Liturgisch unangefochten folgt der Trinitatissonntag (Dreifaltigkeitssonntag) auch anno domini 2025 auf das Pfingstfest. Im Kirchenjahreskreis könnte er einen markanten theologischen Kulminationspunkt bilden, um die faszinierenden Facetten des christlichen Gottesverständnisses auszuloten. Aber so richtig feierlich geht es nicht zu. Eher scheint das Trinitatisfest ein strittiger Fels in der theologischen Brandung zu sein. Und das aus mindestens fünf Gründen:
Erstens hat schon vor Jahren Karl Rahner in einem Anflug hinreißender Umständlichkeit in einem Artikel zur Trinitätstheologie notiert: "Es muss noch darauf hingewiesen werden, dass die Lehre von der Trinität im konkreten Leben der Christen und in der Predigt, wenn überhaupt, dann nur eine sehr bescheidene Rolle spielt". Kurz: Die Trinität scheint ein homiletischer und glaubenspraktischer Nebenkrater zu sein.
Zweitens verneigt sich im diesjährigen Wochengebet zum Kasus die Vereinigte Lutherische Kirche Deutschlands vor Gott mit folgendem Gestus: "Du wunderbarer Gott, heilige Dreifaltigkeit, wir feiern dein Geheimnis", meint dann aber so fortfahren zu müssen: Die "Dreifaltigkeit" sei ein Geheimnis, "das wir im Glauben erahnen und das sich unserem Verstehen entzieht." Das ist nun ein Gebet, das bei der frühen Auflage der Loci communes Melanchthons von 1521 in die Schule gegangen zu sein scheint, in denen es heißt: "Mysteria divinitatis rectius adoraverimus quam vestigaverimus." Die Geheimnisse Gottes sollen wir besser anbeten als erforschen ... Die Trinität – nix für den Verstand. Du kannst sie nur anbeten.
Die kirchliche Trinitätslehre – überholt?
Als dritter Kritikgrund an der Trinitätslehre wird gerne vorgetragen: Diese Lehre sei zuletzt Produkt eines machtpolitischen Schachzuges gewesen. Die imperiale kaiserliche Macht sei 325 an einer Promotion des Nicänischen Glaubensbekenntnisses interessiert gewesen, um Jesus von Nazareth als göttlichen Pantokrator ausgeben und sich als Repräsentanten dieses Pantokrators absolut aufwerten zu können. Eine breite Tradition europäischer Theologie blende diesen politisch-ideologischen Zusammenhang konsequent aus. Deshalb sei diese Theologie international inzwischen auch so irrelevant.
Entsprechend gab viertens der für seinen dogmatischen Entrümpelungsgestus bekannte emeritierte katholische Theologe Hermann Häring vor zwei Jahren zu Protokoll: "Die kirchliche Trinitätslehre ist überholt". "Jesus" habe "sich nie als Teil einer Trinität verstanden, der ihm zugeschriebene Titel Sohn Gottes" sei "meilenweit entfernt von der zweiten innergöttlichen Person … Unser Bruder Jesus ist zum Träger von Gott gegebener Weisheit geworden. Dazu braucht es keine Dreifaltigkeit" Immer wieder darf man auf dieser Urteilslinie lesen, die Trinitätslehre sei etwas für Konservative, für Reaktionäre, für Traditionalisten.
Gern wird fünftes behauptet, die Trinität sei ja nicht viel mehr als eine überkomplexe Idee, ein Konstrukt, im 19. Jahrhundert von der idealistischen Philosophie, namentlich Georg Wilhelm Friedrich Hegel promoviert worden, im Sinne eines Selbstreflexionsverhältnisses eines absoluten Geistes.
Die Trinitätslehre habe, so wird sechstens vorgetragen, als Lehrstück in einen religiösen Streit hineingeführt, und habe so viel religionsaggressives Unheil gestiftet, namentlich die bis heute nicht geheilten Kirchenspaltung zwischen West- und Ostkirche, und das nur, weil man sich über die Petitesse nicht einige werden konnte, ob der Geist nur vom Vater oder zugleich vom göttlichen Vater und Sohn ausgehe. Unnötige Kontroversen seien zudem im Verhältnis zu den beiden anderen abrahamitischen Religionen, dem Judentum und dem Islam angezettelt worden.
Die Trinitätslehre gewinnt die Gestalt einer Erzählung, die das göttliche Selbstverhältnis aufgrund seines Verhaltens zu uns versucht zur Sprache zu bringen, durchaus mit dem Anspruch, erzählend zu beschreiben, was Gott wesentlich ausmacht, nämlich als Vater, Sohn und Heiliger Geist für uns da zu sein.
Denkbild mit inhärentem Wahrheitsanspruch
Nun hat allerdings der jüdische Intellektuelle Michael Wolffsohn in einem Interview mit dem Deutschlandfunk für die Trinität als ein "ganz grandioses Bild" geworben, das keineswegs religionspolemisch wirken müsse und in seiner intellektuellen Denkkraft neu ausgelotet gehört. Daran lässt sich gut anschließen. Glauben hat elementar mit Verstehen zu tun. Die von Anselm von Canterbury geradezu poetologisch auf die schöne Formel fides quaerens intellectum gebrachte Einsicht, dass der Glaube naturwüchsig verstehen will und einen Anspruch auf Verstehen hat; ein Verstehen, das wiederum produktiv auf den Glauben zurückwirkt, sollte überkonfessionelles christliches Gemeingut werden, wenn es dies nicht schon ist. Martin Luther konnte so weit gehen, das nicht Verstehenwollen mit einem Anathema zu versehen. "Der Christ sei verflucht, der nicht versteht, was er glaubt", schleuderte Martin Luther einst Erasmus von Rotterdam entgegen, Erasmus als einem, der die Trinität auch eher mit spitzen humanistischen Fingern anpackte. In diesem Zusammenhang gehört auch die Alternative von Gebet und Verstehen abgeräumt: Theologie ist leidenschaftliche und kühne Spurensuche in der Form des Gebets, der Meditation, der Homilie, der Lehre, der diakonischen Praxis …
Gerade die Trinität ist dabei ein Denkbild mit inhärentem Wahrheitsanspruch, dem in diesen theologischen Formen nachzusinnen dem Christentum Verpflichtung sein sollte. Theologische Grundvoraussetzung dabei ist: Dass wir überhaupt von Gott reden können und wie wir von Gott reden können, hat seinen Grund darin, dass Gott von sich aus geredet hat, als ein Gott, der mit Menschen Geschichte gemacht hat im Modus eines Gespräches mit Gott. "Und das Wort ward Fleisch und wohnte mitten unter uns …" Die Trinitätslehre kommt also nicht vom Himmel gefallen. Sie ist ebensowenig eine von menschlichem Verstand zusammengeklaubte scholastikose Ideenlehre. Sie entwickelt sich vielmehr fort und fort als eine anspruchsvolle Verstehensgeschichte der in den biblischen Texten überlieferten Ursprungsgeschichte mit Gott, deren aufregende Züge die biblische Exegese wieder und wieder vor Augen stellt. Sie ist so gesehen ein im Verlauf der Glaubensgeschichte mit Gott im Glaubensgespräch mit den biblischen Texten immer stärker entfaltete Figur, um Geist, Herz und Sinn in die menschliche Meditation der Eigenart Gottes hineinzurufen, also in die Frage, wer Gott ist und was er für die Menschen und seine Schöpfung sein will und ist.
Die Trinitätslehre gewinnt so gesehen die Gestalt einer Erzählung, die das göttliche Selbstverhältnis aufgrund seines Verhaltens zu uns versucht zur Sprache zu bringen, durchaus mit dem Anspruch, erzählend zu beschreiben, was Gott wesentlich ausmacht, nämlich als Vater, Sohn und Heiliger Geist für uns da zu sein.
Dynamisches Beziehungsgeschehen
Eine der wesentlichen und tröstlichen Pointen der Trinität ist für mich dabei: Sie bringt die dynamische Einheit des sich in Christus offenbarenden Gottes zur Darstellung. Und das bedeutet: Gott darf und muss in seiner personalen Eigenart gedacht werden. Wenn gesagt wird, dass Gott Geist sei, dann ist er keine apersonale Kraft oder Energie. Es wäre ja auch merkwürdig, wenn ausgerechnet Gott in seinem Innen- und Außenleben weniger komplex verfasst sein sollte als ein menschliches Individuum. Gott ist ein personales komplexes in sich beziehungsreiches Gegenüber. Und dieser Beziehungsreichtum Gottes blättert sich nicht in eine polytheistische Vielheit auf, sondern bildet in seinem konzentrierten Reichtum ein eindeutiges Gegenüber, elementar bestimmt durch den Gottescharakter Liebe, der in göttlicher Freiheit über sich selbst hinausgeht und als Schöpfer lebendige Gegenüber schöpft und elementar mit seiner Geistesgegenwart und todesüberwindenden Zuneigung begleitet.
Trinitatis ist ein Festtag, der signalisieren kann: Die christliche Religion, vor allem aber Gott selbst, hat alle auch intellektuellen Anstrengungsleistung einer (mit)menschlichen Kultivierungsleistung verdient.
Gott ist so verstanden unerschöpflich differenziert in seiner Einfachheit und Einheit. Und die Trinität ist, wie Eberhard Jüngel einmal meinte, als Gemeinschaft gegenseitigen Anderssein ein göttlicher Lebenszusammenhang in Person, der eben nicht transzendent bleibt, sondern sich den Abgründen von menschengemachtem Tod und Leid ausliefert, um diese von innen heraus zu überwinden. Die Trinität ist so gesehen als ewige Wesenstrinität wesentlich in die Weltgeschichte involviert, ohne in ihr endlich aufzugehen, weshalb die sogenannte immanente Trinität auch bei allem intimen Zusammenhang nicht in der ökonomischen Trinität restlos aufgeht.
Wider die theologische Dürftigkeit
Auf dieser Linie ist für mich der Trinitatissonntag ein Fest, das mich mit großer Dankbarkeit erfüllt, ein Tag, der zum Beten und Denken einlädt, ein Tag, der die Gelegenheit gibt, die ganz alten und neuesten in der Geschichte der Trinitätslehre entwickelten theologischen Nacherzählungen geistlich auszubuchstabieren. Die Welt, meine Mitgeschöpfe und Mitmenschen, ich selbst, geschaffen, versöhnt, erlöst … Der Trinitatissonntag ist insofern ein Festtag, der signalisieren kann: Die christliche Religion, vor allem aber Gott selbst hat alle auch intellektuellen Anstrengungsleistung einer (mit)menschlichen Kultivierungsleistung verdient. Es mit dieser Denkanstrengung aufzunehmen, ist zweifelsohne eine religionspolitische Machtfrage. Die theologische Dürftigkeit einer flächigen Gotteslehre eröffnet keine vitalen Perspektiven für die christlichen Kirchen.
Es ist höchste Zeit, angesichts einer schrecklichen Konjunktur innerweltlichen Furchtszenarien und Drohkulissen vielleicht keine göttliche Komödie zu dichten, aber den denkarmen Knittelversen einer bedarfsorientierten theologischen Seichtheit ein narratives Epos auf den Weg zu bringen, das den Erfahrungshorizonten des 21. Jahrhunderts mit den überlieferten Ursprungserfahrungen verknüpft und so vor Augen führt, wie über Gottes Gottheit und seine Wahrheit allein die Geschichte entscheidet, die Gott selbst mit den Menschen schreibt.