Da kommt Papst Franziskus ein gutes halbes Jahr nach seinem Tod noch einmal mit einer Überraschung ums Eck. So fühlt es sich jedenfalls an, ging die Meldung über ein neu eingeführtes Heiligengedenken im Herbst vergangenen Jahres doch eher unter. Damals hatte Franziskus in einem Brief alle Bistümer aufgefordert, künftig am 9. November ihrer lokalen „Alltagsheiligen“ zu gedenken. Es gehe ihm nicht darum, einen zusätzlichen Gedenktag in den liturgischen Kalender einzufügen, so der Papst. Vielmehr wünschte er sich Initiativen innerhalb und außerhalb des Gottesdienstes, um „an jene Persönlichkeiten zu erinnern, die den lokalen christlichen Weg und die Spiritualität geprägt“ haben.
Das Vorgehen des verstorbenen Papstes folgt auch in dieser unscheinbaren Anordnung der typischen „Franziskus-Formel“: Altes nicht infrage stellen und gleichzeitig neue Akzente setzen. Ein Fest zum Gedenken aller Heiligen, der bekannten wie unbekannten, feiert die Kirche bereits seit dem neunten Jahrhundert: Allerheiligen am 1. November. Und vom Vorbild der Altehrwürdigen sollen wir uns selbstverständlich inspirieren lassen. Auch war Franziskus nicht gerade zurückhaltend, dem Kreis der „offiziellen“ Heiligen reichlich Nachwuchs zuzuführen – mit teils fragwürdigem Beigeschmack, wie etwa in der Debatte um die Heiligsprechung von Carlo Acutis und den damit verbundenen Reliquienkult zutage trat (vgl. CIG Nr. 31/2024, S. 2). Doch zum klassischen Kanonisierungsverfahren mit all seinen Anachronismen gesellte der Jesuitenpapst eine „‚alltägliche‘ Heiligkeit und die Heiligkeit ‚von nebenan‘“, an der „die Kirche seit jeher in der ganzen Welt reich“ gewesen sei.
Was für eine wohltuende und wichtige Ergänzung! Macht sie doch deutlich: Alle Gläubigen sind zur Heiligkeit berufen. Dieses sperrige Wort ist nicht für staubige Kirchenstatuen reserviert, sondern hat Bedeutung auch für die Gegenwart. Heiligsein ist nichts Abgehobenes und verlangt kein makelloses Leben (von welcher oder welchem Heiligen könnte man das schon behaupten), sondern meint das „Schaffen von Raum für das Wirken Gottes“, wie Franziskus es in seinem Schreiben formulierte.
Als Beispiel für solche Heilige von nebenan nannte der Papst treu liebende Ehepaare; Männer und Frauen, die an der Verbreitung des Reiches Gottes mitgewirkt haben; Jugendliche in begeisterter Nachfolge Jesu; Seelsorger und Ordensleute. Auch dürften die Armen, Kranken und Leidenden als Glaubensvorbilder nicht vergessen werden.
So schön diese Aufzählung ist, bleibt sie doch stark im heimeligen Umfeld von Familie und Kirche verhaftet. Warum den Blick nicht weiten in den säkularen Bereich? Das Gedenken der Alltagsheiligen bietet einen hervorragenden Anlass, um an den unverzichtbaren Dienst unserer Rettungs- und Sicherheitskräfte, der politischen Vertreterinnen und Vertreter oder die Arbeit investigativer Journalisten zu erinnern.Die Wahl des 9. November war sicher keine zufällige: Es ist der Weihetag der Lateranbasilika, der Bischofskirche der Päpste. Mit Franziskus’ Initiative erfährt dieser blass gewordene liturgische Anlass eine gelungene Verheutigung: Die „Mutter aller Kirchen“ ist nicht nur ein Gebäude, sondern die Gemeinschaft aller Menschen guten Willens. Was könnte dem Wirken Gottes eindrucksvoller Raum schaffen als das Wunder selbstlosen Einsatzes für andere?
Die Wahl des 9. November war sicher keine zufällige: Es ist der Weihetag der Lateranbasilika, der Bischofskirche der Päpste. Mit Franziskus’ Initiative erfährt dieser blass gewordene liturgische Anlass eine gelungene Verheutigung: Die „Mutter aller Kirchen“ ist nicht nur ein Gebäude, sondern die Gemeinschaft aller Menschen guten Willens. Was könnte dem Wirken Gottes eindrucksvoller Raum schaffen als das Wunder selbstlosen Einsatzes für andere?