In den Neunzigerjahren wurde Nadja Auermann als das Model mit den längsten Beinen gerühmt. Mit 112 Zentimetern wanderte sie über den Laufsteg und geradewegs ins Guinness-Buch der Rekorde. Die Zeiten, in denen sie wenig Stoff für viel Geld vorführte, sind vorbei. Dieses Geschäft sei schnelllebig, berichtete sie kürzlich in einem Interview, mit 54 sei man draußen. Dafür hat sie vor einigen Jahren einen anderen Raum betreten – einen Raum, der nicht so kurzlebig ist. Einen Raum, in dem Menschen mit langen oder kurzen Beinen oder auch ohne Beine willkommen sind. Auermann hat sich vor einigen Jahren taufen lassen und ist seitdem überzeugte Katholikin.
In einem Interview beschreibt sie ihren Weg: Ihre Tochter wollte unbedingt getauft werden. Also begleitete sie das Kind in den Gottesdienst. Was der Mutter zunächst als Pflichtübung erschien, entpuppte sich als wertvolle Erfahrung. Sie sagt dazu Sätze, die berühren: „Als wir dann im Gottesdienst waren, hatte ich das Gefühl, der Pfarrer spricht eigentlich nur mit mir. Die Predigt, die Gesänge, alles hat zu meiner Situation und meinen Gefühlen gepasst.“ Zum Glauben sagt sie: „Das hat eine zeitlose Daseinsberechtigung.“ Nach der schnelllebigen Glitzerwelt mit ihrem Verschleiß an Material und Menschen stieß sie auf eine Gemeinschaft, die über alle Schranken hinaus trägt. Nadja Auermann legt damit ein ungewöhnliches Glaubenszeugnis ab. So ungewöhnlich, dass die Interviewerin schnell das Thema wechselt. Sie hatte mit diesem Exkurs nicht gerechnet, wollte weiterhin über die guten Zeiten reden, in denen noch der Stern von Karl Lagerfeld leuchtete.
Unterm Strich bleibt diese Passage eine ungewöhnliche und klare Konfession. Und eine gute Nachricht: guter Pfarrer mit treffender Predigt. Ganz ehrlich: Wie schön ist es, so etwas über einen gewöhnlichen Gottesdienst zu lesen!