zuständig – und das vertritt die Auffassung, dass man afghanische Christen nicht nach Afghanistan zurückschicken kann. Doch Ali wohnt zu weit nördlich. Darum muss er jederzeit damit rechnen, dass die Polizei bei ihm vor der Tür steht und ihn abholt.

Ali hat Pech. Er lebt in einer Zeit, in der die politisch Verantwortlichen nur noch darauf aus sind, Zahlen zu generieren – Zahlen, die zeigen, dass man die „Asylwende“ geschafft hat, dass vollziehbar Ausreisepflichtige auch tatsächlich konsequent abgeschoben werden. Ob es sich dabei um Schwerkriminelle oder um gesetzestreue konvertierte Christen handelt, ist nicht wichtig. Hauptsache, die Zahlen stimmen. Und weil man Menschen, die sich in diesem Land an die Regeln halten, einfacher finden kann, werden sie auch zuerst abgeschoben. Lang genug hat man suggeriert, dass alle vollziehbar Ausreisepflichtigen eine Gefahr sind. Nun erhebt sich kaum noch Widerstand, wenn Menschen wie Ali in den Tod abgeschoben werden. Seine Überlebensperspektive in Afghanistan lässt sich wohl eher in Wochen angeben.

Ali hat Pech. Er stammt aus einem Land, aus dem tatsächlich nicht wenige Geflüchtete stammen, die das Denken der Taliban teilen. Ali selber wurde von ihnen in seiner Unterkunft schon wiederholt bedroht. Doch während diejenigen, die ihn bedrohen, oft schnell einen Aufenthalt in Deutschland bekommen, wird er in der Öffentlichkeit für Straftaten anderer Geflüchteter aus seinem Land mit in Haftung genommen: „Die Afghanen sind eben nun mal so.“ Dass er Hazara ist, Angehöriger einer von den Taliban mit dem Tod bedrohten Minderheit, dass er dazu auch Christ ist – es ist alles nicht wichtig. Er hat nun mal das Pech, „Afghane“ zu sein.

Ali hat Pech. Konvertierte christliche Geflüchtete haben in Deutschland keine Lobby. Selbst in den Kirchen wird er oft mit Skepsis betrachtet: Ein Afghane, der Christ wird – das geht doch gar nicht! Sein Bischof hat sich für ihn und für viele andere konvertierte afghanische Christen beim Präsidenten des BAMF eingesetzt. Doch der war in seinem Antwortschreiben noch nicht einmal zu einem Gespräch bereit. Ali hat Pech. Er lebt in einem Land, in dem Abschiebungen nur noch als „Erfolge“ angesehen werden. Früher oder später wird er wohl auch als Zahl in einer Erfolgsstatistik auftauchen. Wenn die veröffentlicht wird, wird er wohl nicht mehr am Leben sein. Aber ganz im Ernst – wen kümmert das schon?

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