Das Kind als VertragsgegenstandEine Kritik leihmutterschaftlicher Praxis

In Deutschland wird über eine Liberalisierung der Leihmutterschaft diskutiert. Doch was als Fortschritt deklariert wird, hat seinen Preis.

Vertrag
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Die Ampel-Regierung ernannte sich 2021 selbst zur "Fortschrittskoalition". Motiviert war dieses Bild nicht zuletzt vom links-liberalen Konsens, die reproduktionsmedizinische Praxis in Deutschland zu liberalisieren. Unter anderem will man die Restriktionen des 1990 verabschiedeten Embryonenschutzgesetzes auf den Prüfstand stellen. Entsprechend klärt der Gesetzgeber nun auch den Rahmen ab, innerhalb dessen das strafbewehrte Verbot der Leihmutterschaft gekippt werden soll. Doch was hier als Fortschritt deklariert wird, hat seinen Preis.

Ethischen Diskussionen, die den Lebensanfang betreffen, haftet seit der Abtreibungsdebatte der Sechzigerjahre die Eigenschaft an, von Narrativen und Deutungen durchdrungen zu sein, die von der eigentlichen Kernfrage ablenken. Das macht es so schwierig, sich auf diesem Feld überhaupt öffentlich zu verständigen.

Die vorgeburtliche Lebensspanne eines Menschen ist gemäß liberalem Credo zur Privatsache derjenigen deklariert worden, die dessen Existenz initiiert haben oder es vorhaben.

Selbstbestimmung und Gleichstellung sind zentrale Schlagwörter der Debatte. Einst ging mit dem Slogan "Mein Bauch gehört mir" das Postulat einher, sich vom Kind im Mutterleib frei durch Abtreibung trennen zu können. Heute will man sich in fortpflanzungsmedizinischen Fragen gegen einen vermeintlichen Paternalismus durch den Gesetzgeber wehren. Kurzum: Die vorgeburtliche Lebensspanne eines Menschen ist gemäß liberalem Credo zur Privatsache derjenigen deklariert worden, die dessen Existenz initiiert haben oder es vorhaben. Die von der Bundesregierung einberufene Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin macht sich diese Grundüberzeugung zu eigen. Der Name des Gremiums und die Auswahl der Mitglieder determinierten bereits die Programmatik.

Die Fortpflanzungsmedizin feiert technologische Erfolge. Infolgedessen sind Abstammungsverhältnisse zur Verhandlungssache geworden. Jedem soll es möglich sein, ein Kind zu "bekommen". Erst wurde es im Labor machbar, später bestellbar. Weder biologische Beschränkungen noch die sexuelle Orientierung, noch nicht einmal das Singledasein sollen dem Vorhaben im Wege stehen, ein "eigenes" Kind zu "haben". Um Eltern zu sein, braucht es in dieser Logik nur den Wunsch dazu – und die Bereitschaft derjenigen, die ihren Körper für meinen Kinderwunsch zur Verfügung stellen wollen. Verhandelt werden dabei formal die Rechte und Pflichten der daran unmittelbar beteiligten einwilligungsfähigen Personen (Wunscheltern, Spender von Eizellen und Spermien, Leihmütter). Verhandlungsgegenstand hingegen ist ein Kind. Genau dieser Umstand sollte uns irritieren. "Ein Kind ist immer ein Geschenk und niemals ein Vertragsgegenstand", heißt es in "Dignitas infinita", der neuen Menschenwürde-Erklärung des Vatikans (48).

Der Begriff "Eltern" verliert seine Bedeutung

Ist das eine moderne Form von Menschenhandel? Um diesem Vorwurf zu begegnen, besteht der Gesetzgeber in vielen Ländern auf eine sogenannten altruistischen, spricht entgeltfreien Leistung. Auch soll damit verhindert werden, dass Leihmütter ihren Körper zur Verfügung stellen, um Geld damit zu verdienen. Trotzdem bleibt das Bestehen auf die "altruistische Dienstleitung" eine mehr kosmetische Maßnahme, denn es löst nicht das Kernproblem: dass ein neuer Mensch ins Dasein gebracht wird, in dem ein Vertrag geschlossen wird.

Man kann nicht mehr sagen, wodurch sich Elternschaft objektiv definiert. Damit verliert der Begriff "Eltern" überhaupt seine Bedeutung.

Im Jahr 1993 hat der Oberste Gerichtshof des US-Bundesstaates Kalifornien den römischen Rechtssatz mater semper certa est ("Die Mutter ist immer sicher") seiner Gewissheit nachhaltig beraubt (Johnson v. Calvert). In einem Rechtsstreit urteilte es zweitinstanzlich, dass die austragende "Leihmutter", die sich während der Schwangerschaft "vertragsbrüchig" gegenüber den Wunscheltern zeigte und selbst nun auch ein Interesse am Kind zeigte, keine Rechte am Kind habe. Die Mehrheit der Richter argumentierte dabei explizit urheberrechtlich. Es fragte buchstäblich danach, wer das Kind als Urheber konzipiert habe. Das Gericht sprach explizit aus, was implizit enthalten ist: ein Paradigmenwechsel in der Vorstellung dessen, was Elternschaft ist. Denn wenn die Zuordnung von Elternschaft konzeptionell strittig ist, dann ist die objektive Identifikation von Elternschaft sui generis bereits nicht mehr gegeben.

Man kann nicht mehr sagen, wodurch sich Elternschaft objektiv definiert. Damit verliert der Begriff "Eltern" überhaupt seine Bedeutung. Aus dem Umstand, dass familiäre Konstellationen heute vielfältige soziale Formen annehmen, ist geschlossen worden, Abstammungsverhältnisse seien eine ausschließlich soziale Kategorie. Die leibliche Dimension der Entstehung eines neuen Menschen erscheint als bloße "Beschaffungsmaßnahme". Die abwertende Bezeichnung "Erzeuger" für den Vater kennen wir bereits. Nun wird auch die Mutter zur "Schwangerschaftsausträgerin" degradiert.

Kritiker wenden ein, wer so argumentiert, befördere überhöhte Vorstellungen von Mutterschaft. Doch darum geht es nicht. Die leiblich-symbiotische Beziehung einer Schwangerschaft ist die dichteste menschliche Nähebeziehung überhaupt. Wenn bei der Entbindung durch Leihmütter auf einen Sichtschutz zwischen Kopf und Uterus bestanden wird, um Muttergefühle zu unterbinden, dann ist man sich der Problematik durchaus bewusst. Man kann eine solche Maßnahme nun als Austricksen des Hormonhaushalts werten, oder aber als Akt eines makabren Beziehungsabbruchs, der einen Verlust von Humanität bedeutet. Die Kommission des Bundes zeigt sich problembewusst und verlangt etwa, dass leihmutterschaftliche Vereinbarungen im bestehenden sozialen Nahbereich getroffen werden. Sie verlangt aber auch das freie Recht der Leihmütter auf Schwangerschaftsabbruch. Im Zweifel müssten Wunscheltern auch die Beendigung des Lebens ihrer genetisch eigenen Kinder hinnehmen.

Gibt es ein "Recht auf ein Kind"?

Die leiblich-personale Integrität des Bandes zwischen Mutter und Kind geht verloren. Diese ist unabhängig von der subjektiven Bedeutung, die diesem Band zugesprochen wird. Unser heutiges Emanzipationsethos speist sich stark daraus, dass dieser Umstand ausgeklammert wird. Doch leibliches Engagement, leibliche Partizipation stiften Beziehungswirklichkeiten. Ob man diese Beziehungswirklichkeiten annimmt oder sich von ihnen distanziert, sie bleiben im Raum. Von jemandem zu verlangen, dass er leibliche Beziehungen eingeht, die von Anfang an beziehungs- und bedeutungslos sein sollen, widerspricht unserer menschlichen Verfassung. Zudem ist daran ein Kind beteiligt, dass dieser leiblich-personalen Integritätsverletzung ausgeliefert ist. Damit entzieht sich das Geschehen dem Bereich der Selbstbestimmung. Das Narrativ der Autonomie auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin ist wirkmächtig. Doch was als Selbstbestimmung erscheint, ist in Wirklichkeit eine Verfügung über andere.

Dieses narzisstische Tiefenverständnis spiegelt sich am deutlichsten in der Rede vom "Recht auf ein Kind" wider. Rechte auf jemanden gibt es seit der Abschaffung der Sklaverei formal nicht mehr. Fortpflanzung hat ihren genuinen Ort in einem leiblichen Engagement. Sie gründet nicht nur auf einem Wunsch, sondern auch auf leiblicher Interaktion. Damit hat sie ein doppeltes, ganzheitliches Verantwortungsfundament. Die Abtrennung und Unterordnung höchstpersönlicher Vollzüge und Beziehungen unter intentionale Zwecksetzungen institutionalisiert ein dualistisches Selbstverständnis. Leiblichkeit wird zunehmend zum Medium menschlicher Bedürfnisse. 

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