Wie ein Sakrament ungültig wirdBindet sich der große Schöpfergott in seinem Handeln an menschliche Worte? Ja, doch.

Liturgiewissenschaftler kritisieren das Schreiben "Gestis verbisque" des Glaubensdikasteriums: Es sei Produkt eines "mittelalterlichen" und "magischen" Denkens. Doch die Mahnung der römischen Glaubenshüter, durch willkürliche Veränderungen die Gültigkeit von Sakramenten nicht zu gefährden, hat ihre Berechtigung.

Taufe
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Als im Jahr 2021 Papst Franziskus durch das Motu Proprio "Traditionis custodes" die Regelungen seines Vorgängers Benedikt XVI. zum Umgang mit der vorkonziliaren Liturgie noch zu dessen Lebzeiten großenteils zurücknahm, war Andrea Grillo, Professor für Sakramententheologie am römischen Pontificio Ateneo Sant’Anselmo und einer der bekanntesten Liturgiewissenschaftler Italiens, begeistert: Der pastorale Papst Franziskus, so ließ er in einem Interview verlauten, habe viel theologischer entschieden als sein oft als Theologenpapst titulierter Vorgänger. Keinerlei Begeisterung strahlt dagegen der offene Brief aus, den Grillo als Reaktion auf das jüngste Dokument des Dikasteriums für die Glaubenslehre abgefasst hat.

Die Note trägt den Titel "Gestis verbisque" (GV), "Durch Taten und Worte" (eine Formulierung aus der Offenbarungskonstitution des Zweiten Vatikanums, DV 2), und wurde durch den neuen Präfekten, Kardinal Víctor Manuel Fernández, am 2. Februar 2024 publiziert. Im Kern handelt es sich um eine Ermahnung, die Gültigkeit der Sakramente nicht durch willkürliche Eingriffe seitens der Zelebranten in Gefahr zu bringen. Konkret geht es um Veränderungen der sakramentalen Form (der zentralen Wortformel), die in klassischer theologischer Betrachtungsweise zusammen mit der Materie (dem äußeren Zeichenvollzug, in dem oft stoffliche Elemente eine Rolle spielen) und der Absicht des Spenders, "zu tun, was die Kirche tut", zu den wesentlichen Komponenten sakramentaler Handlungen zählt.

Was Grillo auf die Palme bringt, ist die Tatsache, dass an der römischen Kurie – und offenbar auch bei Papst Franziskus, der das Dokument, approbiert hat – beim Urteil über die Sakramente noch immer die Maßstäbe einer in der mittelalterlichen Scholastik gründenden Dogmatik zur Anwendung kommen und nicht diejenigen der modernen Liturgiewissenschaft. Diese lehnt, wie Grillo verdeutlicht, beim Nachdenken über den Sinn der Sakramente die Isolierung einzelner Formeln und eine Konzentration auf die Gültigkeitsfrage ab, weil sie Sakramente als rituelle und euchologische Vollzüge in einem umfassenderen Sinn betrachtet.

Die Rede von Materie und Form der Sakramente ist seit Jahrhunderten in Texten von Konzilien, in vielen Äußerungen des ordentlichen Lehramts und im Kirchenrecht verbindlich etabliert. Daran wird liturgiewissenschaftlicher Protest nichts ändern.

Nun ist die Forderung Grillos, dass es der Kirche heute um eine ganzheitliche Erfahrung des Sakraments jenseits formal bleibender Bewertungen gehen sollte, zweifellos berechtigt. Richtig ist auch, dass die scholastische Unterscheidung des für die sakramentale Gültigkeit Notwendigen einerseits und des nur "zur Feierlichkeit" gehörenden Restritus andererseits schematisch war und der Sinngestalt der sakramentalen Feiern nicht gerecht werden konnte. Beides wird in GV selbst angesprochen (GV 20.26f.), sodass in diesen Punkten gar kein Dissens besteht.

Aber die dogmatische Frage nach der Wesensmitte sakramentaler Feiern wird deswegen nicht überflüssig. Sie ergibt sich schon aus der kirchlichen Praxis: Es bleibt wahr, dass ein Mensch das Sakrament auch dann empfängt, wenn aus bestimmten Gründen nur der Wasserritus zusammen mit der Taufformel vollzogen werden kann (obgleich die Regelung, im Anschluss an Nottaufen nach Möglichkeit die ausdeutenden Riten nachzuholen, auf die Unvollkommenheit der verkürzten Feier hinweist). Dass der liturgische Ritus selbst die Ergebnisse dogmatischer Reflexion in sich aufgenommen hat, zeigt beispielhaft die Ausgestaltung der Konsekration in der Messfeier, auch noch in der reformierten Liturgie. Die Rede von Materie und Form der Sakramente ist seit Jahrhunderten in Texten von Konzilien, in vielen Äußerungen des ordentlichen Lehramts und im Kirchenrecht verbindlich etabliert. Daran wird liturgiewissenschaftlicher Protest nichts ändern.

Jedes Schema hat seine Grenzen

Wie alle Kategorien, mit denen Theologen ihre Gegenstände zu erfassen versuchen, hat das Schema seine Grenzen. Es stammt aus der metaphysischen Analyse der zusammengesetzten Substanzen im Aristotelismus und kann auf die Beschreibung komplexer Ereignisse, wie es sakramentale Handlungen sind, nur in analoger Weise angewendet werden. Thomas von Aquin ist sich dessen bewusst, wenn er schreibt: "Aus Worten und Dingen wird in den Sakramenten gewissermaßen Eines wie aus Form und Materie, sofern durch Worte die [zeichenhafte] Bedeutung der Dinge [sc. der elementaren Vollzüge] vervollkommnet wird" (S. th. III. q. 60, a. 6, ad 2).

Während diese Analogie den performativen, prozesshaften und kommunikativen Charakter sakramentaler Handlungen nur schlecht zu erfassen vermag, weist sie treffend auf einen anderen entscheidenden Aspekt hin: Sakramente erschöpfen sich nicht in Symbolhandlungen wie Waschung und Salbung, Essen und Trinken, Schuldbekenntnis vor Gott und Bundeszusage gegenüber einem anderen Menschen. Sie werden wirksame Zeichen der Gnade erst dadurch, dass ihre natürliche Symbolhaftigkeit eine exaktere Bestimmung erfährt, damit sie dem Ausdruck einer übernatürlichen Realität und der Vergegenwärtigung des Heilswirkens Christi dienen kann.

Die Integrität sakramentaler Handlungen ist gefährdet, wenn Zelebranten willkürlich die identitätsstiftenden Worte im liturgischen Vollzug verändern, in dem das Handeln Christi, das jedem menschlichen Tun vorausgeht und die Kirche je neu von innen auferbaut, in der Kraft des Geistes erfahrbar werden soll.

Wie das Wirken Christi als Heilswirken nur begreifbar wird, wenn wir im Glauben seine menschlichen Worte und Taten als Sprechen und Handeln des göttlichen Logos deuten, so ist es auch das im Gesamtkontext des Glaubens deutende Wort, das eine natürliche Zeichenhandlung erst zum Sakrament Christi macht (vgl. GV 14), das hingeordnet ist "auf die Heiligung der Menschen, den Aufbau des Leibes Christi und auf die Gott geschuldete Verehrung" (SC 59). Das bliebe auch dann richtig, wenn man als "Materie" die rituellen Vollzüge in einem erweiterten Sinn und als "Form" das euchologische Geschehen in seiner Gesamtheit ansehen würde.

Die Integrität sakramentaler Handlungen ist gefährdet, wenn Zelebranten willkürlich die identitätsstiftenden Worte im liturgischen Vollzug verändern, in dem das Handeln Christi, das jedem menschlichen Tun vorausgeht und die Kirche je neu von innen auferbaut, in der Kraft des Geistes erfahrbar werden soll. Mit "magischen Vorstellungen", wie einige Kommentatoren meinen, hat das nichts zu tun, denn diese Worte sind keine obskuren Zaubersprüche, sondern die von der Kirche in direktem oder indirektem Rückbezug auf die Vorgabe Christi festgelegten Sinnbestimmungen jener sieben rituellen Vollzüge, die nach katholischem Glauben "die Gnade enthalten, die sie bezeichnen" (Konzil von Trient, DH 1606). Sie sind Schlüsselworte im größeren Text der liturgischen Handlung und als solche mit ihm eng verwoben.

Eine im Rahmen eines Theaterstücks "korrekt" vollzogene Taufe bleibt ohne Wirkung.

Die Feier jedes Sakraments bleibt zudem an einen "wahrhaft menschlichen Akt" (GV 18) des Zelebranten gebunden, dessen Intention einer interessanten Formulierung aus GV 18 zufolge "das einende Prinzip von Materie und Form wird" – und folglich diese Einheit auch zerstören kann. Selbst ein äußerlich nach Ritus- und Worthandlung korrekt vollzogenes Zeichen wäre kein Sakrament, wenn die Absicht des Spenders fehlte, es in demjenigen Kontext zu vollziehen, in dem es nach kirchlicher Ansicht vollzogen werden muss (vgl. die Verurteilung einer jansenistischen These durch das Hl. Offizium aus dem Jahr 1690, DH 2328). Eine im Rahmen eines Theaterstücks "korrekt" vollzogene Taufe bleibt darum ohne Wirkung. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Bewertung der Taufe bei den Latter-day Saints (Mormonen). Sie wird von der katholischen Kirche als ungültig betrachtet, obgleich ihr Ritus nach Materie und Form fast identisch mit demjenigen in der römisch-katholischen Taufe ist (vgl. Glaubenskongregation, Responsum ad propositum dubium, 5.6.2001, mit Erläuterung durch Msgr. Ladaria). Weil die Mormonen jedoch den katholischen Glauben an die Trinität im Sinne des Glaubensbekenntnisses von Nizäa-Konstantinopel nicht teilen, wird den Spendern die notwendige Intention grundsätzlich abgesprochen.

Die Gültigkeit wird erst dann zweifelhaft, wenn durch Veränderungen die Identität des sakramentalen Vollzugs gefährdet ist. In diesem Fall liegt das primäre Problem nicht darin, dass durch Umgestaltung der Worte deren ansonsten automatisch eintretende Wirkung blockiert würde. Vielmehr wird die Intention des Spenders, "zu tun, was die Kirche tut", fragwürdig, wenn er das in den Worten der Liturgie ausgedrückte kirchliche Verständnis der sakramentalen Handlung sinnentstellend manipuliert.

Innerhalb der katholischen Glaubensgemeinschaft werden sich Zweifel an der rechten Intention eines Sakramentenspenders meist aus seinem Vollzug der äußeren Zeichenhandlung begründen. Bei der Beurteilung ist jedoch große Sorgfalt geboten. Das Papier des Glaubensdikasteriums weiß, dass nicht jede Veränderung der sakramentalen Form ein Sakrament ungültig macht, also seine spezifische übernatürliche Zeichenrealität aufhebt (vgl. GV 17). Diesen Aspekt hätte man genauer entfalten können, um Fehlverständnissen vorzubeugen. Schon Papst Zacharias beruhigte im Jahr 746 Bischof Bonifatius von Mainz, dass keine Taufe wiederholt werden muss, weil dem Spender lateinische Grammatikfehler unterlaufen sind (vgl. DH 588), und die traditionelle Dogmatik hatte kein Problem damit, dass in den Ostkirchen statt der indikativen Taufformel eine deprekative Formel in passivischer Gestalt Verwendung findet (vgl. Konzil von Florenz, DH 1314).

Die Gültigkeit wird erst dann zweifelhaft, wenn durch Veränderungen die Identität des sakramentalen Vollzugs gefährdet ist. In diesem Fall liegt das primäre Problem nicht darin, dass durch Umgestaltung der Worte deren ansonsten automatisch eintretende Wirkung blockiert würde. Vielmehr wird die Intention des Spenders, "zu tun, was die Kirche tut", fragwürdig, wenn er das in den Worten der Liturgie ausgedrückte kirchliche Verständnis der sakramentalen Handlung sinnentstellend manipuliert. Wer dagegen das Argument setzt, der große Schöpfergott werde sich in seinem Handeln schon nicht kleinlich an menschliche Worte binden, verkennt die Gestalt des göttlichen Heilswirkens, in dem es auf konkrete Menschen mit konkreten Absichten, Worten und Taten ankommt. Das ist so anstößig wie die Menschwerdung Gottes in einem einzigen Individuum an einem bestimmten Punkt der Geschichte.

Ob man im Fall der Taufspendung mit einer Formel in der ersten Person Plural (statt Singular), welcher schon der Intervention der Glaubenskongregation zum Thema im Jahr 2020 zugrunde lag, tatsächlich einen so gravierenden Eingriff des Spenders konstatieren muss, dass die sakramentale Handlung invalidiert wird, lässt sich kritisch diskutieren, auch wenn man die grundlegenden Prinzipien von GV bejaht. Mir scheint, dass man mit guten Argumenten (die hier nicht entfaltet werden sollen) auch ein weniger strenges Urteil fällen könnte, als es die römische Behörde getan hat. Man würde dann zum gleichen Ergebnis gelangen wie 2003 noch die Gottesdienstkongregation, als sie in einem Reskript die Auskunft gab, Taufen, die mit der Formel in der ersten Person Plural gespendet werden, seien zwar gültig, aber unerlaubt (Roman Replies and CLSA Advisory Opinions 2003, Washington 2003, 17f.).

Liturgische Willkür ist auch eine Form von Klerikalismus

Fest steht, dass jeder Eingriff in die zentralen Bestandteile der Sakramente, selbst wenn er die Gültigkeit nicht tangiert, einen schweren Akt des kirchlichen Ungehorsams darstellt, der dem dienenden, werkzeuglichen Charakter des menschlichen Beitrags im Vollzug der Sakramente widerspricht. Die vatikanische Note erinnert mit der Liturgiekonstitution des Konzils daran, dass "außer in den Fällen, die in den liturgischen Büchern ausdrücklich angegeben sind, 'die Regelung der heiligen Liturgie allein Sache der kirchlichen Autorität' [SC 22] ist, die je nach den Umständen beim Bischof, bei der lokalen Bischofskonferenz oder beim Apostolischen Stuhl liegt" (GV 22). Während die erneuerte Liturgie in mancherlei Hinsicht "legitimer Vielfalt" Raum bietet (vgl. GV 21 mit Bezug auf SC 38), bleiben die wesentlichen Elemente der sakramentalen Liturgien der Verfügung des einzelnen Spenders und der einzelnen Gemeinde entzogen.

Es ist bezeichnend, dass diejenigen, die den Formalismus der vatikanischen Note beklagen, diesen Punkt kaum thematisieren. Dass hinter problematischen Veränderungen der Sakramentenform gute pastorale Absichten der betreffenden Spender stehen können, mag im Einzelnen stimmen. Aber wenn – wie in bestimmten Fällen, die an die Öffentlichkeit gelangt sind – Diakone oder Priester teils über mehrere Jahrzehnte konsequent eine abgeänderte Taufformel verwendet haben, wird man mindestens von habituell gewordener Leichtfertigkeit im Umgang mit dem Sakrament, eher aber von einer besonderen Spielart des Klerikalismus sprechen müssen, die darin besteht, dass ein Zelebrant die private theologische Überzeugung an die Stelle der kirchlichen Norm setzt. Im Vergleich mit anderen scherwiegenden Eingriffen in die Sinngestalt liturgischer Feiern werden diese Delikte vermutlich auch in Zukunft seltene Ausnahmen bleiben. Noch seltener, so lehrt die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte, wird die Androhung einer "exemplarischen Strafe" (GV, Presentazione) in die Wirklichkeit umgesetzt werden.

Was ist die Substanz der Sakramente?

Trotz der nach Inhalt und Terminologie recht traditionellen Ausrichtung der Note, die für manchen Beobachter eine weitere Überraschung in einem facettenreichen Pontifikat darstellt, ist GV kein reaktionärer Text. Dies zeigt sich beispielhaft an den Aussagen zur historischen Entwicklung der Sakramente und des damit verknüpften ekklesialen Bewusstseins. So heißt es in GV 12 und 15: "Es ist wahr, dass die Kirche nicht immer in eindeutiger Weise angegeben hat, in welchen Gesten und Worten diese göttlich eingesetzte Substanz besteht. (…) Bei einigen Sakramenten scheinen Materie und Form von Anfang an im Wesentlichen festgelegt zu sein, woraus sich unmittelbar ihre Gründung durch Christus ergibt; bei anderen ist die Definition der wesentlichen Elemente erst im Laufe einer komplexen Geschichte in präziserer Erfassung erfolgt, manchmal nicht ohne bedeutende Entwicklung."

Es bleibt der dogmatischen Reflexion aufgetragen, diese Einsicht mit den durch das Konzil von Trient definierten Aussagen zu vermitteln, dass die Sakramente "alle von unserem Herrn Jesus Christus eingesetzt" wurden (DH 1602) und ihre "Substanz" dem verändernden Zugriff der Kirche entzogen ist (DH 1728). In diesem Zusammenhang wird auch die theologische Belastbarkeit des in GV 11 vorgetragenen Vergleichs zwischen der kirchlichen Vollmacht über die heiligen Schriften und ihrer Vollmacht über die Sakramente genauer zu prüfen sein.

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