Markus 14,27–31Hochmut kommt vor dem Fall

27Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet alle Anstoß nehmen; denn es steht geschrieben: Ich werde den Hirten erschlagen und die Schafe werden sich zerstreuen.
28Wenn ich aber auferweckt worden bin, werde ich euch nach Galiläa vorangehen.
29Da sagte Petrus zu ihm: Wenn alle Anstoß nehmen – ich nicht!
30Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Du wirst heute, in dieser Nacht, noch ehe der Hahn zweimal kräht, mich dreimal verleugnen.
31Er aber beteuerte: Und wenn ich mit dir sterben müsste, ich werde dich niemals verleugnen. Ähnlich sprachen auch alle (anderen).

Quelle: Die Bibel in der Herder-Übersetzung

Ehrlich gesagt, ich zögere etwas, das Verhalten des Petrus mit dieser einfachen Wahrheit zu kommentieren. Denn ein wenig gilt ihm auch meine Bewunderung. Er teilt nicht die Angst und die Verzagtheit der anderen. Er traut sich etwas zu und ist überzeugt, dass er Jesus die Treue halten kann. Das imponiert mir. Vor mehr als zweihundert Jahren konnte Friedrich von Hardenberg, gen. Novalis (1772–1801), noch in aller Demut dichten: »Wenn alle untreu werden, so bleib’ ich dir doch treu; dass Dankbarkeit auf Erden nicht ausgestorben sei.« Das würden wir uns heute kaum noch trauen. Zu oft haben Jünger und Jüngerinnen Jesu in der Geschichte der Kirche Jesus hochheilig die Treue versprochen und doch versagt.

Aber was ist die Alternative? Kleinmütig und in vorauseilender Resignation sich zurückzuziehen und zu sagen: Das werden wir sowieso nicht schaffen? Das scheint mir unsere Gefahr zu sein. Freilich könnte man auch fragen: Hatte Petrus denn überhaupt eine Chance? Jesus hat das doch vorausgesagt! Da musste es ja so kommen. Aber Vorhersage ist nicht Vorherbestimmung! Die Erzählung von der Verleugnung des Petrus schildert dann auch sehr einfühlsam, wie er Schritt für Schritt in das Versagen hineinschlittert! Für mich steckt gerade in der Vorhersage Jesu etwas Tröstliches: Auch unser Versagen ist in seinem Wissen aufgehoben. Für Petrus gibt es nach Karfreitag und Ostern einen Neuanfang (Joh 21,15–23). Novalis dichtet in der dritten Strophe seines Liedes: »Du stehst voll treuer Liebe noch immer jedem bei, und wenn dir keiner bliebe, so bleibst du dennoch treu.« Das zu wissen macht Mut, es bei allem Wissen um unsere Fehlbarkeit dennoch zu wagen, auch auf schwierigen Wegen Jesus zu folgen. Nach allem, was wir wissen, hat auch Petrus erlebt, dass zu verleugnen für ihn kein unentrinnbares Schicksal ist, und hat Jesus bis zum Tod als Märtyrer die Treue gehalten.

Herr, schenk uns den Mut, auch in schwierigen Zeiten den Weg mit dir zu gehen. Danke, dass du uns treu bleibst, auch wenn wir versagen.

Walter Klaiber

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